Verfahrensgang

Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 25.03.2019; Aktenzeichen L 1 R 189/16)

SG Schleswig (Entscheidung vom 20.09.2016; Aktenzeichen S 20 R 94/15)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 15.04.2024; Aktenzeichen 1 BvR 2076/23)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 25. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

 

Gründe

I

Der im August 1951 geborene Kläger begehrt die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte.

Er war knapp 41 Jahre bei der D GmbH am Standort F beschäftigt. Am 30.3.2010 schloss er zur Vermeidung einer betriebsbedingten Kündigung einen Vertrag über die Beendigung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zum 31.7.2010. Der Kläger erhielt eine Abfindung iHv 85 000 Euro. Wie im Aufhebungsvertrag vereinbart, begründete er zum 1.8.2010 ein neues, bis zum 31.7.2011 befristetes Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft K - Betriebsstätte D - (TGK). Ab dem 11.8.2011 war er arbeitslos gemeldet und bezog bis zum 9.8.2013 Arbeitslosengeld. Im Versicherungskonto des Klägers wurden bis zum 31.8.2014 insgesamt 541 Monate Beitragszeiten vorgemerkt, einschließlich der Zeiten des Arbeitslosgengeldbezugs vom September 2012 bis zum August 2013.

Seit September 2014 bezieht der Kläger eine Altersrente für langjährig Versicherte von der Beklagten. Wegen des vorzeitigen Rentenbezugs wurde diese Rente mit einem Zugangsfaktor von 0,913 berechnet, was einem Rentenabschlag von 8,7 Prozent entspricht. Der Kläger hatte am 13.6.2014 auch die Gewährung einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit einem Rentenbeginn am 1.9.2014 beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, weil die Wartezeit von 45 Jahren (540 Kalendermonaten) nicht erfüllt sei(Bescheid vom 12.8.2014; Widerspruchsbescheid vom 9.3.2015) .

Das SG hat die Klage abgewiesen(Urteil vom 20.9.2016) , das LSG die dagegen vom Kläger eingelegte Berufung zurückgewiesen(Urteil vom 25.3.2019) . Die Monate September 2012 bis August 2013 seien nicht auf die Wartezeit anzurechnen, weil sie in den letzten zwei Jahren vor dem gewünschten Rentenbeginn lägen. Der Bezug von Arbeitslosengeld in dieser Zeit sei auch nicht durch eine vollständige Geschäftsaufgabe bedingt gewesen, was hier als Rückausnahme nach§ 51 Abs 3a Satz 1 Nr 1 SGB VI allein in Betracht komme. Der Arbeitslosengeldbezug beruhe vielmehr darauf, dass das Beschäftigungsverhältnis mit der TGK aufgrund Zeitablaufs geendet und die Transfermaßname nicht zur Aufnahme einer anderen Erwerbstätigkeit geführt habe. Eine analoge Anwendung des§ 51 Abs 3a Satz 1 Nr 1 SGB VI komme nicht in Betracht. Es bestünden auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 2.9.2019 begründet hat. Er macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Der Senat hat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Verfahrens angeordnet, um den Ausgang der seinerzeit beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile des BSG vom 17.8.2017( B 5 R 8/16 R )und 28.6.2018( B 5 R 25/17 R )abzuwarten(Beschluss vom 23.10.2019) . Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung angenommen worden(BVerfG ≪Kammer≫ Beschlüsse vom 1.6.2022 - 1 BvR 323/18 und 1 BvR 2611/18 ) . Mit Verfügung vom 21.2.2023 ist das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wieder aufgenommen worden. Der Kläger hat seine Beschwerde aufrechterhalten und sich mit Schriftsätzen vom 4.4.2023 und 2.8.2023 geäußert.

II

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist jedenfalls unbegründet und deshalb zurückzuweisen(§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 SGG ) . Der Senat kann daher dahinstehen lassen, ob die Beschwerdebegründung in jeder Hinsicht der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Form genügt(vgl zu den Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung zBBSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 4;BSG Beschluss vom 24.11.2022 - B 5 R 146/22 B - juris RdNr 6 ; vgl zu der Möglichkeit, die Zulässigkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde offenzulassen,BSG Beschluss vom 16.10.2019 - B 13 R 175/18 B - juris RdNr 8 ) .

a) Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu. Grundsätzliche Bedeutung(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist(stRspr; vgl etwaBSG Beschluss vom 29.6.2018 - B 13 R 9/16 B - juris RdNr 12 mwN;BSG Beschluss vom 16.11.2022 - B 5 R 112/22 B - juris RdNr 7 ) . Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn die Antwort nicht außer Zweifel steht, sich zB nicht unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz beantworten lässt oder nicht bereits höchstrichterlich entschieden ist(vgl zBBSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17;BSG Beschluss vom 6.6.2023 - B 5 R 214/22 B - juris RdNr 7 ) . Die Klärungsbedürftigkeit muss noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde bestehen(vgl zB Meßling in Krasney/Udsching/Groth/Meßling, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 8. Aufl 2022, Kap IX RdNr 95 mwN). Das ist hier nicht der Fall. Alle vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfragen sind inzwischen höchstrichterlich entschieden.

aa) Der Kläger formuliert in Bezug auf§ 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 SGB VI zunächst die Rechtsfrage,

"wie weit der Prozess der 'Geschäftsaufgabe' fortgeschritten sein muss, um zur Anrechenbarkeit von Zeiten des Arbeitslosengeldbezuges in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn auf die 45-jährige Wartezeit zu führen".

Er trägt vor, er sei am Standort F in der Produktion tätig gewesen. Dieser Produktionsbetrieb sei geschlossen worden, weil die Fertigung vollständig ins Ausland verlagert worden sei. Der verbliebene Unternehmensteil der D GmbH sei nach Übertragung auf ein anderes Unternehmen unter dem Namen S GmbH weitergeführt worden. Der Kläger will damit im Kern geklärt wissen, ob der Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung iS von§ 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 SGB VI durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, wenn lediglich der Betrieb, in dem der Betroffene beschäftigt gewesen ist, geschlossen wird. Die so verstandene Rechtsfrage ist aufgrund der bereits zu § 51 Abs 3a SGB VI ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen ohne Weiteres zu verneinen.

Nach der übereinstimmenden Rechtsprechung des 5. und des - inzwischen geschlossenen - 13. Senats des BSG ist ein Arbeitslosengeldbezug nur dann durch eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt, wenn das gesamte Unternehmen des konkreten rechtlichen Arbeitgebers als Basis vorhandener Beschäftigungen wegfällt, dh die gesamte Unternehmensorganisation insbesondere durch Entlassung aller Arbeitnehmer, also Beendigung sämtlicher Beschäftigungen, und Veräußerung oder sonstige Weggabe aller Sachmittel aufgelöst wird(BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 28;BSG Beschluss vom 13.1.2020 - B 5 R 256/19 B - juris RdNr 10 ;BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 29;BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 19) . Der 5. Senat hat den prozesshaften Charakter einer Geschäftsaufgabe betont, an dessen Ende erst der völlige Wegfall der Unternehmensorganisation und damit der Wegfall der Basis von Beschäftigungen steht(BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 54) . Dabei ist geklärt, dass eine vollständige Geschäftsaufgabe nicht bereits dadurch erfolgt, dass einer von mehreren Betrieben des Arbeitgebers geschlossen wird(vglBSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 55;BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 29 ff) .

bb) Der Kläger formuliert ferner die Frage,

"ob der Begriff der vollständigen Geschäftsaufgabe sich formal auf den letzten Arbeitgeber erstreckt, wenn es sich dabei um eine Transfergesellschaft handelt, die aufgrund eines Interessenausgleichs und Sozialplan mit dem vorangegangenen Arbeitgeber begründet worden ist".

Nach seinem Gesamtvorbringen soll es der Klärung bedürfen, ob dann, wenn ein Versicherter vor dem Bezug von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung zuletzt bei einer selbstständigen Transfergesellschaft beschäftigt gewesen ist, der vorherige Arbeitgeber als Arbeitgeber iS von§ 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 SGB VI anzusehen ist. Diese Rechtsfrage ist mittlerweile höchstrichterlich geklärt.

Sowohl der 5. Senat als auch der 13. Senat haben in Fällen, in denen vor dem Arbeitslosengeldbezug ein Arbeitsverhältnis mit einer selbstständigen Transfergesellschaft begründet war, entschieden, dass nicht nur auf diese als letzten Arbeitgeber abzustellen ist für die Frage, ob der Leistungsbezug durch die Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist(vglBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 28;BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 35;BSG Urteil vom 21.10.2021 - B 5 R 11/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 6 RdNr 15) . Dabei ging es gerade auch um Fallgestaltungen, bei denen als Grund für den Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit einzig eine vollständige Geschäftsaufgabe des letzten Arbeitgebers vor Eintritt in die Transfergesellschaft in Betracht kam(vglBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 16 ff;BSG Urteil vom 22.3.2021 - B 13 R 7/20 R - SozR 4-2600 § 51 Nr 5 RdNr 33 ff) .

cc) Der Kläger formuliert schließlich die Frage,

"ob die Regelungen in § 51 Abs. 3a Satz 1 Nr. 3a Teilsätze 2 u. 3 SGB VI (Anmerkung: gemeint ist offensichtlich Abs 3a Satz 1 Teilsätze 2 und 3) mit der Verfassung in Einklang stehen, oder ob, andersherum formuliert, eine Ungleichbehandlung ohne eine sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird".

