Verfahrensgang

SG für das Saarland (Entscheidung vom 25.09.2019; Aktenzeichen S 1 KR 635/18)

LSG für das Saarland (Urteil vom 23.02.2022; Aktenzeichen L 2 KR 46/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 23. Februar 2022 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die bei der beklagten KK versicherte Klägerin legte der Beklagten einen Heil- und Kostenplan (HKP) des Zahnarztes M vom 22.1.2018 vor (Zahnersatz im Ober- und Unterkiefer, ua Teleskop/Konuskrone; Gesamtkosten 9934,73 Euro, voraussichtlicher Eigenanteil 2906,39 Euro). Die von der Beklagten beauftragte Zahnärztin G befürwortete den HKP (4.3.2018). Die Beklagte genehmigte den HKP und bewilligte der Leistungen nach dem SGB II beziehenden Klägerin den doppelten Festzuschuss (7028,34 Euro, Bescheid vom 20.3.2018). Mit ihrem Widerspruch machte die Klägerin erfolglos geltend, dass die Beklagte die Gesamtkosten tragen müsse. Es handele sich bei dem HKP um die kostengünstigste Lösung, die unter Berücksichtigung ihrer Allergien medizinisch möglich sei. Sie sei wegen allergischer Reaktionen auf Haftcremes (Kolophonium) nicht in der Lage, Zahnprothesen zu tragen. Die Klägerin ist mit ihrem Begehren auch im Klageverfahren erfolglos geblieben. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin vorgetragen, ein Anspruch auf die Übernahme der gesamten Kosten der Zahnersatzversorgung gemäß dem HKP ergebe sich daraus, dass sie aufgrund einer fehlerhaften zahnärztlichen Behandlung mit Zahnersatz eine Metallallergie entwickelt habe. Außerdem habe sie eine Kunststoffallergie hinsichtlich bestimmter Werkstoffe des Zahnersatzes entwickelt. Sie hat jedoch auch vorgetragen, dass wegen der Mängel des Zahnersatzes dieser nicht eingesetzt worden sei.

Während des Berufungsverfahrens ist der Zahnersatz entsprechend dem HKP am 1.2.2019 eingegliedert worden. Die Beklagte hat den doppelten Festzuschuss gezahlt. Das LSG hat die nunmehr auf Kostenübernahme des Differenzbetrags gerichtete Berufung zurückgewiesen: Der Anspruch der Klägerin scheitere schon daran, dass die Klägerin nicht innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung des HKP durch die Beklagte die im HKP vorgesehene Versorgung ihrer Zähne in Anspruch genommen habe und sich den Zahnersatz habe eingliedern lassen. Dies schließe auch einen Anspruch nach § 13 Abs 3a SGB V aus (Hinweis auf BSG vom 27.8.2019 - B 1 KR 9/19 R - BSGE 129, 62 = SozR 4-2500 § 13 Nr 49). Es müsse daher nicht entsprechend dem Beweisantrag der Klägerin Beweis darüber erhoben werden, ob eine frühere Regelversorgung mit Zahnersatz ursächlich dafür gewesen sei, dass eine günstigere Versorgung mit Zahnersatz als dem, wie er im HKP aufgeführt sei, aus medizinischen Gründen ausgeschlossen gewesen sei (Urteil vom 23.2.2022).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Sie hat den allein geltend gemachten Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt. Der Senat kann deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.

1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; vgl zB BSG vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 9 mwN).

a) Die Klägerin rügt die Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG). Das LSG-Urteil beruhe auf dem Verfahrensmangel, dass es dem (Hilfs-)Beweisantrag auf Vernehmung des sachverständigen Zeugen M und auf Einholung eines zahnmedizinischen Sachverständigengutachtens nicht entsprochen habe. Die Zeugenvernehmung und die Einholung des Sachverständigengutachtens sollten zum Beweis folgender Tatsache erfolgen:

"Die vom Zahnarzt M durchgeführte streitgegenständliche Teleskopversorgung bei der Klägerin ist ursächlich dadurch veranlasst worden, dass der Klägerin im Rahmen der früheren Regelversorgung seitens der Beklagten durch den Zahnarzt A ein Metallgeschiebe eingesetzt wurde, dadurch im Mund der Klägerin Metalle freigesetzt wurden, gegen welche die Klägerin allergisch reagierte, so dass statt eines Geschiebes letztlich aus zahnmedizinischer Sicht zwingend eine Teleskopversorgung erfolgen musste, weil sich auch herausgestellt hatte, dass eine andere Versorgung nicht möglich ist u.a. wegen der allergischen Reaktion der Klägerin u.a. auf Kolophonium."

Soweit ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht gerügt wird, muss die Beschwerdebegründung ua die Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG enthalten, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, und schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf einer angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme von seinem Standpunkt aus zu einem anderen, für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl nur BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN; BSG vom 9.1.2023 - B 9 SB 24/22 B - juris RdNr 5 mwN). Die Klägerin legt nicht schlüssig dar, warum das LSG nach seiner Rechtsauffassung bei Durchführung der beantragten Beweisaufnahme zu einem anderen, für sie günstigeren Ergebnis hätte kommen können. Soweit die Klägerin die vorgenannten Voraussetzungen dadurch darzulegen versucht, dass sie vorbringt, das LSG hätte nicht auf die hier nicht vorliegende Eingliederung des Zahnersatzes binnen sechs Monaten nach Genehmigung des HKP abstellen und mit diesem Argument von einer Beweisaufnahme absehen dürfen, macht sie lediglich geltend, das LSG habe falsch entschieden (vgl aber zur Frist für die Eingliederung von Zahnersatz: Nr 5 Anlage 3 - Vereinbarung nach § 87 Abs 1a SGB V über die Versorgung mit Zahnersatz - des Bundesmantelvertrags - Zahnärzte ≪BMV-Z≫ mit Stand vom 1.4.2017: "Die Festzuschüsse werden gezahlt, wenn der Zahnersatz in der bewilligten Form innerhalb von 6 Monaten eingegliedert wird", vgl ferner die gleichlautende Regelung in Nr 5 Anlage 2 BMV-Z mit Stand vom 4.6.2018; siehe ferner BSG vom 7.5.2013 - B 1 KR 5/12 R - SozR 4-2500 § 55 Nr 2; BSG vom 2.9.2014 - B 1 KR 12/13 R - juris). Es kann aber im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren nicht zur Revisionszulassung führen, wenn ein Beschwerdeführer das angegriffene Urteil für inhaltlich falsch hält (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BSG vom 21.4.2020 - B 13 R 44/19 B - juris RdNr 8; BVerfG vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN). Es kann deshalb auch die Rechtsauffassung des LSG nicht vom Beschwerdeführer durch eine andere, von ihm für richtig gehaltene Rechtsauffassung ersetzt werden, um die Voraussetzungen einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht darzulegen.

b) Die Klägerin rügt ferner, das LSG habe es entgegen der Amtsaufklärungspflicht fehlerhaft versäumt, durch Vernehmung von M als Zeugen zu ermitteln, wann die Zahnersatzbehandlung begonnen habe. Die Klägerin legt schon nicht dar, dass sie insoweit einen Beweisantrag zu diesem Beweisthema gestellt hat. Im Übrigen fehlt es auch hier ausgehend von der Rechtsauffassung des LSG an der Darlegung der Entscheidungserheblichkeit einer solchen Beweisaufnahme.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Schlegel

Geiger

Estelmann

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15912616

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