Verfahrensgang
SG Chemnitz (Entscheidung vom 01.10.2018; Aktenzeichen S 39 R 1491/17) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 25.06.2020; Aktenzeichen L 4 R 647/18) |
Tenor
Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 25. Juni 2020 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Die im Streit befindliche Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung wurde von dem beklagten Rentenversicherungsträger im Verwaltungsverfahren abgelehnt. Auch vor dem SG und dem LSG ist die Klägerin insoweit erfolglos geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 1.10.2018 und Urteil des LSG vom 25.6.2020).
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde an das BSG. Sie rügt das verfahrensfehlerhafte Übergehen eines Beweisantrags durch das Berufungsgericht (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) und hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigen beantragt.
II
1. Der PKH-Antrag der Klägerin ist abzulehnen.
Nach § 73a Abs 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) iVm § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Für die Bewilligung von PKH und die damit verbundene Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision ist nach der Rechtsprechung des BSG und der anderen obersten Gerichtshöfe des Bundes Voraussetzung, dass sowohl der (grundsätzlich formlose) Antrag auf PKH als auch die "Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" (im Folgenden: Erklärung) auf dem dafür vorgeschriebenen Erklärungsformular (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 117 Abs 2 bis 4 ZPO) bis zum Ablauf der Beschwerdefrist eingereicht werden.
Dies ist hier nicht geschehen. Zwar ist der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von PKH innerhalb der Beschwerdefrist, die für die Klägerin mit Ablauf des 3.8.2020 geendet hat (§ 160a Abs 1 Satz 2, § 64 Abs 2 und 3, § 87 Abs 1 Satz 2 SGG), beim BSG eingegangen. Die Erklärung hat die Klägerin dem BSG indessen nicht vorgelegt, obwohl sie in den Erläuterungen zur PKH im Urteil des LSG ausdrücklich darüber belehrt worden ist und sie die Übersendung der Erklärung in dem Beschwerdeschriftsatz ausdrücklich angekündigt hat. Anhaltspunkte für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 SGG) sind nicht ersichtlich.
Da der Klägerin keine PKH zusteht, kann sie auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO).
Unabhängig davon hat der PKH-Antrag auch bereits deswegen keine Erfolgsaussicht, weil die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist (dazu unter 2).
2. Es mangelt an einer den Formerfordernissen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entsprechenden Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Sie macht ausschließlich geltend, die angegriffene Entscheidung des LSG beruhe auf einem Verfahrensmangel (Revisionszulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG), weil das Berufungsgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt sei.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.2018 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Ein entscheidungserheblicher Mangel des Berufungsverfahrens wird nur dann substantiiert bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung vom 31.8.2020 nicht gerecht.
Sie genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, weil die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen ist lediglich zu entnehmen, dass ein Gutachten der Frau Dipl.-Med. H. vorliege, das dem Klageantrag entspreche. Insbesondere werde dort dargelegt, dass die Klägerin für den streitigen Zeitraum von vier Monaten nicht in der Lage gewesen sei, länger als drei Stunden zu arbeiten. Hieraus lässt sich nur erahnen, dass die Klägerin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung begehrt. Unklar bleibt allerdings, für welchen Zeitraum dies erfolgen soll, durch welche Verwaltungsentscheidungen für welchen Zeitraum oder gänzlich die Leistung abgelehnt worden ist - immerhin geht es wohl um die Überprüfung einer solchen Verwaltungsentscheidung - und auf Grundlage welcher medizinischen Ermittlungen die Ablehnung ggf erfolgt ist. Ferner kann der Beschwerdebegründung nicht entnommen werden, wann die Klägerin einen Beweisantrag welchen Inhalts gestellt haben will. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestanforderungen an die Darlegung bzw Bezeichnung eines Revisionszulassungsgrundes. "Bezeichnet" ist der Verfahrensmangel noch nicht, wenn vereinzelt Sachverhaltselemente herausgegriffen werden und anhand dieser der behauptete Verfahrensmangel diskutiert wird, sondern nur dann, wenn er in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan wird. Denn das Beschwerdegericht muss sich bereits anhand der Beschwerdebegründung ein Urteil darüber bilden können, ob die geltend gemachten Tatsachen - ihre Richtigkeit unterstellt - es als möglich erscheinen lassen, dass das Urteil darauf beruhe (BSG Beschluss vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14 - juris RdNr 3; s auch BSG Beschluss vom 10.10.2017 - B 13 R 234/17 B - juris RdNr 5).
Das Begründungserfordernis dient dem Ziel, die Revisionsgerichte zu entlasten und im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten eine sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens zu gewährleisten (BSG Beschluss vom 24.2.1992 - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 - juris RdNr 3 f; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 9; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 292). Diesem Ziel wird die zuvor beschriebene Sachverhaltsdarstellung nicht gerecht. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil selbst herauszusuchen.
Zudem gilt, dass die Rüge der unzureichenden Sachaufklärung durch das LSG folgende Punkte enthalten muss: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 28.2.2018 - B 13 R 73/16 B - juris RdNr 9 mwN).
Hierzu gehört nach ständiger Rechtsprechung des BSG ferner die Darlegung, dass ein anwaltlich vertretener Beteiligter einen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt und noch zumindest hilfsweise aufrechterhalten hat (vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 21.2.2018 - B 13 R 28/17 R, B 13 R 285/17 B - juris RdNr 14 mwN). Weder letzteres, noch zu den zuvor aufgeführten Punkten 1 bis 4 finden sich Ausführungen in der Beschwerdebegründung.
Die nach Auffassung der Klägerin unzutreffende Würdigung ihres Leidens begründet ebenfalls keine Revisionszulassung. Allein die behauptete inhaltliche Unrichtigkeit eines Urteils rechtfertigt die Zulassung nicht (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN). Dies gilt auch, wenn sich die Klägerin gegen die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts wenden sollte. § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG entzieht die Beweiswürdigung vollständig der Beurteilung durch das Revisionsgericht. Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde weder unmittelbar noch mittelbar angegriffen werden (BSG Beschluss vom 8.5.2017 - B 9 V 78/16 B - juris RdNr 15 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI14206863 |