Verfahrensgang
SG Halle (Saale) (Entscheidung vom 28.02.2018; Aktenzeichen S 7 SO 222/13) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 04.03.2021; Aktenzeichen L 8 SO 14/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 4. März 2021 wird als unzulässig verworfen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3 014,46 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Im Streit ist ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Höhe von 3014,46 Euro im Zeitraum Juli 2007 bis Oktober 2008.
Die Klägerin ist Trägerin einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe und eines ambulanten Pflegedienstes. Der bei der beigeladenen Krankenkasse gesetzlich versicherte leistungsberechtigte R B (B) lebte im streitigen Zeitraum in der Einrichtung der Klägerin und erhielt vom Beklagten Leistungen der Eingliederungshilfe, der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung und der Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII; Bescheide der Stadt H im Namen des Beklagten vom 21.6.2007, 10.4.2007, 24.8.2008). Vom Pflegedienst der Klägerin erhielt B Leistungen der häuslichen Krankenpflege, obgleich die Beigeladene (Bescheide vom 18.7.2007, 23.7.2007, 18.9.2008, 24.9.2008) und der Sozialhilfeträger (Bescheide vom 19.9.2007, 23.7.2008) gegenüber B die Bewilligung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege abgelehnt hatten.
Die von der Klägerin 2013 im eigenen Namen erhobene Klage, mit der sie die Vergütung von ihr erbrachter Pflegeleistungen geltend gemacht hat, ist erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Halle vom 28.2.2018; Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ Sachsen-Anhalt vom 4.3.2021). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, der Klägerin fehle es an einem eigenen Recht, für B Ansprüche zu verfolgen. Es fehle an den sozialhilferechtlichen Voraussetzungen für einen Schuldbeitritt des Beklagten zu einer Schuld des B. Ein Anspruch gegen die Beigeladene komme wegen deren bestandskräftiger Ablehnungsbescheide nicht in Betracht. Außerdem seien Zahlungsansprüche aus den Jahren 2007 und 2008 bei Klageerhebung 2013 bereits verjährt gewesen.
Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde und macht die grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend. Der Rechtsstreit werfe die Frage auf, ob der Vergütungsanspruch der Klägerin von einem Schuldbeitritt des Leistungsträgers abhänge; Gegenstand der Klage sei nicht der Zahlungsanspruch der Klägerin aus einem Schuldbeitritt, sondern ein darüber hinausgehender Zahlungsanspruch. Außerdem sei die Frage klärungsbedürftig, ob der Sozialhilfeträger den Bedarf des Betroffenen decken müsse, wenn weder die Kranken- noch die Pflegekasse zur Gewährung der Behandlungspflege verpflichtet sei. Schließlich beruhe das LSG-Urteil auf der Rechtsfrage, wann die Verjährung bei Ansprüchen aus öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnissen zu laufen beginne, was das LSG nicht geprüft habe.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) nicht in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht; es fehlt schon an einer hinreichenden den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit.
Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl nur BSG vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17; BSG vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 8; BSG vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - RdNr 4). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung vorliege oder durch die schon vorliegenden Urteile die aufgeworfenen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht beantwortet werden können. Hieran fehlt es. Zu der ersten Frage, ob der Vergütungsanspruch der Klägerin von einem Schuldbeitritt des Leistungsträgers abhänge, fehlt es schon an der erforderlichen Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Senats zum sog sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis (grundlegend: BSG vom 28.10.2008 - B 8 SO 22/07 R - BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9). Der Schuldbeitritt hat danach zum einen einen - auf den Umfang der dem Leistungsempfänger bewilligten Leistung beschränkten - unmittelbaren Zahlungsanspruch der Einrichtung gegen den Sozialhilfeträger, zum anderen einen Anspruch des Hilfeempfängers gegen den Sozialhilfeträger auf Zahlung an die Einrichtung zur Folge (BSG, aaO, RdNr 25). Abgesehen davon, dass die Klägerin die vertragliche Vereinbarung mit B und die Höhe der von ihm vertraglich geschuldeten Unterbringungskosten nicht darlegt, sodass es auch an der Darlegung der Klärungsfähigkeit fehlt, zeigt sie nicht ansatzweise auf, weshalb sich mit Blick auf diese Rechtsprechung die von ihr aufgeworfene Frage nicht beantworten lässt. Ihre Begründung unterlässt vielmehr jegliche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung zu den Auswirkungen eines Schuldbeitritts des Sozialhilfeträgers im sozialhilferechtlichen Leistungsdreieck. Allein die Behauptung, es werde ein über den Schuldbeitritt hinausgehender Zahlungsanspruch geltend gemacht, genügt zur Darlegung des Klärungsbedarfs nicht. Insbesondere fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, woraus sich ein solcher über den erklärten Schuldbeitritt hinausgehender Zahlungsanspruch ergeben soll (vgl auch BSG vom 7.7.2021 - B 8 SO 8/21 B - juris).
Ist die Rechtsfrage höchstrichterlich bereits geklärt, kann die Klärungsbedürftigkeit zwar ausnahmsweise bejaht werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringem Umfang widersprochen wird und gegen sie Einwendungen vorgebracht werden, die nicht als abwegig anzusehen sind (BSG vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - RdNr 7 mwN). Eine solche Ausnahme hat die Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung aber nicht dargetan. Dazu hätte es der Aufarbeitung des fachwissenschaftlichen Schrifttums und ggf nach den genannten BSG-Entscheidungen ergangener Entscheidungen von Instanzgerichten, die sich mit dieser auseinandersetzen, bedurft. Es steht nicht im Belieben eines Beteiligten, eine von ihm nicht akzeptierte Rechtsprechung erneut vom Revisionsgericht überprüfen zu lassen (vgl BSG vom 19.7.2011 - B 8 SO 19/11 B - juris RdNr 7 mwN; BSG vom 18.2.1988 - 5/5b BJ 274/86, juris).
Der Klärungsbedarf wird auch bei der zweiten Frage nicht hinreichend dargelegt. Die Klägerin hat sich mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auseinandergesetzt, wonach ein Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken hat, aber die medizinische Behandlungspflege Aufgabe der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Sozialhilfeträger zu erbringen hat und dass Einrichtungen der Eingliederungshilfe regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen schulden, sondern nur organisatorisch dafür Sorge tragen müssen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können (vgl BSG vom 25.2.2015 - B 3 KR 11/14 R - BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 17 ff, 24). Im Übrigen ist nicht erkennbar, inwieweit die aufgeworfene Frage sich im Revisionsverfahren überhaupt stellt und damit entscheidungserheblich sein soll. Die in der Beschwerdebegründung genannten §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, die die Klägerin zur Begründung heranzieht, regeln erkennbar keinen Zahlungsanspruch zugunsten der Einrichtung, sondern ausschließlich einen (Sachleistungs-)Anspruch des Versicherten, der gar nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist.
Soweit die Klägerin die Frage aufwirft, wann die Verjährung zu laufen begonnen habe, fehlt jede Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit dieser Frage. Die Klägerin behauptet letztlich nur eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Berufungsgericht, die nicht zur Zulassung der Revision führt (vgl BSG vom 26.9.2017 - B 14 AS 177/17 B - mwN). Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl nur BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7). Im Übrigen setzt der Beginn der Verjährung einen Zahlungsanspruch der Klägerin voraus, der schon nicht schlüssig dargetan ist (s oben).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 1, § 47 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).
Fundstellen
Dokument-Index HI14934826 |