Er ist der Auffassung, die Beschränkung der Rückausnahme auf Konstellationen, in denen der Arbeitslosengeldbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz(Art 3 Abs 1 GG ) . Er werde dadurch unverhältnismäßig belastet, denn bei Erfüllung der Wartezeit von 45 Jahren würde er eine um 130,75 Euro (brutto) höhere Rente für besonders langjährig Versicherte beziehen. Der Gesetzgeber habe den Rahmen einer zulässigen Typisierung verlassen, wenn er in allen anderen als den in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI genannten Fällen die Gefahr einer missbräuchlichen Frühverrentung erkenne. Für eine solche Annahme fehle es an tragfähigen tatsächlichen Anhaltspunkten. Er, der Kläger, habe bei Begründung des Beschäftigungsverhältnisses mit der TGK zudem nicht absehen können, dass der Gesetzgeber in der Folgezeit für besonders langjährige Versicherte die Möglichkeit einer (abschlagsfreien) Rente mit einem Renteneintrittsalter von 63 Jahren schaffen werde. Die vom Kläger damit aufgeworfenen Fragen, ob die Regelungen in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsätze 2 und 3 SGB VI gegen den allgemeinen Gleichheitssatz(Art 3 Abs 1 GG ) verstoßen, bedürfen für die hier zugrunde liegende Konstellation keiner weiteren Klärung.

Der 5. und der 13. Senat des BSG haben sich in mehreren Entscheidungen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Regelungen überzeugen können(vglBSG Urteil vom 17.8.2017 - B 5 R 8/16 R - BSGE 124, 58 = SozR 4-2600 § 51 Nr 1, RdNr 41 ff;BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 82 ff;BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 30 ff;BSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 5/17 R - juris RdNr 28 ff;BSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 49 ff) . Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden gegen die beiden erstgenannten Urteile, wie erwähnt, nicht zur Entscheidung angenommen. Die höchstrichterlichen Entscheidungen zu § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Teilsatz 2 SGB VI haben auch bereits die Gruppe der Versicherten betroffen, bei denen der Anrechnungsausschluss Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs erfasst, die vor Einführung dieser Ausnahmeregelung zurückgelegt wurden(vgl zBBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 57 f) .

Nach der Rechtsprechung des BSG bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den grundsätzlichen Anrechnungsausschluss von Zeiten des Bezugs von Entgeltersatzleistungen der Arbeitsförderung in den letzten zwei Jahren vor Rentenbeginn(§ 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 2 SGB VI) . Das BSG hat es auch als durch angemessene Sachgründe gerechtfertigt angesehen, dass der Gesetzgeber im Sinne eines Begünstigungsausschlusses die Rückausnahme auf Personen beschränkt hat, deren Leistungsbezug durch eine Insolvenz oder vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers bedingt ist(§ 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3, vglBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 54 mwN) . Dabei hat es die dahinterstehenden Erwägungen gewürdigt, einerseits keine Fehlanreize für eine unerwünschte Frühverrentung zu setzen und andererseits Härtefälle zu verhindern(vgl dazu im EinzelnenBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 34) . Das BSG hat insbesondere befunden, dass der Gesetzgeber mit Ausgestaltung der Rückausnahmeregelung in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI seinen Gestaltungsrahmen nicht überschritten hat, der bei einer bevorzugenden Typisierung besonders groß ist(vglBSG Urteil vom 12.3.2019 - B 13 R 19/17 R - BSGE 127, 262 = SozR 4-2600 § 51 Nr 3, RdNr 48 mwN) .

