Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Alterssicherung der Landwirte. Hofabgabe (weiterhin) geeignet für Strukturwandel in der Landwirtschaft. Verfassungsmäßigkeit. keine neuerlichen Bedenken aufgrund Gesetzentwurf vom 8.10.2015
Orientierungssatz
1. Die Rechtsfragen, ob § 11 iVm § 21 ALG mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG vereinbar sind, ob der Gesetzgeber insoweit seiner Verpflichtung, die Hofabgabeklausel auf ihre Geeignetheit zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hin zu überprüfen, nachgekommen ist und ob die Hofabgabeklausel heute noch geeignet ist, das gesetzgeberische Ziel des Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen, sind nicht (erneut) klärungsbedürftig geworden.
2. Die Beratungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 8.10.2015 = BT-Drucksache 18/6284 unter Hinweis auf die im Rahmen der Ausschussberatungen eingeholte neuerliche Stellungnahme des Dr Mehl vom 16.10.2015 = Ausschussdrucksache 18(11)453 enthalten keine neuerlichen Argumente für eine Unvereinbarkeit der Hofabgabeklausel mit Art 3 Abs 1 GG.
Normenkette
SGG § 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nr. 1; ALG § 11 Abs. 1 Nr. 3, § 21; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Streitig ist die Gewährung einer Regelaltersrente (RAR) nach § 11 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) ohne Abgabe des Unternehmens der Landwirtschaft (§ 11 Abs 1 Nr 3, § 21 ALG).
Der 1947 geborene Kläger ist verheiratet und bewirtschaftete als Landwirt von August 1968 bis Dezember 1994 sowie aktuell seit dem 15.5.2013 ein landwirtschaftliches Unternehmen, welches die Mindestgröße im Sinne von § 1 Abs 5 ALG erreicht. Seit dem 1.12.2012 bezieht er eine Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund. Sein Antrag auf RAR wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 29.1.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.7.2014 abgelehnt, weil der Kläger sein Unternehmen nicht abgegeben habe. Die anschließende Klage und Berufung des Klägers sind ohne Erfolg geblieben (Gerichtsbescheid des SG vom 27.1.2015; Urteil des LSG vom 1.12.2015).
Mit seiner am 10.2.2016 eingelegten Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG, welches ihm am 25.1.2016 zugestellt wurde, und macht als Zulassungsgrund eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
II. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG).
Nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Beschwerdebegründung muss diese grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt werden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Hierzu ist zunächst anzugeben, welcher bestimmten Rechtfrage grundsätzliche Bedeutung beigemessen wird (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11), denn die Zulassung der Revision erfolgt zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen und nicht zur weiteren Entscheidung des Rechtstreits. Die Rechtsfrage ist so klar zu formulieren, dass an ihr die weiteren Voraussetzungen für die begehrte Revisionszulassung nach § 160 Abs 2 Nr 1 SGG geprüft werden können (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX, RdNr 181). Des Weiteren ist es erforderlich auszuführen, inwiefern die Klärung dieser Rechtsfrage grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (sogenannte Breitenwirkung). Die Rechtsfrage darf sich nicht auf den Einzelfall in dem Sinne beschränken, ob das LSG nach unrichtigen rechtlichen Maßstäben entschieden habe (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7; Krasney/Udsching, aaO, RdNr 58).
Ferner hat der Beschwerdeführer darzutun, dass die Rechtsfrage klärungsbedürftig ist. Die Klärungsbedürftigkeit ist zu verneinen, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65), wenn die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz zu ersehen ist (vgl BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7), wenn sie so gut wie unbestritten ist (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17), wenn sie praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 40 = SozR 1500 § 160a Nr 4) oder wenn sich für die Antwort in vorhandenen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8; Kummer, die Nichtzulassungsbeschwerde, 2. Aufl 2010, RdNr 313 ff; Krasney/Udsching, aaO, RdNr 66). Falls zu der Rechtsfrage schon Rechtsprechung eines obersten Bundesgerichts oder des BVerfG vorliegt, kommt es darauf an, ob sie erneut klärungsbedürftig geworden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn im neueren Schrifttum bislang noch nicht berücksichtigte Argumente angeführt oder sonst erhebliche Einwände vorgebracht werden (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; Nr 23 S 42; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f, jeweils mwN). Eine Rechtsfrage kann auch dann wieder klärungsbedürftig werden, wenn sich im Geltungsbereich einer unveränderten gesetzlichen Bestimmung die tatsächlichen Verhältnisse grundlegend geändert haben (siehe Kummer, aaO, RdNr 320). Das folgt auch daraus, dass nach der Rechtsprechung des BVerfG eine ursprünglich verfassungsmäßige Norm wegen Veränderungen der maßgeblichen Umstände als verfassungswidrig beurteilt werden kann (BVerfGE 59, 336, 357; BVerfGE 97, 251, 293).
