Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 2. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten um die Übernahme der Kosten einer Bauchdeckenstraffung (Abdominalplastik).
Die 1978 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin reduzierte in Folge einer Strumektomie bei Schilddrüsenkarzinom sowie unterstützender Ernährungsberatung ihr Gewicht von 140 kg auf 90 kg. Am 18.5.2015 beantragte sie bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine Abdominalplastik. Nach Einholung von Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 8.3.2016, Widerspruchsbescheid vom 9.11.2016). Das SG hat die Klage nach Einholung eines plastischchirurgisch-sozialmedizinischen Gutachtens sowie eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG abgewiesen (Urteil vom 15.10.2019). Das LSG hat die Berufung der Klägerin nach Einholung eines dermatologischen Gutachtens - teilweise unter Bezugnahme auf die Begründung des SG - zurückgewiesen. Eine Einschränkung der Körperfunktionen aufgrund des Hautüberschusses im Bereich der Bauchdecke liege nicht vor. Soweit bei der Klägerin eine Behandlungsbedürftigkeit der Haut bestehe, könne dieser Bedarf durch konservative Maßnahmen in Form einer konsequenten dermatologischen (Weiter-)Behandlung und pflegerische Maßnahmen befriedigt werden. Weder eine durch den Hautüberschuss verursachte therapierefraktäre Hautveränderung noch eine Pilzbesiedlung im Bereich der seitlichen Ausläufer der aneinander reibenden Hautfalten sei feststellbar. Es sei zudem bereits nicht ersichtlich, dass eine konsequente dermatologische Behandlung der Hautveränderungen überhaupt jemals erfolgt sei. Eine Entstellung liege bei der Klägerin nicht vor. Soweit die Bauchdeckenfettschürze mit einem seelischen Leiden für die Klägerin verbunden sei, begründe dies grundsätzlich keine Leistungspflicht der Krankenkasse. Soweit das Sächsische LSG in einem Urteil vom 31.5.2018 - L 1 KR 249/16 - die in der Rspr des BSG entwickelten Grundsätze zum Brustaufbau nach Mastektomie auf eine Straffungsoperation nach einer Adipositasbehandlung herangezogen habe, unterscheide sich der hiesige Sachverhalt vom dort entschieden bereits dadurch, dass vorliegend keine therapieresistente Hauterkrankung gegeben sei. Im Übrigen könne eine Hautstraffung nach starkem Gewichtsverlust nicht grundsätzlich mit einem Brustaufbau nach einer Mastektomie (etwa aufgrund eines Mammakarzinoms) gleichgesetzt werden, da es nicht um die Wiederherstellung der körperlichen Integrität nach einem Eingriff gehe, sondern um einen Eingriff in einen nicht behandlungsbedürftigen Körperzustand, um das nicht entstellte äußere Erscheinungsbild zu ändern (Urteil vom 2.7.2021).
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 23.9.1997 - 2 U 177/97 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG vom 30.9.1992 - 11 BAr 47/92 - SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG vom 30.3.2000 - B 12 KR 2/00 B - SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Die Klägerin richtet ihr Vorbringen hieran nicht aus.
Die Klägerin formuliert folgende Rechtsfragen:
"1. Hat ein in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter wegen einer rezidivierenden Erkrankung an einem Organ, welche in ihren akuten Erscheinungsformen behandelbar aber nicht heilbar ist, einen Anspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf Kostenübernahme für einen operativen Eingriff, welcher nicht der Behandlung der rezidivierenden Erkrankung dient, sondern die Ursache für die rezidivierende Erkrankung beseitigt, in den Fällen in denen es sich bei der Behandlung der rezidivierenden Akuterkrankungen um in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Behandlungen handelt.
