Verfahrensgang

LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 01.12.2021; Aktenzeichen L 3 R 379/17)

SG Berlin (Entscheidung vom 22.03.2017; Aktenzeichen S 23 R 5182/14)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 1. Dezember 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig ein Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Witwerrente aus der Versicherung seines am 14.8.2013 verstorbenen Lebenspartners.

Die eingetragene Lebenspartnerschaft bestand seit dem 3.5.2013. Die Beklagte lehnte den Antrag auf Rentenbewilligung mit der Begründung ab, zu diesem Zeitpunkt sei bereits absehbar gewesen, dass die schwere Erkrankung des Versicherten innerhalb eines Jahres zum Tod führen würde (Bescheid vom 14.2.2014; Widerspruchsbescheid vom 26.8.2014). Im Klageverfahren hat das SG Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt, Zeugen vernommen und Akten der Berufsgenossenschaft Holz und Metall beigezogen. In einem darin enthaltenen Gutachten zur Nachprüfung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom Oktober 1962 wurde nach ambulanter Untersuchung des Versicherten am 4.12.2012 eine deutlich reduzierte Lebenszeit festgehalten, sollte sich eine Metastase in der rechten Leiste bei einem wenige Wochen später geplanten Krankenhausaufenthalt bestätigen. Dies sei dem Versicherten bewusst gewesen. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 22.3.2017), das LSG die Berufung zurückgewiesen. Besondere Umstände, die die Annahme rechtfertigen würden, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der nur drei Monate vor dem Tod des Versicherten eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen, lägen nicht vor. Der Versicherte habe im Mai 2013 offenkundig an einer lebensbedrohlichen Erkrankung gelitten, die innerhalb kurzer Zeit zum Tod führen würde. Dies belegten die Untersuchungsergebnisse während der stationären Behandlung in der Zeit vom 11.1.2013 bis zum 25.2.2013, die ua Lymphknoten- und Lungenmetastasen feststellten. Die behandelnden Ärzte hätten die palliative Situation in ihren Befundberichten vom 13.12.2018 (R) und vom 29.1.2019 (S1) bestätigt. Auch liege ein Schreiben des Versicherten an die Berufsgenossenschaft Holz und Metall vom April 2013 vor. Daraus gehe hervor, dass er mit seinem baldigen Tod gerechnet habe. Zu früheren konkreten Hochzeitsplanungen, die das Eingehen einer Versorgungsehe entkräften könnten, sei es nicht gekommen. Aufgrund der vorliegenden Dokumentation komme es auf das Ergebnis eines im Auftrag des LSG erstellten Gutachtens der Sachverständigen P vom 26.7.2019, wonach der Versicherte zum Zeitpunkt der Eintragung der Lebenspartnerschaft eine Lebenserwartung von nur noch wenigen Monaten gehabt habe, nicht mehr an (Urteil vom 1.12.2021).

Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht den Zulassungsgrund der Divergenz und verschiedene Verfahrensmängel aufgrund einer Verletzung seines Rechts auf rechtliches Gehör geltend (§ 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung einer Revision wurden nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt - wie der Kläger selbst zutreffend ausführt - nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet dies, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht (vgl BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 296/20 B - juris RdNr 9 mwN). Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger trägt vor, das BSG habe in einem Urteil vom 2.6.1959 (2 RU 20/56) als Leitsatz aufgestellt: "Bei der Beurteilung einer medizinischen Frage darf das Gericht von der Anhörung eines Sachverständigen nur absehen, wenn es die erforderliche Sachkunde selbst besitzt und darlegt, worauf diese beruht." Davon weiche das LSG entscheidungserheblich und auch im Grundsätzlichen ab. Der Kläger stellt dem die Aussage des LSG gegenüber, wonach "der Senat allein aufgrund von medizinischen Unterlagen, seien es ärztliche Schreiben oder die an anderer Stelle von ihm in Bezug genommenen Behandlungsunterlagen eines oder mehrere(r) Ärzte, allein 'als medizinischer Laie' Schlussfolgerungen auf einen medizinischen Krankheitsverlauf und die gesundheitliche Prognose eines Krebskranken - sogar 'ohne Weiteres' - ziehen kann und zwar ausdrücklich ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens."

