Verfahrensgang
SG für das Saarland (Entscheidung vom 22.05.2018; Aktenzeichen S 13 AS 587/15) |
LSG für das Saarland (Urteil vom 08.03.2022; Aktenzeichen L 4 AS 52/18) |
Tenor
Die Beschwerden der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 8. März 2022 werden als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerden sind unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) noch ein Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerden sind daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 SGG).
1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
Daran fehlt es im vorliegenden Fall. Die Kläger werfen die Frage auf, ob "im Rahmen des § 12 SGB II bei der Bestimmung der Größe eines Hauses eine aufgrund des baulichen Zustands tatsächlich nicht nutzbare Fläche als Wohnfläche mitzuzählen" ist. Die Kläger legen aber nicht hinreichend dar, dass diese Frage klärungsbedürftig ist. Der Hinweis auf das auch vom LSG bereits zitierte Urteil des BSG vom 12.12.2013 (B 14 AS 90/12 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 22) reicht nicht aus. Die Kläger hätten sich vielmehr insgesamt mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zu § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II auseinandersetzen müssen. Dies gilt insbesondere für das Urteil des BSG vom 12.7.2012 (B 14 AS 158/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 20). Hier hat das BSG entschieden, dass bei der Beurteilung der Angemessenheit von der Gesamtwohnfläche eines Hauses auszugehen sei und nicht nur von dem vom dortigen Kläger bewohnten Teil des Hauses. Dies folge aus der Stellung des dortigen Klägers als Eigentümer des gesamten Hausgrundstücks, die durch das Wohnrecht zugunsten Dritter zwar hinsichtlich der Nutzung, nicht aber der Verwertung des Grundstücks eingeschränkt sei (BSG vom 12.7.2012 - B 14 AS 158/11 R - SozR 4-4200 § 12 Nr 20 RdNr 13). Das BSG hat also nicht auf die Nutzbarkeit, sondern auf die Verwertbarkeit des Grundstücks abgestellt. Warum sich hieraus nicht ohne Weiteres der Schluss ziehen lässt, dass es unerheblich ist, ob ein Teil des Hauses aufgrund seines baulichen Zustands nicht sofort zu Wohnzwecken genutzt werden könnte, tragen die Kläger nicht vor. Im Übrigen ist auch die Entscheidungserheblichkeit nicht ausreichend dargelegt, vor dem Hintergrund, dass das LSG nach den Ausführungen in der Beschwerde von einer tatsächlichen Wohnfläche ausgegangen ist, die den Wert von 143 m2 um mehr als das Doppelte überschreitet. Bei dieser nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Beweiswürdigung des LSG bleibt offen, warum es auf die aufgeworfene Rechtsfrage ankommen soll.
2. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 SGG (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Wer eine Nichtzulassungsbeschwerde auf diesen Zulassungsgrund stützt, muss zu seiner Bezeichnung (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) die diesen Verfahrensmangel des LSG (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dartun, also die Umstände schlüssig darlegen, die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (stRspr; siehe bereits BSG vom 29.9.1975 - 8 BU 64/75 - SozR 1500 § 160a Nr 14; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160a RdNr 16 mwN). Darüber hinaus ist aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung - ausgehend von der Rechtsansicht des LSG - auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 - 10 BV 109/79 - SozR 1500 § 160a Nr 36).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Kläger rügen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) dadurch, dass das LSG in seinen Entscheidungsgründen nicht auf den Hinweis in ihrem Schriftsatz vom 6.3.2022 eingegangen sei, dass es sich bei der Bewilligung für den Zeitraum November 2011 bis April 2012 um eine vorläufige Bewilligung gehandelt habe, die deswegen nicht aufgehoben, sondern nur durch eine endgültige Festsetzung hätte ersetzt werden dürfen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 [295 f] mwN; BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [145]; BVerfG vom 8.7.1997 - 1 BvR 1621/94 - BVerfGE 96, 205 [216 f]; BVerfG ≪Kammer≫ vom 26.9.2012 - 2 BvR 938/12 - BVerfGK 20, 53 [57] mwN; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6). Um eine Verletzung des Gehörsanspruchs durch Nichtberücksichtigung von Beteiligtenvortrag annehmen zu können, müssen im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (BVerfG vom 22.11.1983 - 2 BvR 399/81 - BVerfGE 65, 293 [295 f] mwN; BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [145]; BVerfG ≪Kammer≫ vom 17.12.1998 - 2 BvR 1556/98 - juris RdNr 10; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6). Geht das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage nicht ein, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vortrags schließen, sofern er nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert war (BVerfG vom 19.5.1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 [145]; BVerfG ≪Kammer≫ vom 17.12.1998 - 2 BvR 1556/98 - juris RdNr 10; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG ≪Kammer≫ vom 8.2.2021 - 1 BvR 242/21 - juris RdNr 6; aus der Rechtsprechung des Senats etwa BSG vom 31.8.2021 - B 11 AL 31/21 B - juris RdNr 6). Für Rechtsausführungen gilt dies entsprechend (BSG vom 21.12.2021 - B 11 AL 61/21 B - juris RdNr 4).
Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Gehörsverletzung nicht hinreichend dargetan. Dass das Vorbringen der Kläger aus ihrem Schriftsatz vom 6.3.2022 von entscheidungserheblicher Bedeutung gewesen und deswegen zwingend in den Entscheidungsgründen zu würdigen gewesen wäre, lässt sich der Beschwerdebegründung nicht entnehmen. Der dortige Hinweis auf das Urteil des BSG vom 29.4.2015 (B 14 AS 31/14 R - SozR 4-4200 § 40 Nr 9) reicht nicht aus, da es dort um eine andere Konstellation ging. Jenes Urteil betraf die Änderung einer vorläufigen Bewilligung durch eine weitere, sich hinsichtlich der Leistungshöhe unterscheidende vorläufige Bewilligung. Das BSG sah hierfür keine Rechtsgrundlage, da der ursprüngliche Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung weggefallen sei, sodass eine endgültige Festsetzung hätte erfolgen müssen. Im vorliegenden Fall wurde die vorläufige Bewilligung aber vollständig aufgehoben, weil es bereits dem Grunde nach an einem Leistungsanspruch fehlte. Warum in diesem Fall die vorläufige Bewilligung nicht hätte (endgültig) aufgehoben, sondern nur durch eine endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs "auf Null" hätte ersetzt werden dürfen, lässt sich dem Beschwerdevorbringen nicht entnehmen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG.
Meßling |
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Burkiczak |
Fundstellen
Dokument-Index HI15581812 |