Entscheidungsstichwort (Thema)

Frist für Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Rechtzeitigkeit von Beschwerde- und Beschwerdebegründung bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung des Landessozialgerichts.

Stand: 24. Oktober 2002

 

Normenkette

SGG § 66 Abs. 1, 2 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 2 Fassung: 1993-08-02, § 160a Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Beschluss vom 08.10.1993; Aktenzeichen L 10 Ar 245/93)

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 29.10.1992; Aktenzeichen S 7 Ar 2092/88)

 

Tenor

Die erneute Beschwerde des Klägers vom 25. November 1994 gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 1993 (L 10 Ar 245/93) wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Im Januar 1988 beantragte der Kläger die Erstattung von Fahrkosten in Höhe von 60,00 DM, die ihm im Zusammenhang mit etwa 20 Bewerbungen beim Arbeitsamt (ArbA) in der Zeit von Februar bis August 1983 entstanden seien. Das ArbA lehnte den Antrag mit dem Hinweis ab, die Erstattung von Fahrkosten anläßlich der Abgabe von Bewerbungsunterlagen beim ArbA sei rechtlich nicht vorgesehen; auch sei der Antrag nicht vor Eintritt des Ereignisses gestellt worden (Bescheid vom 2. März 1988; Widerspruchsbescheid vom 23. Juni 1988). Vor dem Sozialgericht (SG) lehnte der Kläger die Kammervorsitzende (erneut) wegen Befangenheit ab. Das SG hat die Klage abgewiesen. Es hat das Ablehnungsgesuch (wegen Wiederholung gleichen Vorbringens) für unzulässig und die Klage als solche für unbegründet erachtet (Urteil vom 29. Oktober 1992). Das Landessozialgericht (LSG), vor dem der Kläger neben weiteren Rügen ua beanstandet hatte, daß sein Ablehnungsgesuch als unzulässig verworfen worden sei, hat den Kläger darauf hingewiesen, daß der Senat die Berufung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluß zurückweisen könne, wenn er sie einstimmig für unbegründet und die mündliche Verhandlung für nicht erforderlich halte; gleichzeitig hat es dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (Schreiben vom 3. August 1993). Sodann hat es die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG durch Beschluß gemäß § 158 SGG als unzulässig verworfen (Beschluß vom 8. Oktober 1993). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Berufung sei unzulässig (§ 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF). Das klägerische Vorbringen ergebe keinen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der die Berufung zulässig mache (§ 150 Nr 2 SGG aF). Insbesondere greife die Besetzungsrüge nicht durch. Das SG habe das Ablehnungsgesuch als unzulässig verwerfen dürfen, weil dieses (mit demselben Inhalt) bereits wiederholt in anderen Verfahren vorgetragen und vom zuständigen Senat jeweils abgelehnt worden sei.

Der Kläger hat mit der Nichtzulassungsbeschwerde einen wesentlichen Mangel des zweitinstanzlichen Verfahrens gerügt (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Verletzt worden seien die Vorschriften der §§ 62, 124 Abs 2, 153 Abs 4 und 158 SGG (Schriftsatz vom 20. Juli 1994).

Der erkennende Senat hat die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des LSG vom 8. Oktober 1993 (L 10 Ar 245/93) als unzulässig verworfen (Beschluß vom 14. Oktober 1994 – 7 BAr 188/93). Zur Begründung hat er ausgeführt, der Kläger habe bereits nicht schlüssig dargelegt, was er, wenn das LSG ihn, wie erforderlich, vor der Entscheidung über die Unzulässigkeit des Rechtsmittels angehört hätte (Art 103 Abs 1 Grundgesetz ≪GG≫, § 62 SGG), als zusätzlichen Verfahrensmangel des SG vorgetragen hätte. Unabhängig davon habe er nicht aufgezeigt, inwiefern das LSG – ausgehend von seiner Rechtsauffassung – bei Kenntnis des etwaigen weiteren erstinstanzlichen Verfahrensmangels anders entschieden hätte. Die Beschwerdebegründung lasse mithin nicht nur Ausführungen dazu vermissen, welches klägerische Vorbringen zu einem weiteren erstinstanzlichen Verfahrensmangel durch Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs vor dem LSG verhindert worden sei; es mangele zugleich an Angaben, daß und warum die Entscheidung des LSG hierauf beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG). Auch das Vorbringen des Klägers, das LSG habe sich mit seiner Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das SG (§ 103 SGG) nicht näher auseinandergesetzt, sei nicht geeignet, die Revisionsinstanz zu eröffnen. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht rechtfertige die Zulassung der Revision nur, wenn schlüssig dargetan werde, daß das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Nichts anderes gelte, wenn das LSG eine vor ihm gerügte Verletzung des § 103 SGG durch das SG nicht erkannt habe. In einem solchen Fall sei deshalb mit der Beschwerde zumindest anzugeben, welcher Beweisantrag vor dem SG gestellt worden sei, dem das SG ohne hinreichende Begründung nicht Folge geleistet habe (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 10). An entsprechenden Ausführungen des Klägers hierzu fehle es gänzlich.

