Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts nach einem wiederholt gestellten Überprüfungsantrag. zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz. Glaubhaftmachung der Höhe von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe
Leitsatz (amtlich)
1. Auch nach einem wiederholt gestellten Überprüfungsantrag besteht ein Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde.
2. Eine Jahresendprämie kann auch in einer Mindesthöhe als erzieltes Arbeitsentgelt glaubhaft gemacht und Pflichtbeitragszeiten nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) zugrunde gelegt werden, wenn das monatlich erzielte Arbeitsentgelt als ein Teil des Verdienstes bereits nachgewiesen ist.
3. Für die Glaubhaftmachung sind bei der Beweiswürdigung neben allen verfügbaren Beweismitteln und Informationen auch die Prämienfonds-Verordnungen als generelle Tatsachen heranzuziehen.
Normenkette
SGG §§ 103, 128 Abs. 1 S. 1, §§ 141, 160 Abs. 2 Nrn. 1, 3, § 160a Abs. 2 S. 3; AAÜG § 5 Abs. 1 S. 1, § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 6, § 8 Abs. 1 S. 2; AAÜG Anl 1 Nr. 1; SGB IV § 14 Abs. 1 S. 1; SGB X § 23 Abs. 1 S. 2, § 44; VEBPrämFoV; VEBPrämFoV 1969/70; VEBPrämFoV 1971; AGB DDR § 117 Abs. 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 8. September 2022 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger für das Beschwerdeverfahren die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I. Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines erneuten Überprüfungsverfahrens noch streitig die Feststellung von Jahresendprämien als weiteres Arbeitsentgelt für die Beschäftigung in den Jahren 1975 bis 1977 und 1980 bis 1982 (Zuflussjahre 1976 bis 1978 und 1981 bis 1983).
Mit Bescheid vom 24.6.1999 in der Fassung der Bescheide vom 5.5.2008, 13.3.2013, 10.11.2016, 24.8.2017 und 16.8.2021 stellte die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen von § 1 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG), die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 5.12.1966 bis zum 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte des Klägers fest. Im Verfahren nach der Ablehnung eines im September 2007 gestellten Überprüfungsantrags auf Anerkennung von höheren Arbeitsentgelten unter Berücksichtigung von Jahresendprämien entschied das Sächsische LSG mit Urteil vom 19.7.2016 (L 5 RS 426/12) ua, "dass weitere Arbeitsentgelte des Klägers für die Jahre 1976 bis 1987 und 1989 bis 1990 wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen […] zu berücksichtigen sind". Nur für das Jahr 1987 sei der Zufluss im Jahr 1988 nachgewiesen, für die Beschäftigungsjahre 1975 bis 1986 und 1988 bis 1989 sei es überwiegend wahrscheinlich und daher glaubhaft gemacht, dass dem Kläger Jahresendprämien tatsächlich zugeflossen seien, weil er gemäß § 117 Abs 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR (AGB-DDR) vom 16.6.1977 (GBl DDR I, 185) dem Grunde nach Anspruch auf Jahresendprämien gehabt habe. Die Zahlung von Jahresendprämien sei für sein Arbeitskollektiv glaubhaft in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart gewesen, sein Arbeitskollektiv habe glaubhaft die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt und er sei in den Jahren 1975 bis 1989 während des gesamten Planjahres nachweislich Angehöriger der jeweiligen Betriebe gewesen. Für die Jahre 1978 und 1979 (Zufluss in den Jahren 1979 und 1980) seien Beträge auch in konkreter Höhe glaubhaft gemacht. Dagegen sei die konkrete Höhe der gezahlten Jahresendprämien für die weiteren vom Kläger begehrten Jahre weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Deshalb mache das Gericht von einer Schätzbefugnis Gebrauch, die sich aus § 202 SGG iVm § 287 Abs 2, Abs 1 Satz 1 ZPO ergebe.