Die Beschwerdebegründung macht schon den besonderen Kontext der zitierten Aussagen des BSG nicht deutlich. Auch geht aus ihr nicht nachvollziehbar hervor, ob das LSG den angeführten abstrakten Rechtssatz ausdrücklich oder implizit aufgestellt (zu einem verdeckt aufgestellten Rechtssatz vgl BSG Beschluss vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 19.12.2011 - B 12 KR 42/11 B - juris RdNr 8) und selbst rechtliche Maßstäbe entwickelt hat, die von denjenigen des BSG abweichen. Woraus der Kläger den wiedergegebenen "verbindlichen Leitsatz" entnimmt, bleibt unklar. Er verweist zwar auf die Entscheidungsgründe auf S 36 Urteilsumdruck. Die vom Kläger angegebene Formulierung findet sich darin aber nicht. Vielmehr führt das LSG dort aus, dass "in Anbetracht dieser eindeutigen Dokumentation, aus der Schlussfolgerungen auf den Erkrankungsverlauf und die gesundheitliche Prognose für den Versicherten auch durch den medizinisch interessierten Laien ohne Weiteres gezogen werden können," eine weitere Amtsermittlung mittels Sachverständigengutachten nicht mehr erforderlich gewesen sei. Dass das LSG zur Beurteilung einer medizinischen Frage ein Sachverständigengutachten nicht grundsätzlich als entbehrlich angesehen hat, sondern lediglich aufgrund der dokumentierten ärztlichen Befunde im Einzelfall, belegen die weiteren Ausführungen des Klägers. Er zitiert wörtlich das Berufungsurteil, wonach es sich bei der Erkrankung des Versicherten um ein multipel metastasierendes bösartiges Leiden gehandelt habe, dessen Behandlung nur noch unter palliativen Gesichtspunkten möglich gewesen sei. Auch nimmt das LSG in einem weiteren, vom Kläger wörtlich wiedergegebenen Zitat ausdrücklich Bezug auf die Unterlagen der behandelnden Ärzte, aus denen sich der schlechte Zustand des Versicherten bereits im Februar 2013 ergeben habe.

Eine weitere Divergenz sieht der Kläger im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 5.5.2009 (B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6) und gibt die beiden Leitsätze wörtlich wieder: "1. Bei der Prüfung, ob eine Hinterbliebenenrente ausschließende Versorgungsehe vorliegt, sind alle zur Eheschließung führenden Motive der Ehegatten zu berücksichtigen und in ihrer Bedeutung gegeneinander abzuwägen." und "2. Die Annahme einer Versorgungsehe ist nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe beider Ehegatten insgesamt gesehen überwiegen oder zumindest gleichwertig sind." Dabei handelt es sich schon nicht um abstrakte Rechtssätze aus den Gründen des Urteils, sondern um dessen Leitsätze. Diese werden erst im Rahmen der Veröffentlichung einer Entscheidung nachträglich gebildet und geben die wesentlichen Aussagen notwendigerweise verkürzt wieder (vgl BSG Beschluss vom 17.6.2020 - B 5 R 302/19 B - SozR 4-1500 § 151 Nr 6 RdNr 8). Auch stellt die Beschwerdebegründung diesen keinen dazu im Widerspruch stehenden abstrakten Rechtssatz des LSG gegenüber. Die vom Kläger zitierte Entscheidung des BSG zur Anwendung und Auslegung des § 46 Abs 2a Halbsatz 2 SGB VI(BSG Urteil vom 5.5.2009 - B 13 R 55/08 R - BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr 6) wird - wie auch der Kläger selbst anführt - vom LSG ausführlich in seinen Entscheidungsgründen zitiert. Dass das Berufungsgericht davon abweichende Maßstäbe entwickelt hat, indem es formuliert hat, eine Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe sei nicht "gänzlich" ausgeschlossen, legt er nicht nachvollziehbar dar.

Soweit der Kläger geltend macht, das LSG habe "im Rahmen seiner Subsumtion davon abweichende Anforderungen" aufgestellt und dabei auf einzelne vom Kläger vorgetragene Umstände verweist (Heirat aus Liebe, Einzug in die gemeinsame Wohnung, eigenes Vermögen und Einkommen), die von vornherein nicht als "besondere Umstände" herangezogen worden seien, um die Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen, rügt er eine fehlerhafte Beweiswürdigung durch das Berufungsgericht. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde von vornherein nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

2. Der Kläger hat schließlich auch keinen Verfahrensfehler hinreichend bezeichnet. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde damit begründet, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen zur Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) zunächst die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) und führt zur Begründung aus, das LSG habe ihm die beigezogenen Untersuchungsergebnisse des M-Krankenhauses nach der stationären Behandlung vom 11.1.2013 bis zum 25.2.2013 nicht zur Kenntnis gegeben. Diese Befunde, auf die sich das LSG entscheidungserheblich gestützt habe, seien für ihn "komplett überraschend" gewesen.

Von einer Überraschungsentscheidung kann jedoch nur ausgegangen werden, wenn sich das Gericht ohne vorherigen richterlichen Hinweis auf einen Gesichtspunkt stützt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 13.4.2022 - B 5 R 291/21 B - juris RdNr 21 mwN). Der Verfahrensmangel einer Überraschungsentscheidung ist deshalb nur dann schlüssig bezeichnet, wenn im Einzelnen vorgetragen wird, aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs nicht damit rechnen musste, dass das Gericht seine Entscheidung auf einen bestimmten Gesichtspunkt stützt. Daran fehlt es hier. Aus der Beschwerdebegründung geht schon nicht hervor, inwiefern die Behandlungsunterlagen des M-Krankenhauses im Original für das LSG entscheidend waren, obwohl es in seinen Entscheidungsgründen ausdrücklich auf den - auch dem Kläger übermittelten - Arztbrief vom 25.2.2013 Bezug nimmt. Der bereits vor dem LSG anwaltlich vertretene Kläger verweist in seiner Beschwerdebegründung zudem auf einen früheren Schriftsatz im Berufungsverfahren, in dem er sich zu Unterlagen der Onkologischen Schwerpunktpraxis K äußert, die sich ausdrücklich auf die "Diagnosestellung auf einen CT-Befund des M-Krankenhauses vom 14. Januar 2013" beziehen. Aus welchen Gründen es auch vor diesem Hintergrund für den Kläger überraschend gewesen sein könnte, dass sich das LSG auf die während des fast zwei Monate dauernden Krankenhausaufenthalts erfolgte Diagnostik stützen sollte, erschließt sich dem Senat nicht. Auch ergibt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, inwiefern weitere Krankenhaus-Unterlagen noch von Bedeutung hätten sein könnten, obwohl dem Kläger der darauf beruhende Befundbericht der behandelnden Klinikärztin R vom 13.12.2018 vorlag, wonach im Januar 2013 eine Überlebensprognose von weniger als einem Jahr wahrscheinlich war.