Soweit der Kläger auf den inzwischen ergangenen Beschluss des BVerfG vom 19.10.2022( 1 BvL 3/21 - BVerfGE 163, 254 ) hinweist, ergibt sich daraus kein erneuter Klärungsbedarf(vgl zu den Umständen, unter denen eine höchstrichterlich bereits entschiedene Rechtsfrage erneut klärungsfähig werden kann, zBBSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 11 mwN;BSG Beschluss vom 4.5.2023 - B 5 R 30/23 B - juris RdNr 10 mwN) . Die Entscheidung betrifft in ihrem Kern die ausArt 1 Abs 1 GG abgeleitete Pflicht des Staates, Sozialleistungen zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums fortlaufend realitätsgerecht zu bemessen(vgl dazu grundlegendBVerfG Beschluss vom 23.7.2014 - 1 BvL 10/12 ua - BVerfGE 137, 34 = SozR 4-4200 § 20 Nr 20, RdNr 76 ff mwN) . Mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen Begünstigungsausschluss befasst sie sich nicht. In dem vom Kläger ebenfalls herangezogenen Beschluss des BVerfG vom 28.6.2022( 2 BvL 9/14 ua - BVerfGE 162, 277 ) wurden zwar die vom Gesetzgeber für einen Begünstigungsausschluss beim Kindergeld gewählten Differenzierungskriterien beanstandet. Die verfassungsrechtliche Bewertung des § 51 Abs 3a Satz 1 Nr 3 Teilsätze 2 und 3 SGB VI durch das BSG wird damit indes nicht infrage gestellt.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 4.4.2023 erstmals im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde vorbringt, die Nichtanrechnung weiterer Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs auf die Wartezeit von 45 Jahren verstoße zugleich gegen die Eigentumsgarantie desArt 14 Abs 1 GG , kann er damit von vornherein nicht gehört werden. Die Vorlegung neuer, bisher nicht aufgeworfener Rechtsfragen ist nach Ablauf der Begründungsfrist(§ 160a Abs 2 Satz 1 SGG ) unzulässig(vgl BSG Beschluss vom 13.6.2001 - B 10/14 EG 4/00 B - juris RdNr 13) . Im Übrigen ist bereits geklärt, dass die Regelung in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 2 SGB VI nicht in eine den Versicherten bereits zuerkannte Rechtsposition eingreift(vglBSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 R 25/17 R - BSGE 126, 128 = SozR 4-2600 § 51 Nr 2, RdNr 108-109) .

Der vom Kläger mit Schriftsatz vom 4.4.2023 hilfsweise gestellte Antrag, den Rechtsstreit dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Falls er damit vorbringen will, die Rechtssache habe wegen offener verfassungsrechtlicher Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung, gilt, dass die vom Kläger aufgeworfenen Fragen zur Verfassungsgemäßheit von § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsätze 2 und 3 SGB VI, wie ausgeführt, bereits geklärt sind.

b) Die Grundsatzrüge des Klägers lässt sich auch nicht in eine zulässige und begründete Divergenzrüge umdeuten. Eine solche Umdeutung kommt in Betracht, wenn nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eine Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG eintritt und die zunächst mit der Grundsatzrüge angegriffene Entscheidung der Vorinstanz nicht der seitdem ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung entspricht(vgl grundlegendBSG Beschluss vom 15.12.1976 - 4 BJ 1/76 - SozR 1500 § 160 Nr 25 S 20 f; aus jüngerer Zeit zBBSG Beschluss vom 1.7.2021 - B 1 KR 49/20 B - juris RdNr 6 mwN; vgl auch BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 21.1.2000 - 2 BvR 2125/97 - juris RdNr 34) . Eine entscheidungserhebliche Divergenz ist hier nicht gegeben. Zwar ist das LSG erkennbar der Rechtsauffassung gewesen, dass die Rückausnahmeregelung in § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI sich nur auf den letzten Arbeitgeber des Versicherten vor dem Arbeitslosgengeldbezug bezieht, dh auf die TGK. Das BSG hat hingegen nach Ablauf der am 1.7.2019 geendeten Beschwerdebegründungsfrist mit Urteilen vom 20.5.2020( B 13 R 23/18 R )und 22.3.2021( B 13 R 7/20 R )entschieden, dass der Begriff des Arbeitgebers im Sinne der Vorschrift nicht nur den zeitlich letzten Arbeitgeber des Versicherten umfasst. Gleichwohl spricht nichts dafür, dass die angegriffene Entscheidung auf einer für den Kläger nachteiligen Abweichung von den genannten BSG-Entscheidungen beruht, mithin unter Beachtung der neueren Rechtsprechung des BSG anders hätte ausfallen müssen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass das gesamte Unternehmen der D GmbH als Basis vorhandener Beschäftigungen weggefallen ist. Der Kläger hat im Gegenteil selbst vorgebracht, ein Teil des Unternehmens sei nach Übergang auf eine andere Gesellschaft unter neuem Namen im Inland fortgeführt worden. Da demnach schon im Inland Unternehmensteile verblieben waren, kommt es auch nicht darauf an, inwiefern eine vollständige Geschäftsaufgabe des Arbeitgebers iS von § 51 Abs 3a Satz 1 Teilsatz 3 SGB VI auch ausländische Geschäfte umfasst(vgl hierzuBSG Urteil vom 20.5.2020 - B 13 R 23/18 R - BSGE 130, 153 = SozR 4-2600 § 51 Nr 4, RdNr 32, wo die Frage offenbleiben konnte) .

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab(§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG ) .

2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von§ 193 Abs 1 und 4 SGG.

Düring

Hahn

Hannes

 

Fundstellen

Dokument-Index HI16326978

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