Der Senat änderte mit Urteil vom 1.6.2017 (B 5 RS 5/17 R) das Urteil des LSG und wies die Berufung des Klägers gegen das insgesamt klageabweisende Urteil des SG vom 3.4.2012 auch insoweit zurück, als die Feststellung höherer jährlicher Arbeitsentgelte unter Berücksichtigung von Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre 1975 bis 1977, 1980 bis 1986 und 1988 bis 1989 (Zuflussjahre 1976 bis 1978, 1981 bis 1987 und 1989 bis 1990) betroffen war. Die Zurückweisung der Berufung hinsichtlich der Zeiten außerhalb des Zeitraums vom 1.2.1974 bis zum 31.12.1987 galt mit der Maßgabe, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wurde.
Im November 2018 beantragte der Kläger erneut bei der Beklagten die Überprüfung der Feststellungsbescheide und begehrte die Feststellung von weiteren Arbeitsentgelten in Form von Jahresendprämien. Die Beklagte lehnte dies mit Bescheid vom 7.3.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.8.2019 ab. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 2.11.2021). Das LSG hat auf die Berufung des Klägers das SG-Urteil geändert und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung verurteilt, die bisherigen Feststellungsbescheide dahingehend zu ändern, dass für die Zuflussjahre 1976 bis 1978 und 1981 bis 1983 weitere Arbeitsentgelte des Klägers wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen festzustellen sind. Nach dem Ergebnis der umfangreichen Ermittlungen sei glaubhaft gemacht, dass die Voraussetzungen des § 117 Abs 1 AGB-DDR vom 16.6.1977 (GBl DDR I, 185) vorgelegen hätten und der Kläger jeweils auch eine Jahresendprämie erhalten habe. Für die Zuflussjahre 1976 bis 1978 und 1981 bis 1983 hat das LSG die Zahlung von Jahresendprämien in Höhe eines Mindestbetrags als glaubhaft gemacht angesehen. Für diese Zeiträume hätten § 9 Abs 7 Prämienfonds-VO 1968, § 12 Nr 6 Satz 1 Prämienfonds-VO 1971 und § 6 Abs 1 Nr 1 Satz 2 Prämienfonds-VO 1972 verbindlich festgelegt, dass der Prämienfonds (auch) bei leistungsgerechter Differenzierung der Jahresendprämie ermöglichen müsse, dass die Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen ein Drittel seines (durchschnittlichen) Monatsverdienstes betrage. Diese Mindesthöhe der an den einzelnen Werktätigen zu zahlenden Jahresendprämie habe nach § 12 Nr 6 Satz 2 Prämienfonds-VO 1971 und § 6 Abs 1 Nr 2 Satz 2 und 3 Prämienfonds-VO 1972 nur dann unterschritten werden dürfen, wenn der Werktätige nicht während des gesamten Planjahres im Betrieb tätig gewesen sei und einer der Ausnahmefälle des § 5 Abs 1 Satz 1 der 1. DB zur Prämienfonds-VO 1972 vorgelegen habe. Diese Regelungen seien als "generelle Anknüpfungstatsachen" bzw als "generelle Tatsachen" heranzuziehen und bestätigten im Zeitraum ihrer Geltung zumindest eine individuelle Mindesthöhe des Jahresendprämienbetrags jedes einzelnen Werktätigen, der die Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde nach erfüllt habe. Im konkreten Fall sei hinreichend tatsächlich glaubhaft gemacht, dass der Kläger sämtliche Voraussetzungen für einen Rechtsanspruch auf Jahresendprämie erfüllt habe. Für die nachfolgenden Zeiträume ab dem Planjahr 1983 sei ein Mindestbetrag oder eine berechenbare Mindesthöhe der Jahresendprämie des einzelnen Werktätigen durch die Prämienfonds-VO 1982 nicht mehr festgelegt worden (Urteil vom 8.9.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat die Beklagte Beschwerde zum BSG eingelegt. Sie macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie einen Verfahrensmangel geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 3 SGG).
II. Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat keinen Erfolg. Hinsichtlich des gerügten Verfahrensmangels ist die Nichtzulassungsbeschwerde bereits unzulässig. Soweit die Beklagte eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht, ist die Beschwerde jedenfalls als unbegründet zurückzuweisen.
