Beteiligte
Kassenärztliche Vereinigung Südbaden |
Verfahrensgang
SG Freiburg i. Br. (Urteil vom 19.05.1999) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Mai 1999 wird verworfen.
Die Klägerin hat der Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin ist als Ärztin für Allgemeinmedizin im Bereich der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Die Beklagte versagte ihr einen Teil des von ihr geltend gemachten Honorars für die Quartale III und IV/1996 sowie II/1997, weil seit dem 1. Juli 1996 die Gesprächsleistungen nur bis zu einer bestimmten Gesamtpunktzahl vergütet werden könnten (sog Teilbudget). Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte zurück.
In der mündlichen Verhandlung des von ihr angerufenen Sozialgerichts (SG) hat die Klägerin ausweislich der Sitzungsniederschrift erklärt, sie beantrage hilfsweise die Zulassung der Sprungrevision. Die Beklagte erklärte, sie stimme einer Sprungrevision zu. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 19. Mai 1999 abgewiesen, weil die Regelungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für die ärztlichen Leistungen (EBM-Ä) über das Teilbudget für Gesprächsleistungen rechtmäßig seien. In dem Urteil hat das SG die Sprungrevision zugelassen.
Gegen dieses Urteil, das am 20. August 1999 als Einschreiben zum Zwecke der Zustellung an sie zur Post gegeben worden ist, hat die Klägerin am 22. September 1999 Sprungrevision eingelegt und der Revisionsschrift unbeglaubigte Kopien des Urteils und der Sitzungsniederschrift beigefügt.
Am 8. Oktober 1999 – nach Ablauf der Revisionseinlegungsfrist – sind die Akten des SG mit dem Original der Sitzungsniederschrift beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist gemäß § 169 Sozialgerichtsgesetz (SGG) – ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter – als unzulässig zu verwerfen, weil den für Sprungrevisionen bestehenden gesetzlichen Formerfordernissen des § 161 SGG nicht genügt ist.
Nach § 161 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 3 SGG ist bei Einlegung der Sprungrevision, sofern diese im Urteil zugelassen worden ist, die schriftliche Zustimmung des Gegners beizufügen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes (BSG Großer Senat, BSGE 12, 230, 234 = SozR Nr 14 zu § 161 SGG; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S. 3 f und Nr 3 S. 7; BVerwGE 14, 259, 260; BGHZ 92, 76, 78) muß die Zustimmungserklärung entsprechend den Anforderungen des § 435 Zivilprozeßordnung entweder in Urschrift oder zur Niederschrift eines Notars bzw Gerichts erklärt werden. In letzterem Fall ist die Zustimmung durch Vorlage einer beglaubigten Abschrift der Niederschrift nachzuweisen (BSG Großer Senat, aaO; BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S. 4). Die Vorlage einer einfachen Abschrift des Sitzungsprotokolls reicht nicht aus (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S. 4 und Nr 11 S. 25, jeweils mwN).
Diese Formenstrenge gründet in der rechtlichen Tragweite der Zustimmungserklärung und den Erfordernissen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Mit der Zustimmung zur Sprungrevision verzichtet der Rechtsmittelgegner gemäß § 161 Abs 4 und 5 SGG auf das Rechtsmittel der Berufung und die Möglichkeit, Verfahrensmängel zu rügen. Es soll jeder Zweifel darüber ausgeschlossen werden, ob eine für den Gang des Verfahrens wesentliche Prozeßerklärung von der dazu befugten Person tatsächlich abgegeben worden ist und der Erklärende für ihren Inhalt die Verantwortung übernimmt (BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 3 S. 7 und Nr 11 S. 24). Deshalb werden an die Zustimmungserklärung dieselben formalen Anforderungen gestellt, die für Rechtsmittelschriften gelten (BSG aaO). Eine einfache Abschrift vermag daher weder – wie eine Ausfertigung – die fehlende Unterschrift zu ersetzen, noch, – wie eine beglaubigte Abschrift – einen hinreichenden Beweis für das Vorhandensein und den Wortlaut einer entsprechenden Urschrift zu erbringen.
An dieser Rechtsprechung, die mit dem Grundsatz der Gewährleistung eines fairen Verfahrens vereinbar ist (BVerfG – Kammer – SozR 3-1500 § 161 Nr 5 S. 11 f), hält der Senat nach erneuter Überprüfung fest.
Diesen Formerfordernissen entspricht die von der Klägerin eingelegte Sprungrevision nicht. Denn sie hat lediglich eine einfache Abschrift der Sitzungsniederschrift des SG Freiburg vom 19. Mai 1999 eingereicht.
Ungeachtet dieser formalen Mängel wäre es nach der Rechtsprechung des BSG auch ausreichend, wenn in der Revisionsschrift auf die in den Akten des SG befindliche Urschrift der in der mündlichen Verhandlung erteilten Einwilligungserklärung verwiesen wird und diese Akten noch vor Ablauf der Revisionsfrist beim BSG eingegangen sind (BSG SozR 1500 § 161 Nrn 2, 8; SozR 3-1500 § 161 Nr 2 S. 4 f; vgl hierzu auch BVerfG – Kammer – SozR 3-1500 § 161 Nr 5 S. 12). Die Akten des SG Freiburg sind aber erst am 8. Oktober 1999, also nach Ablauf der Revisionsfrist, beim BSG eingegangen.
Ungeachtet dessen, daß die Sprungrevision schon wegen der Vorlage lediglich einer einfachen Abschrift der Niederschrift mit der Zustimmung des Gegners unzulässig ist, ist auch darauf hinzuweisen, daß eine Zustimmung lediglich zur Zulassung der Sprungrevision nicht ausreicht, sondern sich gerade auf deren Einlegung beziehen muß (BSG SozR 1500 § 161 Nr 29 S. 62 f; SozR 3-1500 § 161 Nr 7). Grundsätzlich genügt es nicht, wenn der Gegner nur pauschal der Sprungrevision zustimmt (BSG aaO). Lediglich dann, wenn die Sprungrevision bereits zugelassen worden ist und nur noch ihre Einlegung aussteht, wird die pauschale Erklärung als Zustimmung gerade zur Einlegung der Sprungrevision ausgelegt (vgl BSG SozR 3-1500 § 161 Nr 13 S. 31 und BSG, Urteil vom 12. März 1996, USK 96 167, jeweils mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Fundstellen