Schließlich ist zu begründen, inwiefern die Frage klärungsfähig, mithin rechtserheblich ist, dass also hierzu eine Entscheidung des Revisionsgerichts zu erwarten ist (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 1; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16).
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Der Kläger hat folgende auf die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Hofabgabeklausel als Anspruchsvoraussetzung für die RAR (vgl § 11 Abs 1 Nr 3 ALG) abzielende Frage als klärungsbedürftig bezeichnet: |
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"Sind die Vorschriften der § 11 i.V.m § 21 ALG mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar? Ist der Gesetzgeber insofern seiner Verpflichtung, die Hofabgabeklausel auf ihre Geeignetheit zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hin zu überprüfen, nachgekommen? Kann die Hofabgabeklausel heute noch geeignet sein, das gesetzgeberische Ziel des Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen?" |
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Der Kläger will damit eine revisionsgerichtliche Prüfung und Entscheidung über die Frage erreichen, ob die Verpflichtung zur Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 11 Abs 1 Nr 3 und § 21 ALG - nach wie vor - eine wirksame Voraussetzung für den Anspruch auf RAR ist oder ob sie wegen Verstoßes gegen die genannte Vorschrift des GG verfassungswidrig und damit unwirksam ist. Unter Benennung umfangreicher Rechtsprechung des BSG sowie des BVerfG hält er eine Klärungsbedürftigkeit für gegeben, weil die bereits in der Vergangenheit in Entscheidungen des erkennenden Senats beantworteten Fragen vor dem Hintergrund der zum 1.1.2016 erfolgten Gesetzesänderung und der neuerlichen Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Mehl in den Ausschussdrucksachen 18 (11) 453 und 18 (11) 455 vom 4.11.2015 auch im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des BSG erneut klärungsbedürftig geworden seien. Denn dadurch habe eine nachweislich weitere Aushöhlung der agrarstrukturellen Wirkung der Hofabgabeklausel stattgefunden. Denn statistisch seien lediglich noch 21 % der Landwirte voll und 15 % teilweise von den Auswirkungen der Hofabgabeverpflichtung betroffen. Anhand der zitierten Rechtsprechung des BSG lasse sich die Frage der Geeignetheit der Hofabgabeklausel und die Einhaltung der damit korrespondierenden Überprüfungspflicht des Gesetzgebers und damit die Frage der Vereinbarkeit der Hofabgabeklausel mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG nicht beantworten.
