Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 27.06.2018; Aktenzeichen L 12 SF 44/16 EK AL) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 27. Juni 2018 wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 8800 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der Kläger begehrt in der Hauptsache eine Entschädigung für eine überlange Verfahrensdauer verschiedener vor dem SG Neubrandenburg geführter Klageverfahren (S 1 AL 59/12, S 16 AS 810/11 und S 16 AS 2519/11). Das LSG hat als Entschädigungsgericht mit Urteil vom 27.6.2018 festgestellt, dass die Dauer des Klageverfahrens S 1 AL 59/12 in einem Umfang von sieben Monaten unangemessen lang gewesen sei. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Klage sei unzulässig, soweit der Kläger im Wege der Klageerweiterung eine Entschädigung wegen der Dauer der Klageverfahren S 16 AS 810/11 und S 16 AS 2519/11 begehre. Insoweit läge eine unzulässige Klageänderung vor. Eine Einwilligung des Beklagten in die Klageänderung sei nicht erfolgt. Ebenso wenig sei die Klageänderung sachdienlich. Nicht sachdienlich sei eine Klageänderung, wenn sie dazu führe, dass der Rechtsstreit auf völlig neue Grundlagen gestellt werde. Den mit der Klageerweiterung geltend gemachten Begehren lägen vollkommen andere Sachverhalte zugrunde. Die Ausführungen des Entschädigungssenats zum Klageverfahren S 1 AL 59/12 seien für die beiden anderen Verfahren nicht verwertbar. Gegen die Annahme der Sachdienlichkeit spreche auch der Umstand, dass der reguläre Vorsitzende Richter des Entschädigungssenats gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO von einer Mitwirkung betreffend die Entschädigungsklage wegen der Dauer des Verfahrens S 1 AL 59/12 ausgeschlossen sei, während dies für die beiden anderen im Rahmen der Klageerweiterung geltend gemachten Klagen nicht der Fall sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er macht Verfahrensmängel geltend.
II
Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Seine Begründung vom 21.1.2019 genügt nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Form, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der hierfür erforderlichen Weise bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des Entschädigungsgerichts ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung der angefochtenen Entscheidung besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Entschädigungsgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
a. Soweit der Kläger einen Verfahrensmangel dahingehend geltend macht, dass das Entschädigungsgericht keine Ermessensentscheidung bezüglich der Zulässigkeit der Klageerweiterung getroffen habe und den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt habe, hat er einen solchen Verfahrensmangel nicht hinreichend aufgezeigt.
Nach § 99 Abs 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten - hier der Beklagte - einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Im letzteren Falle entscheidet das Gericht nach seinem Ermessen, ob die Klageänderung sachdienlich ist. Das Revisionsgericht kann die - negative - Entscheidung der Vorinstanz nur daraufhin nachprüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (BSG Beschluss vom 13.8.2018 - B 13 R 90/18 B - Juris RdNr 10; BSG Beschluss vom 28.2.2000 - B 11 AL 247/99 B - Juris RdNr 5; BSG Beschluss vom 7.9.1999 - B 2 U 190/99 B - Juris RdNr 3).
Der Kläger, der die Ablehnung der beantragten Klageänderung im Sinne einer Klageerweiterung durch das Entschädigungsgericht als Verfahrensfehler rügt, hat nicht hinreichend dargelegt, dass das Entschädigungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt hat. Dazu hätte er substantiiert vortragen müssen, dass die Klageerweiterung zulässig gewesen wäre, denn nur dann hätte - was in der Regel sachdienlich ist - über sie eine einheitliche Sachentscheidung getroffen werden können (BSG Beschluss vom 13.8.2018, aaO; BSG Beschluss vom 7.9.1999, aaO, RdNr 4). Sachdienlichkeit liegt vor, wenn der Streitstoff ganz oder doch im Wesentlichen derselbe bleibt (vgl Bieresborn in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 99 RdNr 38; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 77. Aufl 2019, § 263 RdNr 28; Greger in Zöller, ZPO, 32. Aufl 2018, § 263 RdNr 13). Dass das Entschädigungsgericht den Begriff der Sachdienlichkeit in diesem Sinne verkannt hat, hat der Kläger nicht aufgezeigt.
Obwohl das Entschädigungsgericht die Verneinung der Sachdienlichkeit neben des Ausschlusses des regulären Vorsitzenden Richters des Entschädigungssenats von der Mitwirkung betreffend die Entschädigungsklage wegen der Dauer des Verfahrens S 1 AL 59/12 tragend auch damit begründet hat, dass mit den von der Klageerweiterung erfassten Entschädigungsklagen jeweils neue Lebenssachverhalte und damit neue Klagegründe geltend gemacht worden seien, ist der Kläger hierauf in seiner Beschwerdebegründung nicht in der gebotenen Weise eingegangen. Der Kläger räumt selbst ein, dass den von der Klageerweiterung erfassten Entschädigungsklagen betreffend die Ausgangsverfahren S 16 AS 810/11 und S 16 AS 2519/11 andere Lebensachverhalte wie der Entschädigungsklage in dem Ausgangsverfahren S 1 AL 59/12 zugrunde liegen. Er zeigt jedoch nicht auf, aus welchen Gründen trotz verschiedener Sachverhalte der Ausgangsverfahren mit den von der Klageerweiterung erfassten Entschädigungsklagen nicht jeweils ein neuer Klagegrund bzw ein neuer Streitstoff eingeführt worden ist.
b. Soweit der Kläger rügt, sein Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) sei verletzt, weil das Entschädigungsgericht weder im Rahmen eines schriftlichen Hinweises noch während der mündlichen Verhandlung zu erkennen gegeben habe, dass es im Hinblick auf das Verfahren S 1 AL 59/12 den gesetzlichen Richter in einer anderen Besetzung des Entschädigungssenats sehe als im Fall der Klageerweiterung und diese Absicht ausschlaggebend für die Verneinung der Sachdienlichkeit gewesen sei, hat er nicht aufgezeigt, dass die angefochtene Entscheidung hierauf beruhen könne. Denn er trägt selbst vor, dass das Entschädigungsgericht die Sachdienlichkeit der Klageerweiterung tragend auch deshalb verneint habe, weil durch sie das Ausgangsverfahren S 1 AL 59/12 auf eine völlig neue Grundlage gestellt worden wäre. Es kann daher dahinstehen, ob das LSG - wie vom Kläger geltend gemacht - auf das zusätzliche Argument des Ausschlusses des Vorsitzenden Richters des Entschädigungssenats für die aus seiner Sicht vorliegende Unzulässigkeit der Klageerweiterung wegen fehlender Sachdienlichkeit hätte hinweisen müssen.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 183 S 6, § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.
3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm § 47 Abs 1 S 1 und Abs 3, § 52 Abs 3 S 1, § 63 Abs 2 S 1 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13175139 |