Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtsverfahren. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensfehler. Sachaufklärungsrüge. prozessordnungsgemäßer Beweisantrag. Beweisanregung. Verfahren auf Erlangung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung

 

Orientierungssatz

1. Im Rahmen eines mit einer Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Verstoßes gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht und der hierbei erforderlichen Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zum Schluss aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, muss zur Darlegung solcher Beweisanträge aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden sollte und dass es sich damit ihrem Inhalt nach nicht nur um eine Beweisanregung gehandelt hat (vgl BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B = SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6).

2. Im Rahmen eines Verfahrens auf Erlangung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung muss sich der Beweisantrag möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen. Hierbei darf es nicht nur auf eine andere Diagnosestellung ankommen, sondern es muss vielmehr der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl BSG vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B aaO).

 

Normenkette

SGG §§ 103, 109, 118 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3; ZPO §§ 373, 403; SGB VI § 43 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2

 

Verfahrensgang

SG Koblenz (Urteil vom 09.10.2015; Aktenzeichen S 10 R 973/12)

LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 18.12.2017; Aktenzeichen L 2 R 450/15)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

Mit Urteil vom 18.12.2017 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch des Klägers auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht als Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) die mangelhafte Aufklärung geltend.

Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Beschwerdebegründung vom 25.4.2018 genügt nicht der gesetzlichen Form, denn er hat den geltend gemachten Zulassungsgrund nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise bezeichnet.

Der Kläger rügt eine Verletzung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 103 SGG) durch das Berufungsgericht. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, bis zuletzt aufrechterhaltenen prozessordnungsgemäßen Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; Senatsbeschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - juris RdNr 6 mwN).

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Ausweislich der Beschwerdebegründung hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung beantragt, ihm Rente wegen voller oder teilweise Erwerbsminderung zu gewähren und "hilfsweise eine erneute Begutachtung von Amts wegen" einzuholen. Damit hat der Kläger jedoch keinen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag iS von § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG bezeichnet.

Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung eines Antrags selbst, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte (vgl § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 403 bzw § 373 ZPO) und mit welchem Ziel Beweis erhoben werden sollte und dass es sich damit seinem Inhalt nach nicht nur um eine Beweisanregung gehandelt hat (Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN). Denn anders als eine Beweisanregung hat nur ein echter Beweisantrag die Warnfunktion, die es rechtfertigt, einen Revisionszulassungsgrund anzunehmen, wenn das LSG dem Antrag zu Unrecht nicht gefolgt ist (vgl BSG Beschluss vom 24.5.1993 - 9 BV 26/93 - SozR 3-1500 § 160 Nr 9; BSG Beschluss vom 5.3.2002 - B 13 RJ 193/01 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 35). Der Beweisantrag im Rentenverfahren muss sich deshalb möglichst präzise mit dem Einfluss dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen befassen. Je mehr Aussagen von Sachverständigen oder sachverständigen Zeugen zum Beweisthema bereits vorliegen, desto genauer muss der Beweisantragsteller auf mögliche Unterschiede und Differenzierungen eingehen (vgl hierzu Fichte, SGb 2000, 653, 656). Im Rahmen eines Rentenverfahrens darf es dabei nicht nur auf eine andere Diagnosestellung ankommen, sondern es muss vielmehr der negative Einfluss von weiteren, dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl Senatsbeschluss vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6).

Mit dem von dem Kläger bezeichneten Beweisantrag auf "erneute Begutachtung von Amts wegen", den er in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll gegeben hat, bleibt unbestimmt, zu welchen konkreten Tatsachen eine erneute Aufklärung durch einen Arzt welcher Fachrichtung eingeholt werden sollte. Ein zur Zulassung der Revision führender Beweisantrag kann aber bei einem anwaltlich vertretenen Kläger nur ein solcher sein, der das Beweisthema konkret angibt und insoweit wenigstens umreißt, was die Beweisaufnahme ergeben soll (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). Soweit der Kläger geltend macht, dass sich das Beweisthema aus den von ihm bezeichneten Schriftsätzen vom 19.1.2016, 9.3.2016, 25.9.2017 ergebe, reicht dies nicht aus. Denn er legt nicht dar, auf welchen Vortrag er sich auch in der mündlichen Verhandlung im Einzelnen bezogen hat. Gerade weil diese Schriftsätze laut Beschwerdebegründung verschiedenen Vortrag enthalten (Diagnose einer Fibromyalgie, Feststellung eines höheren Grades der Behinderung/Merkzeichen G wegen Verschlechterung des medizinischen Zustands, zeitliche Einschränkung des Leistungsvermögens über mehr als 26 Wochen im Jahr, fehlerhafte Evaluation der funktionellen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Reha-Maßnahme), wäre eine Konkretisierung des Beweisthemas und des Beweismittels in der mündlichen Verhandlung erforderlich gewesen; dass dies erfolgt und protokolliert worden wäre, legt der Kläger nicht dar. Allein das Verlangen nach Einholung einer weiteren Begutachtung von Amts wegen reicht insoweit nicht aus, um der Warnfunktion des Beweisantrags gegenüber dem LSG gerecht zu werden (vgl Senatsbeschluss vom 7.2.2017 - B 13 R 389/16 B - juris RdNr 5).

Die weitere Rüge des Klägers, das LSG hätte seinen Antrag nach § 109 SGG auf Einholung eines weiteren Gutachtens nicht ablehnen dürfen, ist von vornherein nicht geeignet, einen für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beachtlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Denn nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 160 Abs 2 Nr 3 Teilsatz 2 SGG kann ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung des § 109 SGG gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 12.7.2012 - B 13 R 463/11 B - juris RdNr 12).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13586882

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge