Verfahrensgang
Sächsisches LSG (Urteil vom 02.02.2017; Aktenzeichen L 8 AS 1027/14) |
SG Dresden (Entscheidung vom 08.07.2014; Aktenzeichen S 36 AS 5104/12) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 2. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.
Der Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil des LSG ist ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG), weil er den vorliegend allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) in der Begründung seiner Beschwerde nicht schlüssig dargelegt hat (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, dass die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Daher ist aufzuzeigen, ob und inwieweit zu der aufgeworfenen Frage bereits Rechtsgrundsätze herausgearbeitet sind und in welchem Rahmen noch eine weitere Ausgestaltung, Erweiterung oder Änderung derselben durch das Revisionsgericht zur Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits erforderlich erscheint (vgl Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, IX. Kap, RdNr 65 f). Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16). Hierfür ist eine substantielle Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig erachtet sie die Fragen,
"- ob ein Betreiben eines Studiums im Rahmen eines Urlaubssemesters - unabhängig davon, an welchen Tagen oder Monaten des Urlaubssemesters - immer dazu führt, dass der Hilfebedürftige für das gesamte Urlaubssemester dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II unterworfen ist;
- welches Maß an die Glaubhaftigkeit von Aussagen zum Betreiben des Studiums zu stellen sind, wenn es auf eine taggenaue Beurteilung eines Betreibens eines Studiums ankommt.
- Dürfen und können allein individuelle Erklärungen die Tatsache eines Vollzeit-Studiums aushebeln (mit welchen Beweislasten/-mitteln?), um Leistungen nach dem SGB II zu erzwingen (unter Ansetzung und Aushöhlung der Möglichkeit eines Urlaubssemesters)?"
Soweit es die erste Frage nach der zeitlichen Reichweite des Leistungsausschlusses bei Betreiben eines Studiums im Urlaubssemester betrifft, ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass und warum diese Frage als abstrakte Rechtsfrage nicht auf der Grundlage der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG beantwortet werden kann. Denn nach dieser ist für die Frage der Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach in einem Urlaubssemester bei Fortbestehen der organisationsrechtlichen Zugehörigkeit zur Hochschule zum einen zu prüfen, ob das Studium während des Urlaubssemesters tatsächlich betrieben wird (vgl BSG vom 22.3.2012 - B 4 AS 102/11 R - SozR 4-4200 § 7 Nr 27 RdNr 16 f, 20; BSG vom 22.8.2012 - B 14 AS 197/11 R - juris, RdNr 17 f, 20); zum anderen wird das SGB II durch das Monatsprinzip geprägt (vgl nur BSG vom 9.4.2014 - B 14 AS 23/13 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 75 RdNr 27; BSG vom 28.10.2014 - B 14 AS 36/13 R - BSGE 117, 179 = SozR 4-4200 § 37 Nr 7, RdNr 25). Demgegenüber lässt sich weder dem SGB II noch der Rechtsprechung des BSG zum SGB II ein Anknüpfungspunkt für eine semesterweise Betrachtung entnehmen; auch das Beschwerdevorbringen lässt einen abstrakten rechtlichen Anknüpfungspunkt hierfür nicht erkennen, sondern bleibt auf den konkreten Einzelfall bezogen.
Soweit es die zweite und dritte Frage betrifft, die beide letztlich auf die zu fordernden Grundlagen richterlicher Überzeugungsbildung zielen, lässt die Beschwerdebegründung nicht erkennen, dass und warum diese Fragen hier von grundsätzlicher Bedeutung, klärungsbedürftig und klärungsfähig sein könnten. Denn das LSG hat sich vorliegend - wie der Beschwerdebegründung zu entnehmen ist - nach Amtsermittlung "unter Würdigung des Einzelfalls" eine Überzeugung gebildet und auf deren Grundlage entschieden, ohne dass insoweit vom Beklagten innerhalb der Frist für die Beschwerdebegründung ein Verfahrensmangel des LSG geltend gemacht worden ist. Dem entspricht, dass für den Beklagten die "hier streitentscheidende Frage ist, ob die Klägerin trotz der attestierten Erkrankung im Hinblick auf die von ihr im Urlaubssemester abgelegten Prüfungen das Studium betrieben hat und wenn ja in welchem Umfang". Diese Frage zielt ganz auf den vorliegenden Einzelfall, ist aber keine abstrakte Rechtsfrage, der allein grundsätzliche Bedeutung zukommen könnte.
Soweit nach der Beschwerdebegründung zudem "die Frage der Kollision verschiedener Rechtsgebiete und deren Auswirkung zu klären" sei, ist dem Vorbringen im Weiteren nicht die Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage zu entnehmen, anhand derer die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geprüft werden könnten.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI11205341 |