Verfahrensgang
SG Karlsruhe (Entscheidung vom 31.10.2022; Aktenzeichen S 7 KR 1636/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 27.06.2023; Aktenzeichen L 11 KR 3426/22) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
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Streitig ist die Erstattung von Kosten für eine zahnärztliche Behandlung.
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Die 1979 geborene Klägerin ist bei der beklagten Krankenkasse versichert. Ihr behandelnder Zahnarzt erstellte am 3.7.2018 und 24.7.2018 Heil- und Kostenpläne für eine Wurzelbehandlung und eine Wurzelspitzenresektion jeweils am Zahn 25. Die Behandlungen erfolgten am 6.7.2018, 16.7.2018 und 30.7.2018. Der Zahnarzt stellte die Kosten für diese Behandlungen der Klägerin in Rechnung. Die Klägerin ist mit ihrem per E-Mail vom 16.9.2018 gestellten Antrag auf Übernahme bzw Erstattung der Kosten in Höhe von 1667,58 Euro gemäß Zahnarztrechnung vom 14.9.2018 bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, die Klägerin habe weder den Beschaffungsweg eingehalten noch habe ein entsprechender Primärleistungsanspruch bestanden(Urteil vom 27.6.2023) .
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Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.
II
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Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung der geltend gemachten Revisionszulassungsgründe des Verfahrensmangels(dazu 1.) und der Divergenz(dazu 2.) . Die Richtigkeit der Entscheidung des LSG ist nicht Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens(dazu 3.) .
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1. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 Satz 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen(vgl zBBSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36 mwN;BSG vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN) .
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Wer sich auf eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG stützt, muss ua einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, aufgrund der bestimmte Tatsachen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen und die von dem betreffenden Beweisantrag berührten Tatumstände darlegen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten(stRspr; vgl zBBSG vom 20.7.2010 - B 1 KR 29/10 B - juris RdNr 5 mwN;BSG vom 1.3.2011 - B 1 KR 112/10 B - juris RdNr 3 mwN;BSG vom 14.10.2016 - B 1 KR 59/16 B - juris RdNr 5 ) .
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Hierzu gehört die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat(vgl zBBSG vom 14.6.2005 - B 1 KR 38/04 B - juris RdNr 5 ;BSG vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN) . Der Tatsacheninstanz soll dadurch vor Augen geführt werden, dass der Betroffene die gerichtliche Sachaufklärungspflicht noch nicht als erfüllt ansieht. Der Beweisantrag hat Warnfunktion(vglBSG vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 - SozR 1500 § 160 Nr 67;BSG vom 10.4.2006 - B 1 KR 47/05 B - juris RdNr 9 mwN;BSG vom 1.2.2013 - B 1 KR 111/12 B - RdNr 8 ) . Die Warnfunktion des Beweisantrags entfällt, wenn Beweisantritte lediglich in der Berufungsschrift oder sonstigen Schriftsätzen enthalten sind(vglBSG vom 17.12.2020 - B 1 KR 84/19 B - juris RdNr 5 ;BSG vom 26.4.2021 - B 1 KR 52/20 B - juris RdNr 5 ) . Wird ein Rechtsstreit - wie hier - ohne mündliche Verhandlung(§ 153 Abs 1 ,§ 124 Abs 2 SGG ) entschieden, tritt an die Stelle des Schlusses der mündlichen Verhandlung der Zeitpunkt der Zustimmung zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäߧ 124 Abs 2 SGG(BSG vom 1.9.1999 - B 9 V 42/99 B - SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4) .
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Die Klägerin rügt, dass das LSG im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht verpflichtet gewesen sei, den behandelnden Zahnarzt zu befragen und ein medizinisches Sachverständigengutachten zur Erhaltungsbedürftigkeit und Erhaltungswürdigkeit des Zahns einzuholen. Aus diesem Vorbringen ergibt sich bereits nicht die Stellung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrages im Berufungsverfahren. Sollte die durch einen Rechtsanwalt in der Berufungsinstanz vertretene Klägerin einen Beweisantrag gestellt haben, hätte sich dieser durch die vorbehaltlose Zustimmung der Klägerin zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erledigt(vglBSG vom 1.9.1999 - B 9 V 42/99 B - SozR 3-1500 § 124 Nr 3 S 4 f;BSG vom 11.11.2020 - B 3 KR 33/20 B - juris RdNr 9 ) .
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2. Wer sich auf den Zulassungsgrund der Divergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) beruft, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze im Urteil des Berufungsgerichts einerseits und in einem Urteil des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und Ausführungen dazu machen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen und das Berufungsurteil auf dieser Divergenz beruht(vgl zBBSG vom 19.9.2007 - B 1 KR 52/07 B - juris RdNr 6 ;BSG vom 9.5.2018 - B 1 KR 55/17 B - juris RdNr 8 ; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Darlegungsanforderungen vgl BVerfG ≪Dreierausschuss≫ vom 8.9.1982 - 2 BvR 676/81 - juris RdNr 8) . Hier fehlt es bereits an der Gegenüberstellung von Rechtssätzen.
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3. Soweit die Klägerin geltend macht, SG und LSG seien rechtsirrig ihrer Auffassung zur Erhaltungsfähigkeit und Erhaltungswürdigkeit und damit zum Bestehen eines Anspruchs auf Wurzelbehandlung des Zahns 25 zu Lasten der Beklagten nicht gefolgt, wird damit kein Grund für die Zulassung der Revision(§ 160 Abs 2 SGG ) dargelegt. Die Frage, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat, ist nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde(stRspr; vglBSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7;BSG vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18;BSG vom 31.10.2012 - B 13 R 107/12 B - juris RdNr 21 ;BSG vom 17.7.2020 - B 1 KR 34/19 B - juris RdNr 6 ) .
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .
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Scholz |
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Bockholdt |
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Matthäus |
Fundstellen
Dokument-Index HI16612035 |