1. Soweit die Beklagte zunächst einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend macht, hat sie diesen nicht hinreichend bezeichnet (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Hierzu müssen die Umstände, aus denen sich der Verfahrensfehler ergeben soll, substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist es erforderlich darzulegen, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, sofern nicht ein absoluter Revisionsgrund geltend gemacht wird (vgl BSG Beschluss vom 15.6.2023 - B 5 R 67/23 B - juris RdNr 7).
Die Beklagte rügt einen Verstoß gegen § 141 Abs 1 SGG und trägt dazu vor, das LSG habe die materielle Rechtskraft des Senatsurteils vom 1.6.2017 (B 5 RS 5/17 R) nicht beachtet. Das Berufungsgericht habe über denselben Streitgegenstand erneut entschieden. Der geltend gemachte Anspruch auf Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Form von Jahresendprämien sei mit der bereits zuvor eingeklagten Forderung des Klägers identisch und damit Gegenstand des bereits abgeschlossenen Rechtsstreits zwischen den Beteiligten gewesen. Auch die Prämienfonds-VOen hätten bereits zum Prozessstoff gehört. Die Klage hätte deshalb als unzulässig abgewiesen werden müssen.
Damit hat die Beklagte einen Verfahrensmangel nicht schlüssig aufgezeigt. Die Beschwerdebegründung enthält keine Ausführungen dazu, inwiefern die Rechtskraft des Urteils vom 1.6.2017 auch dann maßgeblich ist, wenn über einen Antrag im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X entschieden wurde (vgl dazu den Überblick bei Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 141 RdNr 11). So geht sie nicht auf die Rechtsprechung ein, wonach die Gerichte im Rahmen einer auf einen Zugunstenbescheid gerichteten Klage nicht unmittelbar die rechtskräftigen Gerichtsurteile kontrollieren, sondern das Verhalten der Verwaltung daraufhin, ob sie das neue Sachbegehren ungeachtet rechtsverbindlicher Regelungen ablehnen durfte (vgl BSG Urteil vom 28.1.1981 - 9 RV 29/80 - BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15 S 39 f). Einem Antrag nach § 44 SGB X steht nach dieser Rechtsprechung deshalb die Rechtskraft einer früheren gerichtlichen Entscheidung nicht entgegen (vgl BSG Beschluss vom 20.7.2011 - B 13 R 97/11 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 4 RdNr 21). § 44 SGB X vermittelt vielmehr einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsakts unabhängig davon, ob dieser durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (vgl BSG Urteil vom 10.12.2013 - B 13 R 91/11 R - SozR 4-2600 § 249b Nr 1 RdNr 18; BSG Urteil vom 26.10.2017 - B 2 U 6/16 R - SozR 4-2200 § 547 Nr 1 RdNr 16 mwN). Dies gilt auch im Falle wiederholter Überprüfungsanträge (vgl BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 2 U 24/05 R - BSGE 97, 54 = SozR 4-2700 § 8 Nr 18, RdNr 12 unter Hinweis auf BSG Urteil vom 28.1.1981 - 9 RV 29/80 - BSGE 51, 139, 141 = SozR 3900 § 40 Nr 15 S 39 f). Hierzu verhält sich die Beschwerdebegründung nicht.