Mit diesem Vorbringen hat der Kläger jedoch insgesamt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht in der gesetzlich gebotenen Form dargelegt (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Er hat insbesondere nicht hinreichend beachtet, dass der Senat bereits mit Beschluss vom 20.5.2014 (B 10 LW 5/14 B) wortwörtlich dieselbe Rechtsfrage auch unter Hinweis auf die Beschlüsse vom 29.8.2012 (unter anderem - B 10 LW 5/12 B - und - B 10 LW 7/12 B - Juris) dergestalt entschieden hat, dass die Rechtsfragen, ob § 11 iVm § 21 ALG mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Art 3 Abs 1 GG vereinbar sind, ob der Gesetzgeber insoweit seiner Verpflichtung, die Hofabgabeklausel auf ihre Geeignetheit zur Förderung des Strukturwandels in der Landwirtschaft hin zu überprüfen, nachgekommen ist und ob die Hofabgabeklausel heute noch geeignet ist, dass gesetzgeberische Ziel des Strukturwandels in der Landwirtschaft zu erreichen, nicht (erneut) klärungsbedürftig geworden sind. Demgegenüber hat es der Kläger versäumt darzulegen, dass die nunmehr erneut wortwörtlich von ihm vorgebrachten Rechtsfragen vor dem Hintergrund des Senatsbeschlusses vom 20.5.2014 (B 10 LW 5/14 B) erneut klärungsbedürftig geworden sind. Sein bereits vor dem LSG gebrachter Hinweis auf die Beratungen des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (vgl Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 8.10.2015, BT-Drucks 18/6284) unter Hinweis auf die im Rahmen der Ausschussberatungen eingeholte neuerliche Stellungnahme des Dr. Mehl vom 16.10.2015 (vgl Mehl, Schriftliche Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Ausschussdrucksache 18 ≪11≫ 453 vom 4.11.2015) enthalten keine neuerlichen Argumente für eine Unvereinbarkeit der Hofabgabeklausel mit Art 3 Abs 1 GG. Insoweit hätte es zunächst eine Auseinandersetzung des Klägers unter anderem mit der Entscheidung des BSG vom 2.12.2012 (B 10 LW 2/11 R - SozR 4-5868 § 12 Nr 1 RdNr 50 ff) bedurft, wonach insbesondere das Gesetz zur Neuordnung der Organisation der landwirtschaftlichen Sozialversicherung [LSV-NOG vom 12.4.2012 (BGBl I 579) und die darin durchgeführte Änderung des § 21 ALG mit Wirkung ab dem 19.4.2012 (Art 14 Abs 2 iVm Art 4 Nr 5 LSV-NOG) mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist. Auf der Grundlage dieser Gesetzesfassung ist die vorliegende Entscheidung des LSG ergangen, sodass es bereits an der Darlegung fehlt, weshalb die zum 1.1.2016 vermeintlich eingetretenen Gesetzesänderungen vorliegend von Bedeutung sein sollen. Entsprechend hat auch bereits das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung auf Seite 7 des Urteils darauf hingewiesen, dass der vom Kläger vorgebrachte Gesetzesentwurf im Zeitpunkt der Urteilsfindung keine Gesetzeskraft erlangt habe.
Darüber hinaus fehlt es aber auch an der Darlegung, weshalb eine Verfassungsmäßigkeit der Hofabgabeklausel unter dem Gesichtspunkt einer angeblich verletzten Beobachtungspflicht des Gesetzgebers nach den Ausführungen des Senats im Beschluss vom 20.5.2014 (B 10 LW 5/14 B) erneut klärungsbedürftig geworden sein sollte. Dies gilt entsprechend den Ausführungen des Senats in erster Linie für die hier zugrunde liegende Rechtslage sowie im Übrigen auch für die zukünftige Rechtslage, da der Gesetzgeber durch seine Beratung der Vorschrift der Hofabgabeklausel gerade das Gegenteil belegt hat (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales zu dem Entwurf der Bundesregierung eines Gesetzes zur Änderung des 12. Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften, BT-Drucks 18/6674 vom 11.11.2015, S 2). Die Beschlussempfehlung enthält insbesondere den Hinweis, dass die Hofabgabeverpflichtung wegen der nach wie vor für einige Betriebe bestehenden Probleme "weiterentwickelt werden" soll (vgl BT-Drucks aaO, S 7). Im Übrigen fehlt es auch an Darlegungen des Klägers zur Stellungnahme des Sachverständigen Dr. Mehl, der sich im Rahmen seiner öffentlichen Anhörung nach den vom Kläger bezeichneten Ausschussdrucksachen nicht für eine Abschaffung der Hofabgabeklausel ausgesprochen hat. Gleiches gilt für die erneut vom Kläger aufgegriffene verfassungsrechtliche Relevanz eines möglichen Vollzugsdefizites, welches der Senat bereits in seinen Beschlüssen vom 29.8.2012 (unter anderem - B 10 LW 5/12 B - und - B 10 LW 7/12 B - Juris) sowie im Beschluss vom 20.5.2014 (B 10 LW 5/14 B) berücksichtigt hat. Neues Vorbringen ist insoweit nicht zu erkennen, eine tatsächlich im Vorbringen enthaltene Kritik an der Entscheidung des Gesetzgebers vermag an der Unzulässigkeit der Darlegungen nichts zu ändern.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen