Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 08.12.1992) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundessozialgericht Prozeßkostenhilfe zu gewähren und ihr Rechtsanwältin C … G … beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 1992 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Klägerin ist mit ihrem Begehren, wegen der Folgen des am 8. Dezember 1978 erlittenen Unfalls Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erhalten, ohne Erfolg geblieben (Bescheid des Beklagten vom 11. Juli 1984; zusprechendes Urteil des Sozialgerichts vom 7. November 1986 und klageabweisendes Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 8. Dezember 1992). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Anspruch der Klägerin sei unbegründet, weil nicht nachgewiesen sei, daß sie den Unfall bei einer nach § 539 Abs 1 oder Abs 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) versicherten Tätigkeit erlitten habe. Das gelte sowohl für ihre Behauptung, sie habe den Weg über die vereiste Treppe nicht nur deshalb unternommen, weil sie ihre 19 Pekinesen habe füttern und zugleich auch für Pater A … ein Abendessen habe zubereiten wollen, als auch für ihren Vortrag, sie habe den Hund des Paters mitversorgen wollen. Selbst wenn letzteres zuträfe, habe die Versorgung ihrer eigenen Hunde so weit im Vordergrund gestanden, daß der Mitversorgung des fremden Hundes keine wesentliche arbeitnehmerähnliche Bedeutung beigemessen werden könne. Insbesondere sei der Klägerin nicht zu folgen, soweit sie die Ansicht vertreten habe, sie habe als Haushälterin oder zumindest wie eine Haushälterin während ihres Aufenthaltes im Kloster rund um die Uhr unter Versicherungsschutz gestanden. Auch bei einer Haushälterin sei zwischen deren betrieblichen und eigenwirtschaftlichen Tätigkeiten zu differenzieren. Bei rein privaten Betätigungen könne wie bei anderen Versicherten kein Versicherungsschutz angenommen werden. Jede andere Betrachtung würde im Ergebnis auf einen versicherungsrechtlich geschützten „Betriebsbann” hinauslaufen, der nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) in der gesetzlichen Unfallversicherung ausgeschlossen sei. Daran ändere sich nichts, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgehe, sie habe sich berufsbedingt auch zu privaten Verrichtungen auf der Betriebsstätte aufgehalten, weil diese zugleich ihren privaten Wohnbereich dargestellt habe. Auch bei einem solchen Zusammentreffen müsse danach unterschieden werden, ob sie die vereiste Treppe zum Nebengebäude (Betriebseinrichtung) aus betrieblichen oder eigenwirtschaftlichen Gründen benutzt habe. Eine wesentliche Mitwirkung von gefährlichen Betriebseinrichtungen am Zustandekommen des Unfalls bei rein privater Betätigung sei vom BSG nur in Ausnahmefällen bejaht worden, deren Voraussetzungen hier nicht vorlägen.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzlich bedeutsam sei die Frage, inwieweit ein sogenannter Betriebsbann vorliege, wenn die privaten und betrieblichen Lebensbereiche so ineinander verflössen, wie dies bei dem vermengten Arbeitsverhältnis einer Haushälterin der Fall sei. Selbst bei der Zubereitung einer nur den eigenen Bedürfnissen dienenden Mahlzeit sei eine unfallversicherungsrechtlich geschützte Tätigkeit anzunehmen, zumal sie im vorliegenden Fall hierfür auch die Lebensmittel des Arbeitgebers habe benutzen sollen. Grundsätzlich klärungsbedürftig sei auch, ob Unfallversicherungsschutz bei einer Haushälterin anzunehmen sei, wenn bei einer eigenwirtschaftlichen Tätigkeit eine Betriebseinrichtung benutzt werden müsse, die als wesentliche Ursache des Unfalles anzusehen sei. Wegen der besonderen Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses liege keine Vergleichbarkeit mit der Situation eines „Normalverweilens am Wohn- oder Betriebsort” vor. Das angefochtene Urteil des LSG beruhe auch auf Verfahrensmängeln. So habe sich das LSG bei seiner Beweiswürdigung auf ihre Angaben gestützt, die sie im Zivilrechtsstreit zum Unfallhergang gemacht habe – sie habe sich auf dem Weg befunden, um ihre Hunde zu füttern –, ohne dabei zu berücksichtigen, daß die Zielrichtung in einem Haftpflichtprozeß gegen den Arbeitgeber eine andere sei als in einem Sozialrechtsstreit, in dem es nicht auf die Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, sondern auf die konkret verrichtete Tätigkeit ankomme. Diese habe in dem Vorhaben bestanden, für den Pater das Essen zuzubereiten. Das LSG habe deshalb gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze verstoßen. Zugleich beantragt die Klägerin, ihr unter Beiordnung ihrer Prozeßbevollmächtigten Prozeßkostenhilfe zu gewähren.
