Verfahrensgang
SG Speyer (Entscheidung vom 29.03.2019; Aktenzeichen S 20 R 879/16) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.08.2021; Aktenzeichen L 6 BA 16/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. August 2021 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen.
Der Streitwert wird auf 54 530,21 Euro festgesetzt.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten noch um eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen in Höhe von 54 530,51 Euro.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein mit einer Hockeyabteilung im Bereich des Amateursports. Der Beigeladene zu 1. war von Juni 2011 bis März 2016 Trainer der 1. Herrenmannschaft des Klägers und betreute ab März 2014 außerdem die D-Jugend (Knaben). Er übte seine Tätigkeit als "selbstständiger Übungsleiter" zunächst aufgrund mündlicher, ab 5.2.2014 aufgrund schriftlicher Vereinbarung gegen ein monatliches Nettoentgelt von zuletzt 3500 Euro aus. Die Beklagte forderte aufgrund einer Betriebsprüfung die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen für den Beigeladenen zu 1. in Höhe von 55 961,32 Euro für den Zeitraum vom 1.1.2011 bis 30.9.2015 (Bescheid vom 9.3.2016; Widerspruchsbescheid vom 8.11.2016). Durch Teilanerkenntnis wurde die Nachforderung auf einen Betrag in Höhe von 54 530,51 Euro reduziert. Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das LSG ist unter Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass die im streitgegenständlichen Zeitraum ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. bei dem Kläger im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden und der Beigeladene zu 1. daher versicherungspflichtig in den Zweigen der Sozialversicherung gewesen sei (Urteil vom 18.8.2021). Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - allgemeine Bedeutung hat und aus Gründen der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedarf (Klärungsbedürftigkeit) und fähig (Klärungsfähigkeit) ist. Mit der Beschwerdebegründung ist daher aufzuzeigen, welche rechtliche Frage sich zu einer bestimmten Norm des Bundesrechts iS des § 162 SGG stellt. Hierzu ist anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums auszuführen, weshalb eine Klärung erforderlich und im angestrebten Revisionsverfahren zu erwarten ist. Schließlich ist darzulegen, dass der angestrebten Entscheidung eine über den Einzelfall hinausgehende Breitenwirkung zukommt (vgl BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft die Fragen auf,
"ob ein gegen Entgelt beschäftigter Hockeytrainer, dessen Sportart in einem Verein als reiner Amateursport ausgeübt wird, seine Tätigkeit als Selbstständiger oder Unselbstständiger ausübt",
"welche Bedeutung der von beiden Vertragsparteien gewählte Vertragstypus hat, wenn mehrere Indizien vorhanden sind, mit denen sich sowohl eine abhängige Beschäftigung als auch eine selbstständige Tätigkeit begründen lassen", sowie
"ob die weitgehenden Weisungsfreiheit des Trainers, was Zeit, Ort und Inhalt seiner Arbeitsleistung anbelangt, nicht entscheidende Bedeutung bei der Qualifizierung des Vertrages zukommt".
Damit sind schon keine Rechtsfragen zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - juris RdNr 11 mwN).
Insbesondere mit der ersten Frage wird keine abstrakte Rechtsfrage aufgeworfen, sondern vielmehr nach der Subsumtion im konkreten Einzelfall gefragt. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Statusbeurteilung nicht abstrakt für bestimmte Berufs- und Tätigkeitsbilder vorzunehmen, sondern anhand einer Gesamtabwägung aller Umstände des individuellen Sachverhalts, weshalb ein und derselbe Beruf - je nach konkreter Ausgestaltung - entweder in Form der Beschäftigung oder als selbstständige Tätigkeit ausgeübt werden kann (vgl BSG Urteil vom 7.6.2019 - B 12 R 6/18 R - BSGE 128, 205 = SozR 4-2400 § 7 Nr 44, RdNr 16 mwN).
Darüber hinaus fehlen auch hinreichende Darlegungen zur Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Fragen. Eine Rechtsfrage ist dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese bereits beantwortet ist. Ist sie noch nicht ausdrücklich entschieden, genügt es, dass schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der vom Beschwerdeführer als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN; s auch BSG Beschluss vom 28.11.2018 - B 12 R 34/18 B - juris RdNr 6). Deshalb ist zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine Auseinandersetzung damit erforderlich, ob und inwieweit die bisher ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung bereits hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Fragen bietet.
