Verfahrensgang

LSG Hamburg (Urteil vom 05.07.2021; Aktenzeichen L 4 AS 197/20)

SG Hamburg (Entscheidung vom 23.06.2020; Aktenzeichen S 17 AS 3202/18)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 5. Juli 2021 wird als unzulässig verworfen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG ist unzulässig (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Eine allgemeine Überprüfung des Rechtsstreits in dem Sinne, ob das LSG in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht zulässig. Keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hat der Kläger in der Begründung der Beschwerde schlüssig dargelegt oder bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung aufgrund einer Abweichung (Divergenz) hat der Kläger nicht dargelegt. Hierfür ist aufzuzeigen, mit welcher genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage die angefochtene Entscheidung des LSG von welcher ebenfalls genau bezeichneten entscheidungserheblichen rechtlichen Aussage des BSG abweicht. Eine Abweichung liegt nicht schon vor, wenn die angefochtene Entscheidung nicht den Kriterien entsprechen sollte, die das BSG aufgestellt hat, weil die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall nicht die Zulassung einer Revision wegen Abweichung rechtfertigt. Erforderlich ist vielmehr, dass das LSG diesen Kriterien widersprochen und über den Einzelfall hinausgehende andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Nicht die - behauptete - Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die fehlende Übereinstimmung im Grundsätzlichen vermag die Zulassung der Revision wegen Abweichung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss deshalb erkennen lassen, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (vgl BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72; Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, IX. Kap, RdNr 300 ff mwN).

Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger rügt, das LSG sei abgewichen von der Entscheidung des BSG vom 3.3.2009 (B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 15), wonach "tatsächliche Aufwendungen" für eine Wohnung dann vorliegen, wenn der Hilfebedürftige einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist, ohne dass ein Vertrag zwischen nahen Angehörigen nach Inhalt und tatsächlicher Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen muss (kein sog Fremdvergleich im SGB II; hierzu BSG vom 3.3.2009 - B 4 AS 37/08 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 15 RdNr 26 f). Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich aber nicht, dass das LSG dem BSG widersprochen und von den bezeichneten rechtlichen Aussagen des BSG abweichende, dh mit diesen unvereinbare rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Vielmehr hat es ausweislich der Beschwerdebegründung unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls - ua der fehlenden Weiterleitung in der Vergangenheit gezahlter Unterkunftsleistungen an seine Eltern - festgestellt, dass der Kläger einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung gerade nicht ausgesetzt war. Dass das LSG zu diesem Ergebnis - in Anwendung eines abweichenden "verdeckten Rechtssatzes" - nur auf der Grundlage eines Fremdvergleichs gekommen ist, ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger hat zuletzt die Voraussetzungen der Grundsatzrüge nicht hinreichend dargelegt. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) erfordert die Formulierung einer bestimmten abstrakten Rechtsfrage, der in dem Rechtsstreit eine grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen wird (vgl BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11). Die abstrakte Rechtsfrage ist klar zu formulieren, um an ihr die weiteren Voraussetzungen für die Revisionszulassung prüfen zu können. Es ist aufzuzeigen, dass die Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und die Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (vgl BSG vom 16.12.1993 - 7 BAr 126/93 - SozR 3-1500 § 160a Nr 16 S 27). Hierfür ist eine Auseinandersetzung mit den einschlägigen oberstgerichtlichen Entscheidungen ebenso erforderlich wie die Darlegung, dass sich aus diesen keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben (vgl BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8).

Diesen Darlegungsanforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Als grundsätzlich klärungsbedürftig bezeichnet der Kläger die Frage: "Liegen 'tatsächliche Aufwendungen' für eine Wohnung jedenfalls dann nicht vor, wenn der Hilfebedürftige im jeweiligen Leistungszeitraum zwar einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung seiner Eltern ausgesetzt ist, wenn diese aber auf die Beitreibung dieser Forderung verzichten?"

Der Kläger legt im Hinblick auf diese Frage weder eine Klärungsbedürftigkeit dar noch eine Klärungsfähigkeit. Im Gegenteil: Auf der Grundlage der Beschwerdebegründung ist eine Klärung durch das Revisionsgericht nicht zu erwarten, denn danach hat das LSG die Frage, ob der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen sei, verneint.

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.

S. Knickrehm                            Neumann                                Harich

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365109

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