Verfahrensgang
SG Berlin (Entscheidung vom 07.01.2016; Aktenzeichen S 147 AS 11383/13) |
LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 23.03.2017; Aktenzeichen L 31 AS 228/16) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 23. März 2017 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG), weil der zu ihrer Begründung allein angeführte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG schlüssig dargelegt ist.
Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 S 21; BSG vom 24.3.1976 - 9 BV 214/75 - SozR 1500 § 160a Nr 24 S 31; BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 S 53). Dem genügt das Beschwerdevorbingen sinngemäß zur Entziehung des gesetzlichen Richters gemäß Art 101 Abs 1 Satz 2 GG durch das verfahrensfehlerhafte Übergehen eines Befangenheitsgesuchs (§ 60 Abs 1 SGG, § 45 Abs 2, § 47 Abs 1 ZPO) nicht.
Danach habe der Kläger bereits vor Einlegung der Berufung im Ausgangsverfahren neben den Richtern des SG "die Richter des Landessozialgerichts" wegen Befangenheit abgelehnt und mit dem Berufungsschriftsatz die Auffassung geäußert, deswegen bestehe "Beschlussunfähigkeit" des LSG. Unter Verweis darauf habe er sich mit Schreiben vom 23.2.2017 gegen die Ladung zur mündlichen Verhandlung gewandt, zu der er das LSG wegen der Ablehnungsgesuche als nicht "autorisiert" angesehen habe. Das habe als Befangenheitsgesuch gegen Vorsitzenden Richter am LSG B verstanden werden müssen, der die Ladung unterzeichnet habe. Dazu habe Anlass bestanden, weil die fehlende Reaktion auf die bisherigen Befangenheitsanträge den Eindruck vermittelt hätte, das Vorbringen des Klägers werde schlechterdings nicht zur Kenntnis genommen. Dass sich dem LSG hiernach aufdrängen musste, der Kläger habe durch das Schreiben vom 23.2.2017 ein Ablehnungsgesuch angebracht, auf das vor der abschließenden Entscheidung in der Hauptsache eine förmliche Entscheidung nach § 60 Abs 1 SGG zu treffen war, kann dem nicht hinreichend entnommen werden.
Wegen Besorgnis der Befangenheit kann ein Richter nach § 60 SGG iVm § 42 Abs 2 ZPO nur abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit ist gegeben, wenn ein objektiv vernünftiger Grund vorliegt, der den Beteiligten von seinem Standpunkt aus vernünftiger Weise befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch entscheiden. Dagegen kann ein im Rahmen gebotener richterlicher Verfahrensweise liegendes Verhalten kein Ablehnungsgesuch begründen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 60 RdNr 7, 8g mwN). Ebenso begründen Fehler des Richters keine Besorgnis der Befangenheit, sofern nicht besondere Umstände dargetan werden, die dafür sprechen, dass die mögliche Fehlerhaftigkeit auf einer unsachlichen Einstellung gegen den ablehnenden Beteiligten oder auf Willkür beruht (BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 13; BSG vom 21.12.2017 - B 14 AS 4/17 B - RdNr 10, jeweils mwN). Schließlich ist es offensichtlich rechtsmissbräuchlich, pauschal alle Richter eines Gerichts oder den ganzen Spruchkörper abzulehnen (vgl nur BVerfG ≪Kammer≫ vom 11.3.2013 - 1 BvR 2853/11 - juris, RdNr 28; BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BSG vom 19.1.2010 - B 11 AL 13/09 C - SozR 4-1500 § 60 Nr 7 RdNr 11; BVerwG vom 7.10.1987 - 9 CB 20.87 - NJW 1988, 722; BGH vom 7.11.1973 - VIII ARZ 14/73 - NJW 1974, 55; BFH vom 20.11.2009 - III S 20/09 - juris, RdNr 4; Keller, aaO, RdNr 10b).
Hiernach kann in dem Verweis auf eine ohne Reaktion gebliebene Ablehnung aller Richter des LSG für sich genommen kein zulässiges Ablehnungsgesuch gesehen werden, über das vom LSG vor der abschließenden Entscheidung über die hier streitbefangene Berufung des Klägers förmlich zu entscheiden war. Erweist sich ein Befangenheitsgesuch als rechtsmissbräuchlich, begründet es nicht notwendig einen Verfahrensfehler, wenn ohne förmliche Entscheidung darüber eine abschließende Sachentscheidung getroffen wird (vgl BSG vom 29.3.2007 - B 9a SB 18/06 B - SozR 4-1500 § 60 Nr 4 RdNr 8; BVerfG vom 15.12.1986 - 2 BvE 1/86 - BVerfGE 74, 96, 100; BGH vom 31.8.2005 - XII ZB 159/05 - FamRZ 2005, 1826; BGH vom 21.6.2007 - V ZB 3/07 - NJW-RR 2008, 216 RdNr 7). Selbst wenn das aber vom Kläger als Verfahrensfehler angesehen worden ist, musste von einem förmlich zu bescheidenden neuen Ablehnungsgesuch - nun gegen Vorsitzenden Richter am LSG B - nach den aufgezeigten Maßstäben nur ausgegangen werden, wenn dies vom Kläger entweder ausdrücklich so bezeichnet worden ist oder sein weiteres Vorbringen im Schreiben vom 23.2.2017 dahin zu verstehen war, dass er die fehlende Bescheidung seiner früheren Befangenheitsgesuche als Ausweis einer unsachlichen Haltung ihm gegenüber gesehen hat. Anhaltspunkte dafür lassen sich dem Beschwerdevorbringen indes nicht entnehmen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13500510 |