Der Kläger hat gegen den Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1994 (7 BAr 188/93) mit Schriftsatz vom 25. November 1994 Gegenvorstellung erhoben. Er rügt, der Berufungsausschluß gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF sei vom LSG nicht begründet worden; er liege im Fall eines Erstattungsbegehrens für 20 Bewerbungsfahrten nicht vor; insoweit handele es sich um wiederkehrende Leistungen. Das LSG habe dem in erster Instanz angebrachten Befangenheitsgesuch zu Unrecht nicht Rechnung getragen. Ein erstinstanzlicher Beweisantrag habe wegen des Ablehnungsgesuches nicht gestellt werden können. Das LSG habe trotz vorherigen Hinweises auf eine beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG eine Entscheidung nach § 158 SGG getroffen und damit den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt. Was im Fall ordnungsgemäßer Anhörung vorgetragen worden wäre, sei schon im Schriftsatz vom 20. Juli 1994 hinreichend dargelegt worden, desgleichen, daß der Vortrag zum Erfolg geführt hätte. Der Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1994 habe sich mit der Rüge des § 124 Abs 2 SGG nicht auseinandergesetzt. Im Fall eines Verstoßes gegen diese Vorschrift bedürfe es keines Beteiligtenvorbringens. Schließlich führe der Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1994 mit den darin aufgestellten hohen Zulässigkeitsanforderungen zu einer Versagung effektiven Rechtsschutzes (Art 19 Abs 4 GG).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Gegenvorstellung des Klägers gegen den Senatsbeschluß vom 14. Oktober 1994 (7 BAr 188/93) ist als erneute Beschwerde zu verstehen, mit der der Kläger die Nichtzulassung der Revision im Beschluß des Hessischen LSG vom 8. Oktober 1993 (L 10 Ar 245/93) angreift.

Der Erneuerung des Beschwerdevorbringens steht nicht die Vorschrift des § 160a Abs 4 Satz 4 SGG entgegen, wonach das Urteil des LSG mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Bundessozialgericht (BSG) rechtskräftig wird. Zwar umfaßt der Begriff der „Ablehnung” iS dieser Vorschrift nicht nur den Fall, daß die Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen wird, sondern auch den, daß sie als unzulässig verworfen wird (GmSOGB SozR 1750 § 705 Nr 1). Indes ist die zweitinstanzliche Entscheidung bislang nicht rechtskräftig geworden, da die Beschwerdefrist noch nicht abgelaufen ist (§ 202 SGG iVm § 705 Satz 1 Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Die dem Kläger erteilte Rechtsmittelbelehrung iS des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG ist unrichtig. Sie enthält den Hinweis, daß in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ua „die Entscheidung des Bundessozialgerichts oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes, von der der Beschluß abweicht”, zu bezeichnen sei. Dieser Hinweis widerspricht § 160 Abs 2 Nr 2 SGG idF des Art 4 des Fünften Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vom 2. August 1993 (BGBl I 1442), der im Zeitpunkt der Beschlußzustellung galt und wie folgt lautet: „In der Begründung ist das Urteil des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts, von dem das Urteil abweicht, zu bezeichnen”. Einzuräumen ist, daß die Unrichtigkeit der Belehrung vorliegend nicht die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde, sondern deren Begründung betrifft. Doch bezieht sich die Rechtsmittelbelehrungspflicht – trotz des insoweit nicht eindeutigen Wortlauts des § 66 Abs 1 SGG, der eine Belehrung „über den Rechtsbehelf” verlangt – nicht nur auf die Einlegungs-, sondern auch auf die Begründungserfordernisse. Folglich ist in der Rechtsmittelbelehrung auf die Begründungspflicht, die Begründungsfrist sowie den notwendigen Inhalt der Begründung hinzuweisen (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 66 Rz 10; Peters/Sautter/Wolff, Komm zur Sozialgerichtsbarkeit, Stand Juni 1993, § 66 Anm 3d, jeweils mwN). Denn die Begründung gehört – bei der Revision wie bei der Nichtzulassungsbeschwerde – zu den die Rechtsmittelinstanz eröffnenden Maßnahmen, so daß ohne eine auf die Begründungserfordernisse hinweisende Rechtsmittelbelehrung die Revisions- bzw Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt wird.