Der Kläger setzt sich aber nicht abstrakt mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Maßgeblichkeit des Gesamtbilds der Arbeitsleistung und der fehlenden Verfügbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Normen nach dem Willen der Vertragsparteien auseinander (vgl BSG Urteil vom 29.1.1981 - 12 RK 63/79 - BSGE 51, 164, 167 f = SozR 2400 § 2 Nr 16 S 19 f = juris RdNr 24; BSG Urteil vom 25.1.2001 - B 12 KR 17/00 R - juris RdNr 26; BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 8/01 R - SozR 3-2400 § 7 Nr 19 S 73 = juris RdNr 21; zur Verfassungsmäßigkeit der Abgrenzung zwischen abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit nach dem Gesamtbild vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 20.5.1996 - 1 BvR 21/96 - SozR 3-2400 § 7 Nr 11). Er beschäftigt sich auch nicht damit, dass nach der Rechtsprechung des Senats das Weisungsrecht, insbesondere bei Hochqualifizierten oder Spezialisten (sog Diensten höherer Art), aufs Stärkste eingeschränkt sein kann, ohne dass die Fremdbestimmtheit der Dienstleistung entfällt, wenn diese ihr Gepräge von der Ordnung des Betriebes erhält (vgl BSG Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R - BSGE 128, 191 = SozR 4-2400 § 7 Nr 42, RdNr 29). Vielmehr legt der Kläger im Einzelnen seine eigene von der Auffassung des LSG abweichende Rechtsansicht und Bewertung der Sachlage dar. Demgegenüber hält er die Entscheidung des Berufungsgerichts für "rechtswidrig" und "unverständlich". Darauf lässt sich aber keine Grundsatzrüge gründen. Die Rüge einer fehlerhaften Rechtsanwendung ist im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unbeachtlich (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 8.3.2021 - B 9 BL 3/20 B - juris RdNr 13 mwN).
2. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG - ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht - auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Diesen Anforderungen genügt der Kläger nicht.
Soweit er mit seinen Ausführungen, das LSG habe wesentlichen Vortrag übergangen, einen Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 GG, §§ 62, 128 Abs 2 SGG) geltend machen möchte, ist diese Rüge nicht hinreichend bezeichnet. Hierzu hätte zunächst im Einzelnen dargelegt werden müssen, welcher konkrete und auch nach der Rechtsauffassung des LSG entscheidungserhebliche Vortrag nicht zur Kenntnis genommen worden sein soll. Der Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet das Gericht nur dazu, die Darlegungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Prozessgericht muss jedoch nicht jedes Vorbringen der Beteiligten ausdrücklich bescheiden. Art 103 Abs 1 GG schützt auch nicht davor, dass ein Gericht die Rechtsansicht eines Beteiligten nicht teilt (vgl BSG Beschluss vom 27.3.2014 - B 9 V 69/13 B - juris RdNr 15 mwN). Daher muss eine Beschwerdebegründung "besondere Umstände" aufzeigen, aus denen sich klar ergibt, dass das Gericht seinen Pflichten nicht nachgekommen ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 25.3.2010 - 1 BvR 2446/09 - juris RdNr 11 mwN; BVerfG Urteil vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205, 216 = juris RdNr 44). Solche Umstände sind der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen. Weder legt der Kläger substantiiert dar, dass sein Vortrag zur Vor- und Nachbereitung des Trainings in den eigenen Räumen des Beigeladenen zu 1. vom LSG überhaupt nicht - dh auch nicht im Tatbestand - zur Kenntnis genommen worden ist, noch stellt er dar, dass es sich bei dem Ort der Auftragsausführung um einen auch aus Sicht des LSG entscheidungserheblichen und für die Falllösung zentral bedeutsamen Gesichtspunkt gehandelt habe.
Soweit der Kläger meint, der Umfang der häuslichen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. wäre weiter zu prüfen gewesen, liegt darin auch keine zulässige Sachaufklärungsrüge (§ 103 SGG).
Eine solche erfordert die Darlegung, dass das LSG einem bis zuletzt in der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Der Kläger zeigt in seiner Beschwerdebegründung aber schon nicht auf, einen bestimmten Beweisantrag gestellt zu haben.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 und 3, § 162 Abs 3 VwGO.
5. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG und entspricht der Höhe der streitigen Forderung. Ein Abzug der für die Umlagen U1 und U2 geforderten Beträge hat nicht zu erfolgen. Entgegen der Auffassung des LSG gehört der Kläger bezüglich der nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) erhobenen Umlagen nicht zu den in § 183 SGG genannten kostenprivilegierten Personen. Der Kläger begehrt nicht als "Leistungsempfänger" die Erstattung von für die Entgeltfortzahlung getätigten Aufwendungen (vgl zur Anwendbarkeit des § 183 SGG in einem solchen Fall BSG Beschluss vom 20.12.2005 - B 1 KR 5/05 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 3 RdNr 9). Auch wendet er sich nicht grundsätzlich gegen seine Heranziehung zum Umlageverfahren nach dem AAG mit dem Argument, er sei "Nicht"-Versicherter (vgl zu einer solchen Konstellation BSG Urteil vom 27.10.2009 - B 1 KR 12/09 R - SozR 4-1500 § 183 Nr 9 RdNr 22-23). Er beanstandet vielmehr aus einheitlichen Gründen die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen und Umlagen durch die Beklagte bei ihm als Arbeitgeber des Beigeladenen zu 1. und führt damit diesen Rechtsstreit nicht in der Eigenschaft als Versicherter.
Heinz Beck Bergner
Fundstellen
Dokument-Index HI15098637 |