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2. Die Beklagte formuliert zunächst als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung: |
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"Kommt angesichts des gesetzlichen, in § 6 Absatz 1 Satz 1, § 8 Absatz 1 Satz 2 AAÜG verankerten Auftrages, ein konkretes, individuell-personenbezogenes, tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt des Berechtigten feststellen zu müssen, die Feststellung der Höhe von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe, die glaubhaft gemacht wird, überhaupt in Betracht?" |
Sie macht dazu geltend, die "Schätz-Urteile" des BSG ua vom 15.12.2016 (B 5 RS 4/16 R - BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr 7) seien zur Auslegung von § 6 Abs 6 AAÜG ergangen. Sie hätten sich mit unterschiedlichen Beweismaßstäben und der Frage befasst, ob durch Beweiserleichterungen des materiellen oder formellen Rechts eine weitere Verminderung des Beweismaßstabs der Glaubhaftmachung im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit vorgesehen sei. Eine Aussage zu "Mindest-Jahresendprämien" finde sich darin nicht. Auch der übrigen bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zum AAÜG, insbesondere den Urteilen des BSG vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3) und vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4), lasse sich keine Antwort darauf entnehmen, ob der Begriff "tatsächlich erzieltes Arbeitsentgelt" dahingehend ausgelegt werden könne, dass ein glaubhaft gemachter Mindestbetrag als konkreter, tatsächlich erzielter Arbeitsverdienst eines Berechtigten in Betracht komme. Die Rechtsfrage sei auch klärungsfähig, da es sich bei den abstrakt-generellen Regelungen der vom Berufungsgericht angewandten DDR-Vorschriften um generelle Tatsachen handele, an die das Revisionsgericht nicht gebunden sei. Auch hätten verschiedene LSG die Möglichkeit der Glaubhaftmachung von Jahresendprämien in einer Mindesthöhe unterschiedlich beurteilt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Beschwerdebegründung damit in jeder Hinsicht die Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG erfüllt. Ein Revisionszulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG liegt jedenfalls nicht vor.
Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zu revisiblem Recht (vgl § 162 SGG) aufwirft, die über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist (stRspr; zB BSG Beschluss vom 15.6.2023 - B 5 R 217/22 B - SozR 4 ≪vorgesehen≫ RdNr 5). Eine Rechtsfrage ist nicht mehr klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist (vgl BSG Beschluss vom 17.5.2023 - B 1 KR 16/22 B - juris RdNr 7; zu Umständen, die zu erneutem Klärungsbedarf führen können, vgl zB BSG Beschluss vom 12.7.2022 - B 2 U 11/22 B - juris RdNr 11 sowie BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 9.5.2023 - 1 BvR 1/23 - juris RdNr 8). An weiterem Klärungsbedarf fehlt es aber auch, wenn sich die aufgeworfene Frage ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung klar beantworten lässt (vgl BSG Beschluss vom 11.3.2021 - B 5 R 12/21 B - SozR 4-2600 § 137b Nr 2 RdNr 4; BSG Beschluss vom 23.3.2023 - B 6 KA 21/22 B - juris RdNr 7). Demnach ist eine Rechtsfrage auch dann als bereits geklärt anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der Frage geben (vgl BSG Beschluss vom 12.2.2020 - B 6 KA 11/19 B - juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 8.2.2023 - B 5 R 150/22 B - juris RdNr 5).
Nach diesen Grundsätzen ist die Frage, ob es in Betracht kommt, eine Jahresendprämie in Höhe eines glaubhaft gemachten Mindestbetrags festzustellen, anhand der gesetzlichen Regelungen in § 6 Abs 6 AAÜG und auf der Grundlage der bereits vorliegenden höchstrichterlichen Rechtsprechung, insbesondere zu § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG, klar zu bejahen.
a) Anspruchsgrundlage für die Feststellung des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts iS von § 8 Abs 1 Satz 2 AAÜG durch den zuständigen Versorgungsträger ist § 8 Abs 2, Abs 3 Satz 1, Abs 4 Nr 1 AAÜG. Maßstabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugehörigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Was Arbeitsentgelt iS des § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG ist, bestimmt sich nach § 14 SGB IV. Die Jahresendprämien stellen einmalige Einkünfte aus einer Beschäftigung iS des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV dar. Das BSG hat zum Verständnis des Sinns dieser Zuflüsse an den ab dem 1.1.1978 geltenden § 117 Abs 1 AGB-DDR angeknüpft. Danach bestand ein Anspruch auf eine Jahresendprämie, wenn eine solche für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatten und der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war (vgl BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 29 ff). Für die Feststellung des Bezugs und der Höhe dieser einmaligen Einkünfte folgt aus der Formulierung "erzieltes Arbeitsentgelt" in § 6 Abs 1 Satz 1 AAÜG im Zusammenhang mit § 5 Abs 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter Höhe tatsächlich gezahlt worden ist (vgl BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R - BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr 7, RdNr 13; BSG Urteil vom 1.6.2017 - B 5 RS 5/17 R - juris RdNr 19; s auch bereits BSG Urteil vom 23.8.2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 4 RdNr 19). Daran konnte es auch beim Vorliegen der im "DDR-Recht" vorgesehenen Voraussetzungen fehlen.
b) Für den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der Jahresendprämie trägt der Zahlungsempfänger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast, dh das Risiko oder den Nachteil, falls sich diese Tatsache nicht beweisen lässt (non liquet). Für einen Teil des Verdienstes genügt gemäß § 6 Abs 6 AAÜG ein im Vergleich zum Regelbeweismaßstab abgesenkter Beweisgrad der Glaubhaftmachung, der anders als der Vollbeweis keine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern lediglich eine überwiegende Wahrscheinlichkeit fordert (vgl dazu zB BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 28). Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes" und "der andere Teil" in § 6 Abs 6 AAÜG sind prinzipiell weit und ermöglichen es, die Glaubhaftmachung sowohl auf die Höhe als auch auf den Zufluss des Verdienstteils oder auf beides zu beziehen (vgl BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R - BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr 7, RdNr 14 f; BSG Urteil vom 1.6.2017 - B 5 RS 5/17 R - juris RdNr 20 f). Wird ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht, wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt. § 6 Abs 6 AAÜG enthält insoweit abschließende Regelungen zu Möglichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung. Für eine einzelfallbezogene Schätzung auf Grundlage der allgemeinen Schätzungsvorschrift des § 287 ZPO ist daneben nach der Rechtsprechung des BSG kein Raum (vgl BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R - BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr 7, RdNr 16, 19; BSG Urteil vom 1.6.2017 - B 5 RS 5/17 R - juris RdNr 22, 25).
c) § 6 Abs 6 AAÜG knüpft nach seinem Wortlaut daran an, dass "ein Teil" des Verdienstes nachgewiesen ist, und erlaubt in der Folge, dass "der andere Teil" lediglich glaubhaft gemacht wird (s hierzu BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 5 RS 4/16 R - BSGE 122, 197 = SozR 4-8570 § 6 Nr 7 RdNr 15; BSG Urteil vom 1.6.2017 - B 5 RS 5/17 R - juris RdNr 21). Dementsprechend kann hinsichtlich der Jahresendprämien der abgesenkte Beweismaßstab der Glaubhaftmachung Anwendung finden, wenn - wie hier - zB das monatlich erzielte Arbeitsentgelt des Klägers als "ein Teil" des Verdienstes bereits nachgewiesen ist. Danach ist es auch denkbar, dass der Tatrichter die Höhe der gezahlten Jahresendprämie nur bis zu einem bestimmten Betrag für glaubhaft gemacht hält, während ein darüber hinausgehender Betrag nicht glaubhaft gemacht, sondern zB nur für möglich gehalten oder sogar als gänzlich ausgeschlossen angesehen wird. Innerhalb eines zahlenmäßig teilbaren Geldbetrags ist es nicht ausgeschlossen, nur für einen betragsmäßigen Anteil die Voraussetzungen des nach § 6 Abs 6 AAÜG abgesenkten Beweisgrades zu bejahen. Dadurch wird nicht der Beweismaßstab im Sinne einer Schätzungswahrscheinlichkeit vermindert (aA LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 10.3.2022 - L 17 R 471/19 - juris RdNr 33; "konservative Schätzung"; Thüringer LSG Urteil vom 14.9.2022 - L 3 R 332/19 - Umdruck S 11, nicht veröffentlicht). Es wird vielmehr der in § 6 Abs 6 AAÜG vorgesehene Beweismaßstab angewendet und dabei nur ein Teilbetrag als glaubhaft gemacht angesehen. Nach dem Wortlaut des § 6 Abs 6 AAÜG muss es auch nicht überwiegend wahrscheinlich sein, dass eine Jahresendprämie "ausschließlich" in Höhe der "Mindest-Jahresendprämie" gezahlt worden ist (aA Sächsisches LSG Urteile vom 21.4.2020 - L 4 R 703/19 ZV - juris RdNr 60 und - L 4 R 461/19 ZV - juris RdNr 63). Die Glaubhaftmachung des Zuflusses einer Jahresendprämie in einer Mindesthöhe schließt es gerade nicht aus, dass tatsächlich ein höherer Verdienst erzielt worden ist.
