Verfahrensgang
SG Ulm (Entscheidung vom 23.06.2022; Aktenzeichen S 17 R 957/18) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 20.02.2024; Aktenzeichen L 9 R 2266/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Februar 2024 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist eine Rente wegen Erwerbsminderung.
Der 1961 geborene Kläger beantragte im Mai 2013 eine Rente wegen Erwerbsminderung, die ihm zunächst von der Beklagten befristet für die Zeit von Februar 2013 bis Januar 2016 bewilligt wurde. Nach Einholung von Befund- und Behandlungsberichten sowie eines neurologischen Gutachtens lehnte die Beklagte die Weitergewährung der begehrten Rente ab(Bescheid vom 27.1.2017; Widerspruchsbescheid vom 19.2.2018) . Das SG hat weitere Arztberichte eingeholt und ein nervenärztliches Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben; eine psychiatrische Begutachtung, die im Anschluss an eine vom 25.2.2020 bis 6.3.2020 stattgefundene stationäre Behandlung des Klägers im Universitätsklinikum U erfolgen sollte, hat der Kläger abgelehnt. Mit Gerichtsbescheid vom 23.6.2022 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger sei in der Lage, mindestens sechs Stunden arbeitstäglich erwerbstätig zu sein. Soweit sich der Gesundheitszustand des Klägers während des Klageverfahrens im Februar bzw März 2020 verschlechtert habe, scheitere ein Anspruch jedenfalls daran, dass der Kläger die für einen Rentenanspruch erforderliche Vorversicherungszeit iS des§ 43 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI letztmals für einen im Mai 2019 eingetretenen Leistungsfall erfüllt habe. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Der Kläger könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes leichte körperliche Tätigkeiten sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten und die Wegefähigkeit sei nicht aufgehoben. Ein Anspruch des Klägers auf eine Erwerbsminderungsrente lasse sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass sich der Kläger vom 25.2.2020 bis 6.3.2020 in der geschlossenen Station des Universitätsklinikums U befunden habe, da er zu dieser Zeit die für eine Erwerbsminderungsrente erforderlichen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt habe(Urteil vom 20.2.2024) .
Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde zum BSG eingelegt. Er macht Verfahrensmängel geltend.
II
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Der Kläger hat keinen Verfahrensmangel in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) , müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) die den Mangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Sofern ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht(vgl§ 103 SGG ) geltend gemacht wird, muss die Beschwerdebegründung hierzu jeweils folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3) Darlegung der von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (4) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (5) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterlassenen Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können(stRspr; vglBSG Beschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN;BSG Beschluss vom 3.4.2020 - B 9 SB 71/19 B - juris RdNr 8 ;BSG Beschluss vom 31.1.2023 - B 5 R 184/22 B - juris RdNr 6 ) .
Die Beschwerdebegründung des Klägers entspricht diesen Erfordernissen nicht.
a) Er rügt, das LSG habe unter Verstoß gegen § 103 SGG keine weiteren Ermittlungen zu seinen Leistungseinschränkungen in orthopädischer und neurologischer Hinsicht angestellt. Es erscheine möglich, dass eine weitere Begutachtung Zweifel an den Feststellungen im bisherigen Gutachten erweckt hätte und die Entscheidung des LSG für den Kläger sodann positiv ausgefallen wäre.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger schon keinen Beweisantrag iS des § 160a Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet. Zwar sind, wenn ein Kläger in der Berufungsinstanz - wie hier - durch keinen rechtskundigen Prozessbevollmächtigten vertreten war, an Form, Inhalt, Formulierung und Präzisierung eines Beweisantrags verminderte Anforderungen zu stellen. Auch ein unvertretener Beteiligter muss jedoch einen konkreten Beweisantrag sinngemäß gestellt haben, dh angeben, welche konkreten Punkte er am Ende des Verfahrens noch für aufklärungsbedürftig gehalten hat und auf welche Beweismittel das Gericht hätte zurückgreifen sollen, um diese aufzuklären(vglBSG Beschluss vom 13.3.2024 - B 5 R 135/23 B - juris RdNr 13 ;BSG Beschluss vom 1.8.2017 - B 13 R 214/16 B - juris RdNr 14 mwN) . Erfolgt eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit eines unvertretenen Klägers, hat er diese Verdeutlichung grundsätzlich in der mündlichen Verhandlung vorzunehmen(vglBSG Beschluss vom 19.7.2022 - B 7 AS 1/22 B - juris RdNr 3 ) . Diese Voraussetzungen sind nicht dargetan. Der in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG persönlich anwesende Kläger führt vielmehr selbst aus, keinen konkreten Beweisantrag gestellt zu haben.
b) Weiter trägt der Kläger vor, sein Anspruch auf rechtliches Gehör(§ 62 SGG ,Art 103 Abs 1 GG ) sei dadurch verletzt, dass das LSG keinen Hinweis auf die Möglichkeit der Stellung von Beweisanträgen, der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts und der Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe (PKH) erteilt habe. Auch insofern mangelt es an hinreichenden rechtlichen Ausführungen. Die Tatsachengerichte sind nicht verpflichtet, auf die Stellung von Beweisanträgen hinzuwirken oder im Rahmen von Beweisanträgen sonstige Formulierungshilfen zu geben. Hält das Tatsachengericht eine Beweisaufnahme für notwendig, so hat es keinen entsprechenden Beweisantrag herbeizuführen, sondern den Beweis nach § 103 SGG von Amts wegen auch ohne Antrag zu erheben. Lehnt es die Beweiserhebung dagegen ab, so muss es nicht kompensatorisch auf einen Beweisantrag hinwirken(BSG Beschluss vom 5.5.2010 - B 5 R 26/10 B - juris RdNr 10 mwN) . Ist ein Beweisantrag nicht gestellt, so kann nicht über den Umweg einer Rüge der Verletzung von Hinweispflichten die Einschränkung des § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG umgangen werden(vglBSG Beschluss vom 24.7.2002 - B 7 AL 228/01 B - juris RdNr 6 mwN) . Woraus sich für ein Gericht eine allgemeine Verpflichtung ergeben soll, die Beteiligten eines Verfahrens - insbesondere eines Verfahrens vor Tatsachengerichten, bei denen kein Vertretungszwang besteht - vor einer Entscheidung auf die Möglichkeit anwaltlicher Vertretung und der Inanspruchnahme von PKH hinzuweisen, ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt(vgl dazuBVerwG Beschluss vom 27.6.2007 - 3 B 130.06 - juris RdNr 7 ;BFH Beschluss vom 17.3.2009 - X S 4/09 ≪PKH≫ - juris RdNr 10 ; BVerfG Beschluss vom 30.8.1991 - 2 BvR 995/91 - juris RdNr 3) . Im Übrigen fehlt es auch an einer substantiierten Darlegung, wieso sich das LSG im Verfahren des Klägers zu richterlichen Hinweisen hätte gedrängt fühlen müssen und dass die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann. Allein der Vortrag, im Fall einer anwaltlichen Vertretung wäre ein Beweisantrag gestellt worden, ist insofern nicht ausreichend.
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des§ 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI16612061 |