Verfahrensgang
SG Altenburg (Entscheidung vom 27.11.2018; Aktenzeichen S 45 SB 1678/15) |
Thüringer LSG (Urteil vom 22.02.2024; Aktenzeichen L 5 SB 9/19) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 22. Februar 2024 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache die Feststellung eines Grads der Behinderung (GdB) von 50 anstatt des bisher zuerkannten GdB von 30.
Das SG hat nach Durchführung von Ermittlungen ua durch Einholung eines Gutachtens des Orthopäden N einen GdB von 30 festgestellt und die weitergehende Klage abgewiesen. Die mit dem Ziel der Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft fortgeführte Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das LSG hat auf Antrag des Klägers die Beweiserhebung durch Einholung von Gutachten des Neurologen und Psychiaters S und dem Chirurgen A angeordnet. Nachdem der Kläger den Termin zur ambulanten gutachterlichen Untersuchung bei A nicht wahrgenommen und sich hierzu trotz wiederholter Aufforderung nicht geäußert hatte, hat das LSG diese Beweisanordnung aufgehoben. Nach Einholung der Einverständniserklärungen der Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat das LSG die Berufung zurückgewiesen, weil die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers keinen höheren GdB als 30 rechtfertigten(Urteil vom 22.2.2024) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er rügt Verfahrensmängel und macht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil weder die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache noch ein Verfahrensmangel ordnungsgemäß dargetan worden sind(vgl§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) .
1. Der Kläger hat - anders als rechtlich geboten - bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend substantiiert mitgeteilt. Seinen Schilderungen in der Beschwerdebegründung können allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen entnommen werden. Eine verständliche Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung oder Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. Denn es ist nicht Aufgabe des BSG, sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 9.2.2023 - B 9 SB 35/22 B - juris RdNr 5 ;BSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 6 ) .
Ohne eine hinreichende Sachverhaltswiedergabe kann das BSG nicht beurteilen, ob sich entscheidungserheblich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt oder ob ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtene vorinstanzliche Entscheidung beruhen kann. Dies gilt umso mehr, wenn es sich - wie vorliegend - um einen umfangreichen Lebenssachverhalt mit mehreren Gutachten handelt. In einer solchen Situation ist vom Beschwerdeführer zu erwarten, dass die Tatsachenfeststellungen, die für das LSG und aus Sicht der Beschwerde entscheidungserheblich sind, in einer geordneten Abhandlung und nicht - wie hier erfolgt - in der Begründung lediglich fragmentarisch und unzureichend strukturiert dargelegt werden(vgl stRspr; zBBSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 7 mwN) .
2. Unabhängig davon erfüllt das Vorbringen des Klägers auch nicht die Darlegungsanforderungen der geltend gemachten Zulassungsgründe:
a) Der Kläger hat einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht in der gebotenen Weise bezeichnet.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne(§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ) , so müssen bei der Bezeichnung dieses Mangels(§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG ) zunächst die ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung der Entscheidung besteht(stRspr; zBBSG Beschluss vom 7.8.2023 - B 9 SB 15/23 B - juris RdNr 9 ) . Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Der vor dem Berufungsgericht bereits anwaltlich vertretene Kläger rügt, das Vordergericht sei seinem Beweisantrag nach § 109 SGG betreffend A nicht nachgegangen, obwohl er insoweit ausdrücklich auch eine Begutachtung nach Aktenlage beantragt und bereits in der Berufungsschrift darauf hingewiesen habe, dass an den gestellten Anträgen auch im Fall einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 SGG festgehalten werde.
Mit diesem Vorbringen kann der Kläger aber bereits deshalb nicht durchdringen, weil nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG gestützt werden kann. Der Ausschluss einer Rüge der fehlerhaften Anwendung des § 109 SGG gilt umfassend und unabhängig davon, worauf der geltend gemachte Verfahrensmangel im Einzelnen beruht(stRspr; zBBSG Beschluss vom 7.6.2018 - B 9 V 69/17 B - juris RdNr 9 mwN) . Deshalb ist es unerheblich, wenn der Kläger darin zugleich eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs sehen sollte(vglBSG Beschluss vom 27.3.2020 - B 9 SB 83/19 B - juris RdNr 14 ) .
Darüber hinaus trägt der Kläger aber auch selbst vor, dass das LSG von einer weiteren Begutachtung nach Aktenlage durch A abgesehen habe, weil die Funktionseinschränkungen auf orthopädischem Fachgebiet im Gutachten des erstinstanzlich gehörten N, der ihn ambulant untersucht habe, umfassend festgestellt und beschrieben worden seien. In dieser prozessualen Lage brauchte das LSG aber ausgehend von seiner Rechtsansicht ohne einen weiteren Beweisantrag, der sich mit den Gründen der zuvor erfolgten Aufhebung der Beweisanordnung bezüglich der Begutachtung durch A auseinandersetzte und weiteren Ermittlungsbedarf aufzeigte, nicht mehr anzunehmen, der Kläger halte immer noch zusätzliche Ermittlungen auf orthopädisch-chirurgischem Fachgebiet für geboten(vglBSG Beschluss vom 22.9.2022 - B 9 SB 8/22 B - juris RdNr 11 ) . Einen entgegenstehenden substantiierten Vortrag enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Soweit der Kläger in diesem Kontext eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör(Art 103 Abs 1 GG ,§ 62 SGG ) rügt, trägt er nicht vor, auch nach Aufhebung der Beweisanordnung bezüglich der Begutachtung durch A durch das LSG und dessen Hinweis, dass weitere Ermittlungen nicht mehr beabsichtigt seien, auf eine Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens von A nach § 109 SGG weiter gedrängt zu haben. Dass der Kläger auf die Begutachtung durch A auch noch in seiner Erklärung gegenüber dem LSG, dass er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei(vgl§ 124 Abs 2 SGG ) , beharrt hat, behauptet er nicht(vglBSG Beschluss vom 11.8.2021 - B 5 R 171/21 B - juris RdNr 8 ;BSG Beschluss vom 23.3.2021 - B 3 KR 63/20 B - juris RdNr 14 ) .
b) Der Kläger beruft sich zudem auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) , weil das LSG seinem Beweisantrag auf Begutachtung nach Aktenlage nicht nachgegangen sei und die Beweisanordnung ohne sachlichen Grund aufgehoben habe. Dabei verfehlt er die Darlegungsvoraussetzungen einer Grundsatzrüge(vgl hierzu exemplarischBSG Beschluss vom 11.5.2022 - B 9 SB 73/21 B - juris RdNr 7 mwN) schon deshalb, weil er bereits keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts(vgl§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht bezeichnet(vgl hierzu zBBSG Beschluss vom 5.12.2022 - B 9 V 30/22 B - juris RdNr 26 ) . Vielmehr zielt die Fragestellung auf die Klärung und Bewertung von Tatsachen ab und beinhaltet im Kern letztlich Fragen der Sachaufklärung und Beweiswürdigung, also ein nach Auffassung des Klägers verfahrensfehlerhaftes Vorgehen des Berufungsgerichts. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG aber nicht zur Zulassung der Revision führen. Dies gilt auch dann, wenn der Beschwerdeführer seine Angriffe gegen die Beweiswürdigung des LSG in das Gewand einer Grundsatzrüge zu kleiden versucht. Entsprechendes gilt für die Sachaufklärungsrüge nach§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG . Ein Beschwerdeführer kann die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrüge in§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG - soweit sie reichen - nicht erfolgreich dadurch umgehen, dass er die Rügen in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung fasst(vglBSG Beschluss vom 22.9.2020 - B 13 R 45/20 B - juris RdNr 11 mwN) . Der Kläger zeigt auch nicht auf, dass es hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung geht, bei der die gesetzlichen Beschränkungen der Verfahrensrügen nicht greifen.
Dass der Kläger die Entscheidung des LSG inhaltlich für unrichtig hält, kann als solches nicht zur Zulassung der Revision führen(stRspr; zBBSG Beschluss vom 6.7.2022 - B 10 EG 2/22 B - juris RdNr 10 ;BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4) .
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(vgl§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .
4. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16461419 |