Für das Verfahren auf Anordnung der Vollziehung des Bescheides des Beklagten vom 18. Juli 1989 ist der Gegenstandswert gesondert festzusetzen. Verfahren nach § 97 Abs 3 Satz 1 SGG können in rechtssystematischer Übereinstimmung damit, daß sie – wie zuvor aufgezeigt – bezüglich § 193 Abs 1 SGG eine selbständige Kostenentscheidung rechtfertigen und auf entsprechenden Antrag erfordern, auch für die Berechnung der Gebühren des Anwalts bei Verfahren iS des § 116 Abs 2 Satz 1 SGG nicht bloß als unselbständige Teile des Hauptsacheverfahrens behandelt werden. Sie sind vielmehr als davon getrennte “besondere Angelegenheiten” des Gebührenrechts einzustufen. Grundlage hierfür ist § 116 Abs 2 Satz 3 iVm § 40 BRAGO.
Nach § 116 Abs 2 Satz 3 BRAGO gelten in sozialgerichtlichen Verfahren für die Gebührenberechnung, die gemäß § 116 Abs 2 Satz 1 BRAGO nach dem Gegenstandswert erfolgt, die Vorschriften des Dritten Abschnitts der BRAGO sinngemäß Zu den Vorschriften dieses Abschnitts gehört die Regelung des § 40 Abs 1 BRAGO, kraft derer das Verfahren über einen Antrag auf Anordnung, Abänderung oder Aufhebung eines Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung “als besondere Angelegenheit” gilt. Als Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes (siehe oben) zählen Entscheidungen iS des § 97 Abs 3 Satz 1 SGG gehaltlich zu demselben Regelungsbereich wie die in § 40 Abs 1 BRAGO angeführten zivilprozeßrechtlichen Formen vorläufigen Rechtsschutzes. Sie gebührenrechtlich wie die Verfahren der §§ 916, 935, 940 der Zivilprozeßordnung (ZPO) als “besondere Angelegenheiten” gemäß § 40 Abs 1 BRAGO zu behandeln, erfüllt die gesetzliche Anweisung “sinngemäßer Geltung” in § 116 Abs 2 Satz 3 BRAGO.
Eine derartige Anwendung des § 40 BRAGO ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil § 1 16 Abs 2 BRAGO im Unterschied zu § 114 Abs 6 Satz 1 BRAGO die Regelung des § 40 BRAGO nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt. Hieraus ist (entgegen dem LSG Baden-Württemberg Die Justiz 1988, 438) nicht im Umkehrschluß abzuleiten, daß § 116 Abs 2 Satz 3 BRAGO die Regelung des § 40 BRAGO nicht mit umfaßt, die Verfahren nach § 97 Abs 3 Satz 1 SGG folglich gebührenrechtlich als Bestandteil der Hauptsache anzusehen sind und deshalb für sie ein Gegenstandswert nicht gesondert festzusetzen ist.
Die Bestimmung des § 114 BRAGO galt in ihrer ursprünglichen, auf dem Kostenrechts-Änderungsgesetz vom 26. Juli 1957 (BGBl I S 861) basierenden Fassung gleicherweise für die Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit. Bereits damals sah sie, wie auch noch heute in Abs 1, eine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Dritten Abschnitts der BRAGO vor und bestimmte darüber hinaus in den Abs 4 und 5, daß im Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung § 40 BRAGO, im Verfahren auf Aufhebung oder Aussetzung der Vollziehung oder auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dagegen § 49 Abs 1 BRAGO anzuwenden sei. § 116 BRAGO enthielt daneben als Besonderheit des sozialgerichtlichen Verfahrens die Regelung, daß die Vergütung nach Rahmengebühren statt nach Wertgebühren zu berechnen sei. Durch das Gebührenrechts-Änderungsgesetz vom 30. Juni 1965 (BGBl I S 577) wurde der Anwendungsbereich des § 114 BRAGO auf die Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit beschränkt; die für das sozialgerichtliche Verfahren nunmehr allein maßgebende Bestimmung des § 116 BRAGO blieb zunächst im wesentlichen unverändert. Der geltende Rechtszustand mit der Berechnung der Gebühren nach dem Gegenstandswert für bestimmte sozialgerichtliche Verfahren in § 116 Abs 2 BRAGO beruht auf dem Kostenänderungsgesetz vom 20. August 1975 (BGBl I S 2189), das zugleich durch eine Neufassung des § 114 Abs 4 BRAGO die unterschiedliche gebührenrechtliche Behandlung von Anfechtungs- und Vornahmesachen im verwaltungs- und finanzgerichtlichen Eilverfahren beseitigte. Die hierdurch eingeführte Neuerung ist von den nachfolgenden Änderungen, Umformulierungen und der Neufassung der §§ 114, 116 BRAGO durch das Gesetz zur Änderung von Kostengesetzen vom 9. Dezember 1986 (BGBl I S 2326; Art 3 Nrn 30 und 31), Gesetz zur Änderung der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 20. August 1990 (BGBl I S 1765; Art 1 Nr 2), Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 (BGBl I S 2809; Art 8 Nr 2), Gesetz zur Änderung der Finanzgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 21. Dezember 1992 (BGBl I S 2109; Art 3 Nr 1) sowie Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl I S 50; Art 11 Nr 2d) unberührt geblieben.
Die dargestellte Entwicklung zeigt, daß die in § 114 Abs 6 Satz 1 BRAGO enthaltene Verweisung auf § 40 BRAGO neben der allgemeinen Bezugnahme auf den Dritten Abschnitt der BRAGO in § 114 Abs 1 BRAGO keine eigenständige rechtliche Bedeutung hat, sondern dem Gesetzgeber lediglich dazu diente, die 1975 getroffene Neuregelung von dem vorher bestehenden Rechtszustand abzugrenzen. Eine entsprechende Klarstellung war für § 116 BRAGO nicht erforderlich, well hier eine dem § 114 Abs 4 und 5 BRAGO aF vergleichbare Regelung nicht gegolten hatte. Hinzu kommt, daß bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19. Oktober 1977 (BVerfGE 46, 166 = SozR 1500 § 198 Nr 1) der vorläufige Rechtsschutz im sozialgerichtlichen Verfahren praktisch keine Rolle spielte, weil die Möglichkeit einstweiliger Anordnungen im Gesetz nicht vorgesehen war und Verfahren nach § 97 SGG wegen der restriktiven Handhabung durch die Gerichte nur selten vorkamen.
Aus den Formulierungsunterschieden in § 114 Abs 6 und § 116 Abs 2 BRAGO kann nach alledem nicht auf eine vom Gesetzgeber gewollte abweichende Handhabung bei der gebührenrechtlichen Einordnung der Maßnahmen vorläufigen Rechtsschutzes im Sozialgerichtsprozeß einerseits und im Verwaltungs- und Finanzgerichtsprozeß andererseits geschlossen werden. Maßnahmen des vorläufigen sozialgerichtlichen Rechtsschutzes in Verfahren, die gemäß § 116 Abs 2 Satz 1 BRAGO nach dem Gegenstandswert zu berechnen sind, sind daher grundsätzlich gemäß § 116 Abs 2 Satz 3, § 40 Abs 1 BRAGO als besondere Angelegenheiten zu behandeln. Für einstweilige Anordnungen in entsprechender Anwendung des § 123 VwGO ist dies allgemein anerkannt (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert BRAGO Komm 11. Aufl 1991 § 116 RdNr 6; Hartmann/Albers Kostengesetze Komm 24. Aufl 1991 § 116 BRAGO Anm 2 I A; Peters/Sautter/Wolff Komm zur Sozialgerichtsbarkeit 4. Aufl Stand Juli 1993 Anm zu § 116 BRAGO letzter Absatz; Zeihe SGG Komm 5. Aufl Stand Juli 1991 § 97 Abs 2 RdNr 20a, 22p kk; Husmann SGb 1987, 442, 453; Schuwerack SozVers 1980, 29, 30; Wilde/Homann NJW 1981, 1070, 1072). Für Entscheidungen iS des § 97 Abs 3 Satz 1 SGG gilt nichts anderes (im Ergebnis gleich LSG Nordrhein-Westfalen Breith 1988, 78, 79, und SG Detmold Rpfleger 1989, 524).
Für die Höhe des Gegenstandswertes hält der Senat einen Anteil von 25 % des Gegenstandswertes der Hauptsache, dh im vorliegenden Fall des Revisionsverfahrens, für angemessen. Aufgrund der Festsetzung des Wertes für das Revisionsverfahren mit 71.425,- DM ist der Gegenstandswert für das Verfahren über den Antrag auf Anordnung der Vollziehung des Bescheides vom 18. Juli 1989 auf 17.856,- DM festzusetzen.