Verfahrensgang
SG Konstanz (Entscheidung vom 08.07.2015; Aktenzeichen S 11 R 2472/12) |
LSG Baden-Württemberg (Beschluss vom 04.10.2018; Aktenzeichen L 9 R 3487/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 4. Oktober 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist streitig die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Mit Beschluss vom 4.10.2018 hat das LSG Baden-Württemberg einen solchen Anspruch des Klägers verneint und seine Berufung gegen das Urteil des SG Konstanz vom 8.7.2014 zurückgewiesen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf Verfahrensmängel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.
Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - Juris RdNr 9 mwN).
Ein Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 S 1 SGG, §§ 373, 403 ZPO muss grundsätzlich in prozessordnungsgerechter Weise formuliert sein, sich regelmäßig auf ein Beweismittel der ZPO beziehen, das Beweisthema möglichst konkret angeben und insoweit wenigstens umreißen, was die Beweisaufnahme ergeben soll (vgl BSG Beschluss vom 24.1.2018 - B 13 R 377/15 B - Juris RdNr 10; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN). In einem Rentenstreitverfahren muss sich der Beweisantrag möglichst präzise mit den Folgen dauerhafter Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene berufliche Leistungsvermögen befassen. Im Rahmen eines Rentenverfahrens muss die negative Beeinflussung von weiteren - dauerhaften - Gesundheitsbeeinträchtigungen auf das verbliebene Leistungsvermögen behauptet und möglichst genau dargetan werden (vgl etwa BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 279/16 B - Juris RdNr 20 mwN). Einen solchen Beweisantrag benennt die Beschwerdebegründung nicht.
Die Beschwerdebegründung rügt zunächst, das LSG habe § 103 SGG verletzt, indem es einem Antrag auf Einholung eines (weiteren) orthopädischen Sachverständigengutachtens nicht gefolgt sei. Damit habe eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers, die vom behandelnden Orthopäden Dr. S. bestätigt worden sei, bewiesen werden sollen. Der Kläger legt dar, diesen Antrag nach dem Hinweis des LSG auf die beabsichtigte Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG ausdrücklich aufrechterhalten zu haben. Er hat damit jedoch keinen hinreichend konkreten Beweisantrag bezeichnet. Es fehlt in dem Antrag an einer konkreten Darlegung von dauerhaften, bisher nicht festgestellten Gesundheitsstörungen, die sich auf das verbliebene Leistungsvermögen negativ auswirken und damit für das Rentenverfahren von Bedeutung sind. Der Kläger hat insofern lediglich vorgetragen, dass sich die Bewegungseinschränkungen und Schmerzen an Hals- und Lendenwirbelsäule sowie an den Hüftgelenken seit Februar 2014 erheblich verschlechtert hätten. Das ist in dieser Allgemeinheit nicht hinreichend. Damit ist weder konkretisiert, welche vom LSG nicht berücksichtigten Beeinträchtigungen bestehen, noch ist dargelegt, dass das LSG sich zu weiteren Ermittlungen hätte gedrängt fühlen müssen. Zu näheren Erläuterungen hätte hier nicht zuletzt deshalb Anlass bestanden, weil der medizinische Sachverständige Dr. St. in seinem Gutachten vom 3.11.2016 die Notwendigkeit eines erneuten orthopädischen Gutachtens ausdrücklich verneint hat. Schließlich geht die Beschwerdebegründung auch nicht darauf ein, dass das LSG bei seiner Bewertung bereits eine Reihe qualitativer Leistungseinschränkungen auf orthopädischem Gebiet berücksichtigt hat.
Soweit der Kläger meint, das LSG sei nicht auf die von Dr. S. dargestellten Verschlechterungen der orthopädischen Gesundheitsstörungen eingegangen und hätte sich nicht auf das frühere orthopädische Gutachten von Dr. B. stützen dürfen, betrifft dies die Beweiswürdigung nach § 128 Abs 1 S 1 SGG, die aber nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG der Rüge im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entzogen ist. Hält das Gericht ein Gutachten für überzeugend, darf es sich diesem anschließen, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl BSG Beschluss vom 20.2.2018 - B 10 LW 3/17 B - Juris RdNr 8). Insoweit hätte es näheren Vortrags bedurft, weshalb nach den dem LSG vorliegenden Beweismitteln und den Ergebnissen seiner weiteren Ermittlungen - etwa aufgrund neu hinzugetretener, bisher unbeachtet gebliebener Gesundheitsstörungen - Fragen zum tatsächlichen und medizinischen Sachverhalt erkennbar offengeblieben sind und damit zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts zwingende Veranlassung bestanden haben soll. Die bloße Darstellung, weshalb aus Sicht des Klägers weitere Ermittlungen notwendig gewesen wären, entspricht diesem Erfordernis nicht (vgl BSG Beschluss vom 28.2.2017 - B 9 SB 88/16 B - Juris RdNr 8).
Soweit der Kläger weiter rügt, das LSG hätte seinem Antrag auf Einholung einer Auskunft der behandelnden Ärztin bzw ihres Praxisnachfolgers PD Dr. N. zu den aus der medikamentösen HIV-Behandlung resultierenden massiven Gesundheitsstörungen in Form von Schwindelerscheinungen, Kopfschmerzen, Magen-Darm-Problemen und erheblichen Schmerzen im Oberbauch sowie dem Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu stattgeben müssen, hat er ebenfalls keinen hinreichend konkreten Beweisantrag bezeichnet. Die genannten Beeinträchtigungen sind so allgemein formuliert, dass die daraus folgenden Leistungseinschränkungen nicht erkennbar sind. Der Kläger trägt auch insofern im Übrigen nicht hinreichend vor, warum das LSG sich zu der beantragten Beweisaufnahme hätte gedrängt fühlen müssen. Er bemängelt, das LSG habe sich auf die Angaben der Hausärztin Dr. S. gestützt, die aber die HIV-Behandlung nicht durchführe. Die Hausärztin hat sich in ihrer schriftlichen Aussage vom 10.9.2015 gegenüber dem LSG indes ausdrücklich auch zu den Nebenwirkungen der seit Sommer 2013 durchgeführten antiretroviralen HIV-Therapie verhalten. Die Leistungsfähigkeit des Klägers hat sie auf maximal drei Stunden täglich eingeschätzt. Warum allein die die HIV behandelnde Ärztin und nicht auch die Hausärztin verwertbare Angaben zu relevanten Leistungseinschränkungen machen können soll, begründet der Kläger nicht. Sofern sich das LSG auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. St. gestützt hat, trägt der Kläger vor, dieser habe ihn nicht nach körperlichen Beschwerden im Zusammenhang mit der HIV-Behandlung gefragt. Nicht dargelegt ist allerdings, warum eine solche gezielte Befragung angesichts der ausführlichen Beschreibungen der - auch körperlichen - Beschwerden des Klägers, die unter der Rubrik "Spezielle Anamnese und jetzige Beschwerden" im Gutachten festgehalten sind, erforderlich gewesen sein sollte. Auch insoweit hat das LSG im Übrigen Leistungseinschränkungen (keine Arbeiten im Schichtdienst) berücksichtigt, mit denen sich der Kläger nicht auseinandergesetzt hat.
Soweit der Kläger schließlich geltend macht, er hätte unter Umständen nach Durchführung der beantragten Beweiserhebungen Anlass gehabt, einen weiteren Beweisantrag zur Gesamtbegutachtung zu stellen, ist die Beschwerde bereits unzulässig, weil es an der Darlegung eines konkret vor dem LSG gestellten Beweisantrags fehlt.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13397721 |