Dementsprechend hat das LSG den tatsächlichen Zufluss der Jahresendprämie dem Grunde nach und in der Höhe eines Mindestbetrags nicht lediglich für wahrscheinlich gehalten, sondern bis zu dieser Höhe - im Jahr 1976 zB in Höhe von 316,69 Mark - ausdrücklich als glaubhaft angesehen (zu nicht glaubhaft gemachten Zahlungen bereits dem Grunde nach vgl zB Bayerisches LSG Urteil vom 24.10.2019 - L 1 RS 2/16 - juris RdNr 38 ff; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.3.2022 - L 17 R 360/19 - juris RdNr 26 ff und Thüringer LSG Urteil vom 14.9.2022 - L 3 R 332/19 - Umdruck S 11, nicht veröffentlicht). Den Zufluss eines höheren Betrags hat es aufgrund konkret benannter Umstände des Einzelfalls nicht für überwiegend wahrscheinlich gehalten. Darin liegt keine Festsetzung von für wahrscheinlich gehaltenen Zahlenwerten, sondern lediglich eine Differenzierung danach, bis zu welchem konkreten (Teil-) Betrag das erforderliche Beweismaß erfüllt ist und für welchen (Teil-)Betrag dies nicht mehr gegeben ist.
d) Soweit die Beklagte mit ihrer Rechtsfrage auch geklärt haben will, ob die Zahlung einer Jahresendprämie in Höhe eines Mindestbetrags überhaupt glaubhaft gemacht werden kann, mithin die Zahlung in einer festgelegten Mindesthöhe für wahrscheinlicher gehalten werden kann als die Zahlung in übersteigender Höhe, betrifft dies die freie richterliche Beweiswürdigung gemäß § 128 Abs 1 Satz 1 SGG, die nach § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG einer Überprüfung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entzogen ist (zur eingeschränkten Überprüfbarkeit im Revisionsverfahren vgl BSG Urteil vom 28.6.2018 - B 5 RS 7/17 R - juris RdNr 33 f). Die Voraussetzungen, unter denen eine Tatsache als glaubhaft gemacht anzusehen ist, sind höchstrichterlich geklärt (vgl ua BSG Urteil vom 15.12.2016 - B 9 V 3/15 R - BSGE 122, 218 = SozR 4-3800 § 1 Nr 23, RdNr 28). Ebenso wie der Vollbeweis erfordert auch die Glaubhaftmachung, dass zuvor der Sachverhalt so weit als möglich nach den Regeln des Untersuchungsgrundsatzes aufgeklärt worden ist (vgl § 103 SGG). Dementsprechend sind alle verfügbaren Beweismittel und Informationen für die Feststellung der wesentlichen Tatsachen zu verwerten. Bei den vom LSG herangezogenen Vorschriften der Prämienfonds-VOen handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um sogenannte "generelle Tatsachen" (zu den Besoldungs- und Verpflegungsordnungen der DDR-Zollverwaltung vgl BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 5 RS 2/18 R - BSGE 128, 219 = SozR 4-8570 § 6 Nr 8, RdNr 13 ff; zum Verpflegungs- bzw Bekleidungsgeld im Bereich der Volkspolizei vgl BSG Urteil vom 9.12.2020 - B 5 RS 3/20 R - SozR 4-8570 § 6 Nr 11 RdNr 13). Sie können zur Tatsachenfeststellung beitragen, soweit sie eine ihren Regeln entsprechende Lebenspraxis indizieren (vgl BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 5 RS 2/18 R - BSGE 128, 219 = SozR 4-8570 § 6 Nr 8 RdNr 17). Dass den Prämienfonds-VOen - wie auch das Berufungsgericht zu Recht annimmt - ein individueller Anspruch des einzelnen Beschäftigten nicht entnommen werden kann, steht ihrer Einbeziehung in die Würdigung aller Gesamtumstände des Einzelfalls nicht entgegen (aA Bayerisches LSG Urteil vom 24.10.2019 - L 1 RS 2/16 - juris RdNr 48).