Offenbleiben kann, ob eine die Begründungserfordernisse des § 160 Abs 2 SGG im einzelnen wiedergebende Belehrung zu den notwendigen Bestandteilen einer Belehrung nach § 66 Abs 1 SGG zählt. Denn auch ein ggf nicht notwendiger Zusatz muß richtig sein. Ist das nicht der Fall, greift die Rechtsfolge des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG ein (BSGE 51, 202, 204 = SozR 1500 § 159 Nr 2). Hiervon geht im übrigen auch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus (BVerwGE 6, 66; BVerwG NJW 1962, 1362; MdR 1967, 329).

Für die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung reicht die abstrakte Möglichkeit eines Irrtums (potentielle Ursächlichkeit) aus. Insoweit ist in Fällen, in denen die Belehrung zusätzliche, aber fehlerhafte oder unvollständige Angaben enthält, nur zu verlangen, daß die Unrichtigkeit nach Lage der Dinge Einfluß auf die verspätete (oder formwidrige) Einlegung (oder Begründung) des Rechtsbehelfs gehabt haben könnte; die zusätzlichen Angaben müssen also lediglich geeignet sein, den Informationswert der richtigen Angaben zu mindern oder den Berechtigten von Erkundigungen über weitere Möglichkeiten abzuhalten (BSG SozR 1500 § 93 Nr 1; BSGE 69, 9, 14 = SozR 3-1500 § 66 Nr 1). Dagegen wird eine aktuelle Kausalität in dem Sinne, daß die Unrichtigkeit der Belehrung das konkrete Verhalten des Berechtigten real beeinflußt hat oder im konkreten Fall beeinflußt haben kann, im Gesetz nicht vorausgesetzt und auch in Rechtsprechung und Literatur nicht gefordert (BSG, aaO).

Vorliegend ist ein Fall potentieller Ursächlichkeit gegeben. Unabhängig davon, ob der Kläger überhaupt eine Divergenz zu einer Entscheidung des BVerfG geltend machen will oder geltend machen könnte (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), ist deshalb weder die Beschwerdefrist (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG) noch die Beschwerdebegründungsfrist (§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG) in Lauf gesetzt worden. Es gilt die Einjahresfrist des § 66 Abs 2 Satz 1 SGG.

Die erneute Beschwerde ist unzulässig, weil ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Dies gilt selbst dann, wenn das Vorbringen des Klägers in den Schriftsätzen vom 20. Juli 1994 (Beschwerdebegründung) und vom 25. November 1994 (Gegenvorstellung) als zulässiger einheitlicher Gesamtvortrag angesehen wird.