2. Hat ein in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherter wegen einer rezidivierenden Erkrankung an einem Organ, welche in ihren akuten Erscheinungsformen behandelbar aber nicht heilbar ist, einen Anspruch nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V auf Kostenübernahme für einen operativen Eingriff, welcher nicht der Behandlung der rezidivierenden Erkrankung dient, sondern die Ursache für diese Erkrankung beseitigt, in den Fällen in denen die Ursache der rezidivierenden Erkrankung ein operativer Eingriff in ein anderes Körperteil war, für den die gesetzlichen Krankenversicherung die Kosten ebenfalls übernommen hatte und wenn es sich zudem bei der Behandlung der rezidivierenden Akuterkrankungen um in das Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung fallende Behandlungen handelt."
2. Auch wenn man in diesem Vorbringen klar formulierte Rechtsfragen sehen will, und nicht bloß die Frage, ob das LSG im Einzelfall richtig entschieden habe, fehlt es jedenfalls an den erforderlichen Darlegungen dazu, inwiefern diese klärungsbedürftig sein könnten. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG vom 22.2.2017 - B 1 KR 73/16 B - juris RdNr 8 mwN; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit eines entsprechenden Maßstabs BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 10 f = juris RdNr 4). Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung weder zur ersten (dazu a) noch zur zweiten Rechtsfrage (dazu b).
a) In der Rspr des Senats ist geklärt, dass bei einem Eingriff in ein funktionell intaktes Organ und dessen regelwidrige Veränderung die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung bedarf, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (vgl BSG vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289, 291 = SozR 4-2500 § 137c Nr 1 RdNr 6; zuletzt BSG vom 22.6.2022 - B 1 KR 19/21 R - juris RdNr 20). Wieso mit Blick hierauf noch Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung verblieben sein sollen, hat die Beschwerde nicht dargelegt (zur von der Klägerin mit der Beschwerde nicht thematisierten Frage des Ausmaßes einer behandlungsbedürftigen Entstellung im unbekleideten Zustand vgl nunmehr BSG vom 10.3.2022 - B 1 KR 3/21 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 31).
b) Die Klägerin verweist auf das Urteil des erkennenden Senats vom 8.3.2016 (B 1 KR 35/15 R - SozR 4-2500 § 27 Nr 28 RdNr 18) und führt aus, es bestehe für die in der Frage dargestellte Sachverhaltskonstellation wegen der Fernwirkung eines ärztlichen Eingriffs - hier: Strumektomie mit nachfolgender Gewichtsreduzierung mit Hautüberschuss und daraus sich ergebender Hautkrankheit - weiterhin Klärungsbedarf. Sie setzt sich aber nicht damit auseinander, dass der Senat sich dort nur mit dem Anspruch auf die (weitgehende) Wiederherstellung der Integrität des Körpers nach medizinisch notwendiger Entfernung eines Körperteils befasst hat (Brustaufbau nach Mastektomie). Sie legt nicht dar, warum sich daraus abweichend von der unter 2. a) angegebenen Rspr zum eng begrenzten Anspruch auf eine mittelbare Heilbehandlung ein noch zu klärender Anspruch auf eine weiter reichende mittelbare Heilbehandlung ergeben könnte.
3. Unabhängig davon legt die Klägerin auch die Klärungsfähigkeit der formulierten Rechtsfrage nicht dar. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN).
Auch dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht. Das LSG hat nicht festgestellt, dass bei der Klägerin eine unheilbare rezidivierende Hauterkrankung vorliege. Vielmehr ist es davon ausgegangen, es sei nicht ersichtlich, dass eine konsequente dermatologische Behandlung der Hautveränderungen überhaupt jemals erfolgt sei. Eine therapieresistente Hauterkrankung liege nicht vor. Die Klägerin hat diese Feststellungen nicht mit Verfahrensrügen angegriffen. Sie legt nicht dar, warum die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen auf Grundlage dieser den Senat bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) entscheidungserheblich sein könnten.
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Schlegel Scholz Geiger
Fundstellen
Dokument-Index HI15554488 |