Ungeachtet dessen können Verfahrensfehler nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 1 SGG nur dann zur Zulassung der Revision oder nach § 160a Abs 5 SGG zur Zurückverweisung der Sache an das LSG führen, wenn die angefochtene Entscheidung auf ihnen beruhen kann. Auch dies hat der Kläger nicht hinreichend dargestellt. In dem der Beschwerdebegründung beigefügten Arztbrief des M-Krankenhauses an die BG Holz und Metall vom 25.2.2013 werden unter dem Punkt "CT Abdomen gesamt vom 14.01.2013" verschiedene metastasensuspekte Läsionen als "neu aufgetreten" beschrieben und unter "weitere Empfehlungen" eine palliative Chemotherapie angeregt. Inwiefern auf der Grundlage aller Behandlungsunterlagen des Krankenhauses (einschließlich der Bilder und Histologiebefunde) durch ein - wie vom Kläger geltend gemacht - weiteres Sachverständigengutachten diese Diagnosen widerlegt und festgestellt hätte werden können, dass es sich dabei "nicht um maligne Vorgänge" handelte, erklärt die Beschwerdebegründung nicht. Soweit er darüber hinaus vorträgt, er hätte bei Kenntnis der Krankenhausunterlagen zudem beantragt, "den Kläger als Partei zu vernehmen" zu den Tatsachen, dass weder er noch sein Lebenspartner ihn jemals im Krankenhaus als "Neffe" bezeichnet hätten und dass es sich bei der dort angegebenen Telefonnummer nicht um seine gehandelt habe, erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht, inwiefern diese Umstände entscheidungsrelevant sein könnten.

Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang auch geltend macht, Behandlungsunterlagen des M-Krankenhauses seien ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 1.12.2021 nicht als Urkunden ordnungsgemäß verlesen oder anderweitig eingeführt worden, legt er nicht dar, woraus er eine solche Verpflichtung des Gerichts ableitet (zum notwendigen Protokollinhalt vgl auch § 122 SGG iVm § 160 Abs 3 Nr 2 ZPO).

Eine Gehörsverletzung aufgrund einer Überraschungsentscheidung sowie einer Verletzung der richterlichen Hinweispflichten entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ergibt sich auch nicht aus seinem weiteren Vorbringen, es sei für ihn "komplett überraschend" gewesen, dass das LSG das Gutachten von P nicht verwertet habe. Aus welchen Gründen auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter aufgrund des bisherigen Prozessverlaufs damit nicht rechnen musste, hätte insbesondere deshalb näherer Erläuterungen bedurft, weil der Kläger selbst mehrfach im Verfahren gegen die Verwertbarkeit des Gutachtens vorgetragen und den Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

Auch die Entscheidungsrelevanz des geltend gemachten Verfahrensfehlers erschließt sich aus der Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger trägt vor, hätte er davon Kenntnis gehabt, dass das Berufungsgericht das Gutachten seiner Entscheidung nicht zugrunde legen wird, hätte er Beweisanträge auf Einholung eines Sachverständigengutachtens durch einen anderen Onkologen und auf Vernehmung des behandelnden Arztes S1 sowie des Chefarztes des M-Krankenhauses F als Zeugen zum Nachweis dafür gestellt, dass die Lebenspartner von einem Überleben des Versicherten von mehreren Jahren ausgingen. Es ist schon nicht nachvollziehbar, inwiefern solche Beweisanträge davon abhängig sein sollen, dass ein für den Kläger nachteiliges Sachverständigengutachten keine Berücksichtigung findet. Auch erläutert die Beschwerdebegründung nicht, welchen weiteren Erkenntnisgewinn eine solche Zeugeneinvernahme vor dem Hintergrund hätte haben können, dass die schriftlichen Befundberichte aus der Praxis von S1 und aus dem M-Krankenhaus im Berufungsverfahren bereits vorlagen.

Soweit der Kläger darüber hinaus geltend macht, er habe bereits vor dem SG erfolglos beantragt, S1 als Zeugen mündlich zu befragen, dies sei vom LSG nicht einmal erwähnt worden, bezeichnet er damit ebenfalls nicht hinreichend einen Verfahrensfehler. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich jedenfalls nicht, dass ein solcher Antrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung zu Protokoll aufrechterhalten wurde oder im Urteil des LSG wiedergegeben ist (vgl zu diesem Erfordernis grundlegend BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 und aus jüngster Zeit BSG Beschluss vom 31.3.2022 - B 5 R 324/21 B - juris RdNr 6).

Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers, das LSG habe eine Bescheinigung des Onkologen S1 vom 27.1.2014 überraschend dahin gehend ausgelegt, dass darin keine Aussagen über eine infauste Prognose und das Einleiten einer rein palliativen Therapie bereits zum Zeitpunkt der Verpartnerung enthalten sei, erschließt sich dem Senat schon nicht, inwiefern er daraus eine geänderte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts ableitet. Bereits in seiner Beweisanordnung vom 10.5.2019 hat das LSG - wie vom Kläger selbst vorgetragen - auf die Eintragung der Lebenspartnerschaft am 3.5.2013 als den maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt.

Im Übrigen besteht auch keine allgemeine Verpflichtung des Gerichts, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Tatsachen- und Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Sie wird weder durch den allgemeinen Anspruch auf rechtliches Gehör aus § 62 SGG bzw Art 103 Abs 1 GG noch durch die Regelungen zu richterlichen Hinweispflichten (§ 106 Abs 1 bzw § 112 Abs 2 Satz 2 SGG) begründet, denn die tatsächliche und rechtliche Würdigung ergibt sich regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung (vgl BSG Beschluss vom 11.4.2019 - B 13 R 74/18 B - juris RdNr 14 mwN). Aus diesen Gründen hat der Kläger auch keinen Verfahrensmangel hinreichend bezeichnet, indem er geltend macht, das LSG hätte auf seine Bedenken hinsichtlich der von S1 nach einem Anruf von Herrn S2 ausgestellten Bescheinigung vom 27.1.2014 hinweisen und ihm weitere Beweisanträge ermöglichen müssen (ua Vernehmung von S1 und Herrn S2 als Zeugen). Das gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass das LSG die Glaubwürdigkeit des Zeugen S2 nicht in Zweifel gezogen, sondern lediglich dessen Aussage zum Gesundheitszustand des Versicherten als nicht als überzeugend gewertet hat, wobei letztlich die Bewertung der ärztlichen Unterlagen streitentscheidend gewesen sind.

Mit seinem Vorbringen, das LSG habe ihn in seinem Recht auf rechtliches Gehör verletzt, in dem es "überspannte Substantiierungserfordernisse" an sein Vorbringen gestellt und ihn auf eine nicht ausreichende Substantiierung seines Vortrags auch nicht hingewiesen habe, erschließt sich dem Senat schon nicht, woraus der Kläger solche Anforderungen aus dem SGG ableitet. Der Kläger zitiert dazu Rechtsprechung des BGH zur Substantiierung des Parteivortrages nach den Vorschriften der ZPO. Im sozialgerichtlichen Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 103 SGG), dessen Verletzung im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde - wie bereits ausgeführt - nur unter besonderen Voraussetzungen erfolgreich gerügt werden kann. Der Kläger hat jedoch nicht vorgetragen, prozessordnungsgemäße Beweisanträge zu den "inneren Motiven" gestellt und diese bis zuletzt vor dem LSG aufrechterhalten zu haben. Auch welche neuen, bislang nicht aktenkundigen Umstände eine Beteiligtenanhörung hätte ergeben können, erschließt sich dem Senat nicht. Soweit er wiederholt zu Hochzeitsplanungen, der durch den Kläger geleisteten Pflege und zu dessen Vermögensverhältnissen im Einzelnen vorträgt, wendet er sich dagegen, dass sich das LSG von "besonderen Umständen" zur Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe, insbesondere von früheren, ernsthaften Heiratsabsichten nicht überzeugen konnte. Damit macht er wiederum eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend.

Dies kann - wie ebenfalls bereits ausgeführt - nicht Gegenstand einer Nichtzulassungsbeschwerde sein.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Düring                                    Hannes                                           Körner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15365178

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