Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 14. September 2022 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
a) Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der Kläger wirft die Frage auf, ob "eine Aufrechnung(-serklärung) des Jobcenters mit seinen Rückzahlungsansprüchen vor Fälligkeit der jeweiligen Tilgungsrate sowie vor Fälligkeit und Auszahlung des Regelbedarfs als Gegenforderung wirksam [ist], obgleich dies gegen (analog) § 387 BGB und (analog) § 388 S. 2 BGB verstößt?". Der Kläger legt indes die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dar. Das BSG hat bereits entschieden, dass die Aufrechnungserklärung nach § 42a Abs 2 Satz 2 SGB II mit der Darlehensbewilligung verbunden werden und sich auch auf einen Zeitraum erstrecken kann, der über den laufenden Bewilligungszeitraum hinaus reicht (BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 31/17 R - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 52). Der Beschwerdebegründung lässt sich nicht entnehmen, weshalb sich die aufgeworfene Frage nicht anhand der genannten Entscheidung, auf die bereits das LSG verwiesen hat, beantworten lässt.
b) Eine Abweichung (Divergenz) iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist nur dann hinreichend dargelegt, wenn aufgezeigt wird, mit welcher genau bestimmten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angegriffene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten rechtlichen Aussage des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG, der GmSOGB oder das BVerfG aufgestellt haben, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen kann die Zulassung wegen Abweichung begründen (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34; Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 121).
Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Soweit der Kläger auf den 2. Orientierungssatz des LSG verweist, kann damit eine Divergenz schon deswegen nicht begründet werden, weil Leit- und Orientierungssätze nicht Bestandteil der gerichtlichen Entscheidung sind (BSG vom 27.4.2022 - B 11 AL 6/22 B - juris RdNr 4). Für die Frage, ob ein Gericht einen Rechtssatz im Sinne der Revisionszulassungsgründe aufgestellt hat, kommt es nur auf die Entscheidungsgründe selbst an (BSG vom 22.12.2021 - B 5 R 163/21 B - juris RdNr 10 mwN; BSG vom 27.4.2022 - B 11 AL 6/22 B - juris RdNr 4). Der Kläger verweist weiter darauf, dass das LSG in seinem Urteil ausgeführt habe, dass lediglich "eine Aufrechnungslage - wirksame, fällige und einredefreie Gegenforderung und erfüllbare Hauptforderung - und keine Aufrechnungserklärung notwendig sei". Damit ist aber schon kein Rechtssatz genannt, weil unklar bleibt, wofür eine Aufrechnungslage, aber "keine Aufrechnungserklärung notwendig sei". Außerdem fehlt es an der Bezeichnung eines entgegenstehenden Rechtssatzes des BSG.
Soweit sich der Kläger auf "die Sicherung der Einheit der Rechtsordnung" beruft und widersprüchliche Entscheidungen verschiedener LSG behauptet, wird damit eine Divergenz ebenfalls nicht schlüssig bezeichnet, weil eine unterstellte Divergenz gegenüber der Entscheidung eines anderen LSG kein Revisionszulassungsgrund ist. Divergenzen zwischen verschiedenen LSG können nur im Rahmen der Grundsatzrüge geltend gemacht werden; insofern fehlt aber nach dem oben Dargelegten ein zulässiges Vorbringen in der Beschwerdebegründung. Im Übrigen setzt sich die Beschwerdebegründung auch nicht damit auseinander, ob der von ihr zitierte Beschluss des Hessischen LSG vom 26.1.2012 (L 6 AS 676/11 B ER - juris RdNr 7) nicht durch das Urteil des BSG vom 28.11.2018 (B 14 AS 31/17 R - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 52) überholt ist.
Der Kläger macht schließlich als Divergenz geltend, dass das BSG im Urteil vom 28.11.2018 (B 14 AS 31/17 R - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 46) entschieden habe, dass "als Korrekturmöglichkeiten sowohl eine zeitliche Begrenzung von Aufrechnungen auf drei Jahre in entsprechender Anwendung von § 43 Abs 4 SGB II zur Verfügung [stünden] als auch ein Erlass oder Teilerlass von Darlehensrückzahlungspflichten nach § 44 SGB II" und dass der Behörde "über den Erlass, den Teil-Erlass oder die Aufrechnung" Ermessen eingeräumt sei. Der Kläger legt aber weder dar, dass es sich um einen die Entscheidung tragenden Rechtssatz handelt (zu dieser Voraussetzung Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 160 RdNr 134), noch, dass sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebe, dass über den Erlass zeitgleich mit der Aufrechnungserklärung entschieden werden müsse (vgl vielmehr BSG vom 23.3.1995 - 13 RJ 39/94 - SozR 3-1300 § 48 Nr 37 = juris RdNr 57; BSG vom 25.4.2018 - B 14 AS 15/17 R - BSGE 125, 301 = SozR 4-4200 § 40 Nr 14, RdNr 33-34). Außerdem bezeichnet der Kläger keinen entgegenstehenden Rechtssatz des LSG. Die Behauptung, SG und LSG hätten die fehlende Ermessensausübung des Beklagten nicht erkannt, reicht nicht aus, weil das Revisionszulassungsverfahren nicht der Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Berufungsentscheidung dient. Zudem setzt sich der Kläger nicht damit auseinander, dass das BSG ausdrücklich entschieden hat, dass der Leistungsträger bei der Aufrechnung nach § 42a Abs 2 SGB II weder ein Entschließungsermessen noch ein Ermessen hinsichtlich der Höhe hat (BSG vom 28.11.2018 - B 14 AS 31/17 R - BSGE 127, 63 = SozR 4-4200 § 42a Nr 2, RdNr 54; siehe auch Bittner in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl 2020, § 42a RdNr 53; anderes gilt hinsichtlich des Entschließungsermessens bei der Aufrechnung nach § 43 SGB II: BSG vom 9.3.2016 - B 14 AS 20/15 R - BSGE 121, 55 = SozR 4-4200 § 43 Nr 1, RdNr 25, 27).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Burkiczak |
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B. Schmidt |
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Neumann |
Fundstellen
Dokument-Index HI15741804 |