Prozeßkostenhilfe kann der Klägerin nicht bewilligt werden, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫ iVm § 114 der Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫). Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nrn 1 bis 3 SGG liegen nicht vor.
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht – ausreichend – geklärt ist (s ua BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Soweit die Klägerin die Frage des Versicherungsschutzes einer Haushälterin bei privaten Betätigungen für klärungsbedürftig hält und dies damit begründet, es handele sich bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen um so besonders geartete, daß betriebliche von eigenwirtschaftlichen Betätigungen nicht voneinander trennbar seien, kann ihr schon vom Ansatz her nicht gefolgt werden. Weder ist eine Haushälterin immer im Dienst, noch haben die meisten ihrer Tätigkeiten einen gemischten Charakter. Zumindest ist nicht nachvollziehbar, weshalb eine Haushälterin bei allen Verrichtungen im örtlichen Bereich ihrer Arbeits- und Wohnstätte dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterliegen soll, der vom Gesetz ausdrücklich auf die in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten beschränkt ist (§ 548 Abs 1 RVO).
Bei einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung ist der Unfallversicherungsschutz deshalb in der Regel nicht gegeben. Allerdings hat das BSG Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen, und zwar in Fällen, in denen betriebsbedingte Gefahren – worauf die Klägerin in zweiter Linie abstellt – den Unfall wesentlich mitbewirkt haben (vgl BSG SozR Nr 21 zu § 548 RVO). Da jedoch die versicherte Tätigkeit Mitursache des Unfalles nur ist, wenn sie diesen wesentlich bedingt hat, kann bei einer privaten Zwecken dienenden Verrichtung nicht allein deshalb, weil eine Betriebseinrichtung an dem Unfallgeschehen mitbeteiligt war, stets und ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles angenommen werden, die versicherte Tätigkeit sei eine Mitursache des Unfalles (s BSGE 14, 295, 296). Es ist in der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich kein Raum für die Annahme eines sog Betriebsbannes, nach dem der Versicherungsschutz im Falle der Einwirkung besonderer, einem Betrieb eigentümlicher Gefahren auch auf Tätigkeiten erstreckt wird, die sonst dem privaten Lebensbereich zugerechnet werden (s BSG SozR 2200 § 548 Nr 15).
Inwieweit diese von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze noch einer Änderung, Ausgestaltung oder Erweiterung bedürfen, ist im Hinblick auf die Beschwerdebegründung nicht ersichtlich. Auch bei einer Tätigkeit als Haushälterin kann mit Blick auf die Besonderheiten des konkreten Einzelfalles danach unterschieden werden, ob von betrieblichen Einrichtungen ausgehende Gefahren ausnahmsweise als wesentliche Mitursache für das Zustandekommen des Unfalles zu werten sind, wenn sich die Haushälterin zum Unfallzeitpunkt eigenwirtschaftlich betätigt hat. Die generelle Besonderheit einer Beschäftigung im Haushalt, daß nämlich Arbeits- und privater Wohnbereich – wie im vorliegenden Fall – zusammenfallen können, führt ebenfalls nicht zur grundsätzlichen Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Das BSG hat sich nämlich bereits in mehreren Entscheidungen mit Sachverhalten befaßt, die durch die Besonderheit gekennzeichnet waren, daß sich Wohnung und Arbeitsstätte innerhalb eines Hauses befinden. Unfallversicherungsschutz hat das BSG bei Unfällen auf Wegen innerhalb des häuslichen Bereichs nur ausnahmsweise bejaht, wenn die Wege der Aufnahme oder Wiederaufnahme der betrieblichen Tätigkeit in einem Hause dienten und weitere besondere Umstände vorlagen (vgl ua BSGE 11, 267, 270; SozR Nr 20 zu § 543 RVO aF; SozR 2200 § 548 Nr 72). Eine andere unfallversicherungsrechtliche Wertung würde nämlich die Versicherten ungerechtfertigt schlechter stellen, deren Arbeitsstätte außerhalb des Wohnhauses liegt (so zuletzt BSG Urteil vom 25. Februar 1993 – 2 RU 12/92 –).
Auf den geltend gemachten Verfahrensmangel einer unzutreffenden Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG – Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze –) kann die Beschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG nicht gestützt werden (BSG SozR 1500 § 160 Nr 26).
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen