Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. September 2020 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2026,15 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Eine bei der beklagten Krankenkasse (KK) Versicherte unterzog sich im klagenden Krankenhaus (im Folgenden: Krankenhaus) einer stationär durchgeführten Krampfaderoperation mit postoperativer Redon-Drainage zur Absaugung von Wundsekret im Operationsgebiet. Sie verblieb zur weiteren Beobachtung über Nacht im Krankenhaus (4. - 5.5.2015). Die durchgeführte Operation ist im "Katalog ambulant durchführbarer Operationen und sonstiger stationsersetzender Eingriffe gemäß § 115b SGB V im Krankenhaus" aufgeführt. Die KK zahlte zunächst die Fallpauschale F39B (Unterbindung und Stripping von Venen ohne beidseitigen Eingriff, ohne bestimmte Diagnose, ohne äußerst schwere oder schwere CC; 1726,15 Euro). Im von der KK eingeleiteten Prüfverfahren verneinte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung die stationäre Behandlungsbedürftigkeit. Die KK rechnete daraufhin den gezahlten Betrag mit unstreitigen Forderungen auf. Das SG hat nach Einholung eines die stationäre Behandlungsbedürftigkeit bejahenden Sachverständigengutachtens die KK zur Zahlung von 1726,15 Euro (Vergütung) nebst Zinsen und von weiteren 300 Euro (Aufwandspauschale) verurteilt. Die stationäre Behandlungsbedürftigkeit ergebe sich aus der Nachblutungsgefahr. Hierüber haben die Beteiligten auch im Berufungsverfahren gestritten. Auf die Berufung der KK hat das LSG das SG-Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, dem Krankenhaus habe für die Krampfaderoperation kein Vergütungsanspruch zugestanden. Es könne offenbleiben, ob eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen habe. Nach der Rspr des BSG (Hinweis ua auf BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R - juris; BSG vom 16.5.2012 - B 3 KR 14/11 R - BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 34) müssten Krankenhäuser in Fällen, in denen es - wie hier - um eine dem "Vertrag nach § 115b Abs. 1 SGB V - Ambulantes Operieren und stationsersetzende Eingriffe im Krankenhaus - (AOP-Vertrag)" unterfallende Maßnahme gehe, auch Angaben zu den Gründen für die ausnahmsweise stationäre Behandlung machen. Das Krankenhaus habe dies nicht getan. Der Vergütungsanspruch sei deshalb ebenso zu verneinen wie der Anspruch auf eine Aufwandspauschale (Urteil vom 8.9.2020).
Das klagende Krankenhaus wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels (dazu 1.) und der grundsätzlichen Bedeutung (dazu 2.).
1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN; BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Daran fehlt es.
Das Krankenhaus legt den von ihm gerügten Verstoß seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG; vgl ferner Art 47 Abs 2 Charta der Grundrechte der EU, Art 6 Abs 1 Europäische Menschenrechtskonvention) in Gestalt einer Überraschungsentscheidung nicht in der gebotenen Weise dar. Ein Urteil darf nicht auf tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte gestützt werden, die bisher nicht erörtert worden sind, wenn dadurch der Rechtsstreit eine unerwartete Wendung nimmt, mit der auch ein gewissenhafter Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Verfahrensverlauf selbst unter Berücksichtigung der Vielzahl vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen braucht (vgl nur BVerfG ≪Kammer≫ vom 12.6.2003 - 1 BvR 2285/02 - BVerfGK 1, 211 = juris RdNr 11; BVerfG ≪Kammer≫ vom 5.4.2012 - 2 BvR 2126/11 - NJW 2012, 2262 = juris RdNr 18 mwN; BSG vom 22.4.2015 - B 3 P 8/13 R - BSGE 118, 239 = SozR 4-3300 § 23 Nr 7, RdNr 37 mwN). Es gibt hingegen keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung leitenden Gründe zuvor mit den Beteiligten zu erörtern (vgl BSG vom 21.6.2000 - B 5 RJ 24/00 B - SozR 3-1500 § 112 Nr 2 S 3 mwN; BSG vom 18.6.2018 - B 9 V 1/18 B - juris RdNr 22). Denn diese würde eine tatsächliche und rechtliche Würdigung voraussetzen, die sich regelmäßig erst aufgrund einer abschließenden Beratung des Gerichts ergeben kann (vgl BSG vom 26.7.2016 - B 4 AS 47/15 R - BSGE 122, 25 = SozR 4-1500 § 114 Nr 2, RdNr 35).
Ein Beschwerdeführer, der die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unter dem Gesichtspunkt der Überraschungsentscheidung durch eine nicht vorhersehbare Rechtsauffassung rügt, muss nicht nur ausführen, zu welcher Rechtsauffassung des Gerichts er sich nicht habe äußern können, sondern auch Ausführungen dazu machen, welches Vorbringen des Rechtsuchenden dadurch verhindert worden sei und inwiefern das Urteil auf diesem Sachverhalt beruhe (vgl allgemein zu den Anforderungen an die Darlegung eines Gehörsverstoßes zB BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36; BSG vom 3.11.2014 - B 12 KR 48/14 B - juris RdNr 13; speziell zur Gehörsrüge unter dem Aspekt der Überraschungsentscheidung BSG vom 25.7.2017 - B 11 AL 23/17 B - juris RdNr 6).
Dem genügt die Beschwerdebegründung nicht. Hierbei kann der Senat das Vorbringen des Krankenhauses zugrunde legen, dass das LSG in der mündlichen Verhandlung die tragenden Gründe seines Urteils überhaupt nicht mit den Beteiligten erörterte. Denn das Krankenhaus zeigt aber nicht auf, dass die von ihm benannten Umstände eine nicht vorhersehbare Wendung des bisherigen Rechtsstreits darstellten.
Das Krankenhaus macht im Kern geltend, dass es rechtzeitig und vollständig alle nach § 301 SGB V vorgegebenen Daten übermittelt habe. Hierzu gehöre nicht die Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit. Zudem sei ein solcher Freitext im Datenübermittlungsverfahren aus technischen Gründen nicht möglich und die entsprechenden Angaben seien in der Datenübermittlungsvereinbarung nicht vorgesehen. Im Zusammenhang mit seinen Ausführungen zur grundsätzlichen Bedeutung versucht das Krankenhaus - zu Unrecht - ferner aufzuzeigen, dass das LSG sich hinsichtlich der Informationsobliegenheiten und -pflichten der Krankenhäuser im Falle von AOP-Leistungen nicht auf einschlägige Rechtsprechung des BSG gestützt habe. Zu diesen gebotenen Informationen gehört es nach stRspr des BSG ua, dass das Krankenhaus in Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend ist, nicht nur eine Aufnahmediagnose benennt, die die ärztliche Behandlung rechtfertigen kann, sondern Angaben zu Gründen macht, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten hätten geben können (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 16; BSG vom 14.10.2014 - B 1 KR 27/13 R - BSGE 117, 82 = SozR 4-2500 § 109 Nr 40, RdNr 21; BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R - juris RdNr 11; BSG vom 23.6.2015 - B 1 KR 26/14 R - BSGE 119, 150 = SozR 4-5560 § 17c Nr 3, RdNr 36; vgl auch BSG vom 26.9.2017 - B 1 KR 37/17 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 37, RdNr 5). Das BSG hat ferner entschieden, dass die vertraglich vereinbarten Datenübermittlungsvorschriften gemäß § 301 Abs 3 SGB V zur Ausgestaltung der Übermittlungserfordernisse nach § 301 Abs 1 SGB V dem nicht entgegenstehen. So lange die Vertragspartner des § 301 Abs 3 SGB V die erforderlichen Vordrucke noch nicht angepasst haben, kann dies in entsprechender Anwendung des § 301 Abs 1 Satz 2 SGB V durchaus auf dem Weg geschehen, dass erforderliche Angaben in nicht maschinenlesbarer Form erfolgen, also zB durch separates Anschreiben, Fax oder E-Mail (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 17).
Insoweit ist nichts dafür ersichtlich, dass das LSG von dieser Rspr, auf die es sich zum Teil ausdrücklich berufen hat, abweichen wollte. Ein gewissenhafter Prozessbeteiligter muss damit rechnen, dass sich ein Berufungsgericht dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung anschließt.
Auf die hier weiter maßgebliche, vom LSG nicht beachtete stRspr des BSG zu den rechtlichen Folgen und zur Nachholbarkeit unterlassener Informationsobliegenheiten und -pflichten (dazu 2.) geht das Krankenhaus dagegen nicht ein.
2. Wer sich - wie hier das Krankenhaus - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 26.5.2020 - B 1 KR 14/19 B - juris RdNr 4 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 f mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.
Das Krankenhaus formuliert keine Rechtsfrage. Es geht auch nicht auf die Rspr des Senats zu den Fälligkeitsvoraussetzungen des Vergütungsanspruchs und der Nachholung unterlassener Informationsobliegenheiten und -pflichten ein.
Nach stRspr des BSG ist eine ordnungsgemäße Information der KK über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf -pflichten nur Voraussetzung für den Eintritt der Fälligkeit eines bereits entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung, nicht aber Voraussetzung für die Entstehung des Anspruchs selbst (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 13; BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R - juris RdNr 10). Eine nach § 301 SGB V gebotene, aber zunächst unterlassene Information wird dadurch nachgeholt und die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs dadurch begründet, dass das Krankenhaus zu einem späteren Zeitpunkt, insbesondere im Gerichtsverfahren die Angaben schriftsätzlich nachholt oder sich geeignete Angaben Dritter, insbesondere Ausführungen in Gerichtsgutachten, zu eigen macht und es insoweit keiner mit den neuen Angaben zu erstellenden Rechnung bedarf, um die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs herbeizuführen (vgl BSG vom 21.3.2013 - B 3 KR 28/12 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 29 RdNr 18 f; BSG vom 21.4.2015 - B 1 KR 10/15 R - juris RdNr 12; BSG vom 9.4.2019 - B 1 KR 3/18 R - BSGE 128, 54 = SozR 4-1780 § 161 Nr 3, RdNr 22).
Das Krankenhaus zeigt nicht auf, dass trotz dieser Rspr eine Klärungsbedürftigkeit fortbesteht. Es legt vielmehr lediglich dar, warum aus seiner Sicht die Entscheidung des LSG unzutreffend sei. Die - hier im Ergebnis zutreffende - Behauptung einer fehlerhaften Rechtsanwendung des LSG kann nicht zur Zulassung der Revision führen. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (stRspr; vgl BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18; BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - juris RdNr 21; BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6).
3. Das Vorbringen des Krankenhauses erfüllt auch nicht die Darlegungsvoraussetzungen für eine sinngemäß erhobene Divergenzrüge. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14800527 |