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3. Soweit die Beklagte als weitere Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft: |
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"Sind die als generelle Tatsachen geltenden Verordnungen über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds der ehemaligen DDR und die darin enthaltenen Bestimmungen |
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§ 9 Absatz 7 der Prämienfonds-VO 1968, |
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§ 12 Nummer 6 Satz 1 der Prämienfonds-VO 1971 und |
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§ 6 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 der Prämienfonds-VO 1972 |
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nach ihrem Sinn und Zweck dahin gehend zu bewerten beziehungsweise zu interpretieren, dass für ehemals in der DDR Beschäftigte, die den Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach glaubhaft belegt haben, Jahresendprämien in Form eines Mindestbetrages von einem Drittel ihres jeweiligen durchschnittlichen Monatsbruttoverdienstes als glaubhaft gemachtes zusätzliches Arbeitsentgelt im Rahmen des AAÜG festzustellen sind?" |
kann offenbleiben, ob sie damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zu revisiblem Recht formuliert (§ 162 SGG). Die unterlassene oder die unvollständige Berücksichtigung genereller Tatsachen durch das Berufungsgericht kann zu einer fehlerhaften Beweiswürdigung führen (vgl BSG Urteil vom 4.5.1999 - B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 § 8 Nr 3 S 18 - juris RdNr 20). Im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde können solche Fehler mit der Sachaufklärungsrüge (§ 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 103 SGG) geltend gemacht werden (vgl BSG Beschluss vom 12.4.2023 - B 2 U 50/22 B - juris RdNr 8 mwN; s auch BSG Beschluss vom 7.10.2005 - B 1 KR 107/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 6, 8). Dass das LSG seiner Sachaufklärungspflicht nicht nachgekommen wäre, wird von der Beklagten indes nicht gerügt. |
Soweit die Beklagte mit dieser Rechtsfrage eine Bewertung der genannten Bestimmungen der Prämienfonds-VOen im Rahmen des § 6 Abs 1 und 6 AAÜG iVm § 14 SGB IV durch das Revisionsgericht erstrebt (vgl dazu BSG Urteil vom 27.6.2019 - B 5 RS 2/18 R - BSGE 128, 219 = SozR 4-8570 § 6 Nr 8, RdNr 20), besteht kein Klärungsbedarf in einem Revisionsverfahren. Die Prämienfonds-VOen begründeten - nach der insoweit übereinstimmenden und zutreffenden Auffassung aller Instanzgerichte - keine individuellen Ansprüche und erlauben keine generellen Rückschlüsse darauf, dass Jahresendprämien auch tatsächlich zugeflossen sind. Gleichwohl kann ihnen Bedeutung bei der Beweiswürdigung im Einzelfall zukommen. Dass allein aufgrund der Glaubhaftmachung des Zuflusses einer Jahresendprämie stets von einem Mindestbetrag auszugehen ist, ist dem "DDR-Recht" nicht zu entnehmen und auch vom LSG nicht angenommen worden. Das LSG hat vielmehr nach eingehenden Ermittlungen zu den in den Prämienfonds-VOen genannten Voraussetzungen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls des Klägers die Zahlung der Jahresendprämien nur für bestimmte Jahre jedenfalls in Höhe eines Mindestbetrags als glaubhaft gemacht angesehen.
Fundstellen
Dokument-Index HI16079242 |