Der Kläger stützt seine Nichtzulassungsbeschwerde darauf, daß ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). In diesem Fall ist in der Begründung der Verfahrensmangel zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu müssen, wie bei einer Verfahrensrüge innerhalb einer zugelassenen Revision, zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 24, 34 und 36). Darüber hinaus ist in der Beschwerdebegründung schlüssig aufzuzeigen, daß und warum die Entscheidung des LSG – ausgehend von dessen Rechtsansicht – auf dem Mangel beruhen kann, mithin die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14 und 36; BVerwGE 13, 338, 339; BVerwG NJW 1976, 1705; BVerwG NVwZ 1982, 433, 434; BGH NJW 1987, 2442, 2443; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Stand März 1993, § 160 Anm 9.13 und § 160a Anm 7.9.1; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX. Kap Rz 137; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, Rzn 204, 233). Zwar wird bei absoluten Revisionsgründen (§ 202 SGG iVm § 551 ZPO) der Einfluß auf die Sachentscheidung unwiderlegbar vermutet, so daß in einem solchen Fall nicht im einzelnen dargelegt werden muß, weshalb zwischen dem Verfahrensverstoß und dem angefochtenen Urteil ein ursächlicher Zusammenhang möglich ist (BSGE 4, 281, 288; BSG SozR 1500 § 136 Nr 8, BVerwG NJW 1993, 80, 81; Kummer, aaO). Bei den vom Kläger geltend gemachten Rügen, insbesondere bei der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs im sozialgerichtlichen Verfahren, handelt es sich jedoch nicht um einen absoluten Revisionsgrund (BSG SozR 1500 § 160 Nr 31; BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Krasney/Udsching, aaO, Rz 137; Kummer, aaO, Rz 133; Meyer-Ladewig, SGG, aaO, § 160 Rz 23). Die Nichtzulassungsbeschwerde hätte mithin im Grundsatz folgende Begründungsschwerpunkte aufweisen müssen: (1.) die genaue Darstellung des behaupteten Verfahrensmangels unter Wiedergabe des ihn begründenden Sachverhalts, (2.) eine Darlegung der Rechtsansicht des LSG und (3.) Ausführungen zur Möglichkeit einer Urteilsbeeinflussung durch den Verfahrensfehler. Diesen Voraussetzungen wird die Beschwerdebegründung des Klägers nicht gerecht.

Das gilt zunächst in bezug auf den sinngemäßen Vortrag des Klägers, das LSG hätte statt einer Prozeßentscheidung eine Sachentscheidung treffen müssen, weil die Berufung nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGG oder jedenfalls nach § 150 Nr 2 SGG zulässig gewesen sei.

Gemäß § 144 Abs 1 Nr 1 SGG in der bis zum 28. Februar 1993 geltenden Fassung (vgl Art 8 Nr 5, 14 Abs 1, 15 Abs 1 des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 – BGBl I 50) war die Berufung nicht zulässig bei Ansprüchen auf einmalige Leistungen. Unter einmaligen Leistungen iS jener Vorschrift verstand man Leistungen, die sich im wesentlichen in einer einzigen Gewährung erschöpfen (BSGE 42, 212, 213 ff = SozR 1500 § 144 Nr 5; BSGE 43, 134, 135 = SozR 4100 § 34 Nr 6; Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl 1991, § 144 Rzn 6 ff, jeweils mwN). Der Kläger behauptet nun zwar, im Fall eines Erstattungsbegehrens (in Höhe von 60,00 DM) für 20 Bewerbungsfahrten komme der Berufungsausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 1 SGG aF nicht zum Tragen, weil insoweit von „wiederkehrenden Leistungen” (§ 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF) zu sprechen sei. Aus welchem Grund dies der Fall sein und weshalb dann nicht der Berufungsausschließungsgrund des § 144 Abs 1 Nr 2 SGG aF anzuwenden sein sollte, hat er jedoch nicht schlüssig dargelegt. Hierzu hätte besondere Veranlassung bestanden. Denn zur Abgrenzung von einmaligen und wiederkehrenden Leistungen ist eine Fülle von Rechtsprechung ergangen, die der Auffassung des Klägers entgegensteht (vgl etwa BSG SozR 3-1500 § 144 Nr 1; Meyer-Ladewig, SGG, 4. Aufl 1991, § 144 Rzn 6 ff mwN). Der in diesem Zusammenhang vom Kläger zitierte § 65a Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil – mag materiell-rechtliche Bedeutung haben. Für die Frage der einmaligen Leistung iS des § 144 Abs 1 SGG aF ist er unbeachtlich.

Auch das Vorbringen des Klägers, das LSG habe dem in erster Instanz angebrachten Befangenheitsgesuch zu Unrecht nicht Rechnung getragen, ergibt nicht in schlüssiger Weise das Vorliegen eines vom LSG begangenen Verfahrensmangels (§ 150 Nr 2 SGG aF).

Nach § 150 Nr 2 SGG aF war die Berufung ungeachtet der §§ 144 bis 149 SGG aF zulässig, wenn ein wesentlicher Mangel des – sozialgerichtlichen – Verfahrens gerügt wird. Vorausgesetzt war hiernach die Rüge eines Verfahrensmangels des SG vor dem LSG und darüber hinaus, daß das Verfahren vor dem SG auch tatsächlich an diesem Mangel litt. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde, wie das hier der Fall ist, sinngemäß darauf gestützt, daß das LSG keine Prozeßentscheidung erlassen durfte, sondern im Hinblick auf § 150 Nr 2 SGG aF eine Sachentscheidung hätte treffen müssen, ist in der Beschwerdebegründung darzulegen, daß beide Voraussetzungen der genannten Vorschrift erfüllt sind (BSG SozR 1500 § 160a Nr 55).

Hierzu reicht die bloße Behauptung, das SG habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG) verstoßen, nicht aus. Nichts anderes trifft auf das Vorbringen zu, der Kläger habe während des gesamten Verfahrens – auch vor dem LSG – ausdrücklich gerügt, die Richterin der ersten Instanz sei befangen gewesen; das SG hätte über das Befangenheitsgesuch eine Entscheidung durch das LSG herbeiführen lassen müssen; der Kläger habe ferner vor dem LSG gerügt, das erstinstanzliche Urteil sei durch eine befangene Richterin ergangen; dies ergebe sich sowohl aus den Akten als auch aus dem Prozeßkostenhilfeverfahren. Damit ist in keiner Weise das Vorliegen der oben genannten Voraussetzungen aufgezeigt, und zwar weder im Hinblick auf die angebliche Befangenheit der erstinstanzlichen Richterin noch in bezug auf die behauptete Fehlerhaftigkeit des Verfahrens betreffend die Entscheidung über das Ablehnungsgesuch. Dies gilt um so mehr, als sich das Beschwerdevorbringen mit den entsprechenden Ausführungen des LSG zum Nichtvorliegen eines erstinstanzlichen Verfahrensmangels betreffend das Befangenheitsgesuch mit keinem Wort auseinandergesetzt hat. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, sich selbst die für die Beschwerde notwendigen Tatsachen aus den Akten herauszusuchen (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 14, 34 und 62). Insofern gelten strengere Anforderungen als im Berufungsverfahren.

Ein Verfahrensmangel des SG, den das LSG zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, ist auch insoweit nicht dargetan, als der Kläger behauptet, das SG sei seiner Aufklärungspflicht (§ 103 SGG) nicht nachgekommen, zumal er, der Kläger, wegen des Befangenheitsantrags keinen Beweisantrag habe stellen können.

Eine Verletzung des § 103 SGG durch das SG hätte der Kläger nur dann substantiiert dargelegt, wenn er aufgezeigt hätte, aus welchen Gründen sich das SG von seinem materiell-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt sehen müssen, den Sachverhalt weiter aufzuklären; denn ob einem Gericht ein Verfahrensfehler unterlaufen ist, ist nicht nach der Rechtsauffassung des Rechtsmittelgerichts, sondern nach der Rechtsauffassung des Gerichts zu beurteilen, dem der Verfahrensverstoß vorgeworfen wird (BSGE 2, 84, 87 = SozR Nr 20 zu § 162; BSGE 8, 149, 150; 10, 97, 102; BSG SozR Nr 133 zu § 54 SGG und SozR 1500 § 160a Nr 34). Der Kläger hat indessen die Rechtsauffassung des SG nicht dargestellt und schon deshalb eine Verletzung des § 103 SGG durch das SG nicht aufzeigen können. Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, daß nach der Rechtsprechung des Senats eine Verletzung des § 103 SGG durch das SG allenfalls dann zur Zulassung der Revision gegen das Urteil des LSG führen kann, wenn der Kläger in bezug auf eine vorliegende Verletzung des § 103 SGG vor dem SG einen entsprechenden Beweisantrag gestellt hat und schon mit der Beschwerde angibt, daß diesem Beweisantrag vor dem SG ohne hinreichende Begründung nicht Folge geleistet worden ist (BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 10). Diesen Anforderungen wäre hier auf keinen Fall genügt.

Mit dem Vorwurf, das LSG habe trotz vorherigen Hinweises auf eine beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG (in der seit dem 1. März 1993 geltenden Fassung) eine Entscheidung nach § 158 SGG getroffen, beanstandet der Kläger inhaltlich eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG; § 62 SGG). Insoweit ist ua anzugeben, welches Vorbringen durch die Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs verhindert worden ist und inwiefern die Entscheidung des LSG darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36; Hennig/Danckwerts/König, aaO, § 160a Anm 7.9.4; Kummer, aaO, Rz 233 mit Hinweisen auch auf Entscheidungen des BVerwG und des BFH). Vorliegend läßt die Beschwerdebegründung schon Ausführungen dazu vermissen, welches zusätzliche, über den Vortrag im Berufungsverfahren hinausgehende klägerische Vorbringen (ggf zu einem weiteren erstinstanzlichen Verfahrensmangel) durch Vorenthaltung des rechtlichen Gehörs vor dem LSG verhindert worden ist (vgl BVerfGE 72, 122, 132). Ob der Beschwerdebegründung wenigstens sinngemäß zu entnehmen ist, daß der Kläger bei ordnungsgemäßem Hinweis des LSG auf eine Entscheidung des LSG nach § 158 SGG Ausführungen zur Zulässigkeit seiner Berufung (nach § 144 SGG) gemacht hätte, die er im Beschwerdeverfahren zusätzlich vorgetragen hat, kann offenbleiben. Denn es mangelt jedenfalls an Angaben, daß und weshalb die Entscheidung des LSG hierauf beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), ob also in der Sache ein dem Kläger günstigeres Urteil möglich gewesen wäre.

Soweit der Kläger rügt, der Senat habe sich nicht mit der Rüge zu § 124 Abs 2 SGG auseinandergesetzt, obwohl er, der Kläger, nicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet habe, ist ein Verfahrensfehler des LSG ebenfalls nicht schlüssig aufgezeigt. Der Kläger kann bei verständiger Würdigung seines Vorbringens nicht behaupten (und tut dies letztlich auch nicht), daß das LSG ohne sein Einverständnis ohne mündliche Verhandlung durch „Urteil” entschieden habe; denn er beruft sich ausdrücklich auf eine Verletzung von § 153 Abs 4 iVm § 158 SGG. Nach beiden Vorschriften kann das LSG durch Beschluß entscheiden, der ohne mündliche Verhandlung ergehen kann (§ 124 Abs 3 SGG). Ungeachtet dessen würden im Fall einer Verletzung des § 124 Abs 2 SGG dieselben Grundsätze wie zur Verletzung des rechtlichen Gehörs eingreifen. Schließlich betrifft die vom Kläger in diesem Zusammenhang angezogene Entscheidung des BSG in SozR 1500 § 62 Nr 6 eine völlig andere Fallkonstellation, nämlich die Beiladung eines Versicherungsträgers nach Erlaß (Beschlußfassung) eines Urteils ohne mündliche Verhandlung, wobei der darin liegende Verfahrensmangel zugleich einen unbedingten Revisionsgrund iS von § 202 SGG iVm § 551 Nr 5 ZPO darstellt.

Der Vorwurf des Klägers, der Beschluß des Senats vom 14. Oktober 1994 verletze ihn nicht nur in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör, sondern vor allem in seinem Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG), ist unberechtigt. Wie das BVerfG mehrfach bestätigt hat, ist es mit dem Grundgesetz, insbesondere mit Art 19 Abs 4 GG, vereinbar, daß das BSG seine wesentliche Aufgabe in der Wahrung und Fortentwicklung des Rechts erblickt und daher die Zulassung der Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde von den oben des näheren umschriebenen Darlegungsvoraussetzungen abhängig macht (vgl etwa BVerfGE 66, 155, 175; 72, 122, 132; BVerfG SozR 1500 § 160a Nrn 44, 45 und 48; SozR 3-1500 § 160 Nr 6 und § 160a Nrn 6, 7 und 8).

Entspricht die Begründung sonach nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß die Beschwerde in entsprechender Anwendung des § 169 SGG durch Beschluß – ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter – als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5; vgl auch BVerfG in SozR 1500 § 160a Nr 30).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1174449

SozR 3-1500 § 66, Nr.3

Breith. 1996, 170

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