Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Urteil vom 13.05.1993)

 

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 13. Mai 1993 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid der Beklagten, mit dem diese die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) zurückgenommen hat.

Der Kläger bezog ab 25. Januar 1990 Alg; die Zahlung wurde jedoch mit Wirkung ab 29. März 1990 eingestellt und die Bewilligung später ab diesem Zeitpunkt zurückgenommen, weil der Kläger als Geschäftsführer der I. … -GmbH entgegen früherer Annahme nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe und deshalb die Anwartschaftszeit für die Gewährung von Alg nicht erfüllt sei (Bescheid vom 11. Juli 1990; Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 1990). Während das Sozialgericht der Klage stattgab (Urteil vom 18. November 1991), hat das Landessozialgericht (LSG) den Bescheid der Beklagten bestätigt (Urteil vom 13. Mai 1993).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde, mit der der Kläger das zweitinstanzliche Urteil angreift, ist unzulässig. Er hat die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) und Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG), auf die er sich beruft, nicht in der erforderlichen Weise aufgezeigt.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe, muß diese in der Begründung dargelegt werden (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder -fortbildung einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Es muß daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angegeben werden, welche Rechtsfragen sich stellen, daß diese Rechtsfragen noch nicht geklärt sind, weshalb ihre Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und daß das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten läßt (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nrn 7, 11, 13, 31, 39, 59 und 65; SozR 3-1500 § 160 Nr 8; SozR 3-4100 § 111 Nr 1; BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nrn 6 und 7; Hennig/Danckwerts/König, SGG, Stand März 1993, § 160 Anm 7 und § 160a Anm 7.7; Kummer, Die Nichtzulassungsbeschwerde, 1990, RdNrn 106 ff; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 1991, IX. Kap RdNrn 180 ff; Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 160a RdNr 14). Diesen Anforderungen ist hier nicht genügt.

Der Kläger formuliert ausschließlich die Rechtsfrage, ob der Geschäftsführer einer GmbH, der an der Gesellschaft keinerlei Anteile besitzt, nicht als Arbeitnehmer einzustufen ist, wenn er Vorstandsvorsitzender eines eingetragenen Vereins ist, der alle Gesellschaftsanteile der GmbH hält. Soweit er darüber hinaus vorträgt, es begegne rechtlichen Bedenken, daß die Beklagte den Bewilligungsbescheid rückwirkend aufgehoben habe, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – nicht vorlägen, wird nur eine allgemeine Kritik an der zweitinstanzlichen Entscheidung geäußert; Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist indes nicht die Richtigkeit der Entscheidung des Berufungsgerichts (BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Soweit es die bezeichnete Rechtsfrage betrifft, fehlt es allerdings an der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Dafür ist unter Auswertung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Problemkreis vorzutragen, daß das BSG entweder noch keine Entscheidung gefällt hat oder durch die schon vorliegenden Urteile die aufgeworfene Frage von grundsätzlicher Bedeutung abstrakt noch nicht beantwortet ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 65; Krasney/Udsching, aaO, IX. Kap RdNr 183), und zwar unter Auseinandersetzung auch mit höchstrichterlichen Entscheidungen, die zur Auslegung vergleichbarer Regelungen anderer Rechtsgebiete ergangen sind (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8). Obwohl im Urteil des LSG auf Rechtsprechung des BSG verwiesen ist, finden sich hierzu keine Ausführungen in der Beschwerdebegründung. Es hätte aber einer Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis bedurft (vgl nur: BSGE 70, 81 ff = SozR 3-4100 § 104 Nr 8 mwN; BSG SozR 3-4100 § 168 Nr 8 mwN; Kasseler Komm, Sozialversicherungsrecht, Stand Mai 1993, § 7 SGB IV RdNrn 90 ff mwN).

Es fehlt außerdem am Vortrag zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage. Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nämlich nur, wenn sie für den zu entscheidenden Fall rechtserheblich ist (BFHE 105, 335, 336; Kummer, aaO, RdNr 128). Über die betreffende Frage müßte das Revisionsgericht also – in Ergänzung zur abstrakten Klärungsbedürftigkeit – konkret-individuell sachlich entscheiden können (BSG SozR 1500 § 160 Nrn 39 und 53 und § 160a Nr 31; BVerwG Buchholz 310 § 75 VwGO Nr 11; BFHE 96, 41, 44). Zwar hat der Kläger sich mit der Rechtsansicht des LSG zur Bewertung seiner Geschäftsführertätigkeit als abhängige Beschäftigung auseinandergesetzt, dabei allerdings nicht bedacht, daß es auf die Entscheidung dieser Frage uU dann nicht ankommt, wenn der angefochtene Bescheid der Beklagten bereits aus anderen Gründen aufzuheben wäre, etwa mangels hinreichender Ermessensausübung.

Schließlich hat der Kläger die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der aufgeworfenen Rechtsfrage nicht aufgezeigt. Nicht jedes höchstrichterlich unentschiedene Problem rechtfertigt es nämlich, die Revision zuzulassen. Die Entscheidung in einem Revisionsverfahren kann in einer die Allgemeinheit berührenden Weise das Recht nur dann fortentwickeln oder vereinheitlichen, wenn sich die Rechtsfrage als solche über den Einzelfall hinaus in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt. Daß der Ausgang des Rechtsstreits auch für andere Personen von Interesse ist, genügt dafür nicht (BVerwG Buchholz 235.16 § 5 LBesG Nr 1 und 430.0 § 40 BSHG Nr 9; BAG AP Nr 31 zu § 72a ArbGG 1979). Einzelfälle oder nur gelegentlich auftauchende Vergleichsfälle rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. In bezug auf diese Breitenwirkung liegt nicht einmal eine Behauptung des Klägers vor, so daß es keiner Ausführungen dazu bedarf, ob mehr als die reine Behauptung verlangt werden kann, wenn die Häufigkeit entsprechender Fallkonstellationen auf der Hand liegt oder dem Beschwerdeführer genauere Ausführungen nicht zumutbar sind. Jedenfalls genügt nicht der allgemeine Hinweis des Klägers, gemeinnützige, eingetragene Vereine bedienten sich – wie vorliegend – zur Erfüllung des satzungsmäßig festgelegten Vereinszwecks in zunehmendem Maße einer wirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragenden Handelsgesellschaft.

Die Beschwerdebegründung entspricht auch nicht den Anforderungen an eine Divergenzrüge nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG. Nach § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn das angegriffene Urteil von einer Entscheidung des BSG oder des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes abweicht und auf dieser Abweichung beruht.

Da von einer Abweichung nur bei einem Widerspruch im Rechtssatz gesprochen werden kann, müssen der Rechtssatz des angefochtenen Urteils und der der anderen Entscheidung, von der angeblich abgewichen wird, herausgearbeitet und deren Unvereinbarkeit dargelegt werden (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; Kummer, aaO, RdNrn 164 f mwN). Der Rechtssatz der anderen obergerichtlichen Entscheidung, die genau zu bezeichnen ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 14; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 48; BFHE 99, 25, 26; 138, 152, 153; BAGE 1, 10, 12), muß rechtserheblich gewesen sein; Abweichung setzt nämlich voraus, daß die gegenüberzustellenden Entscheidungen eine bestimmte Rechtsfrage nicht nur erwogen, sondern tatsächlich auch beantwortet haben (BSG SozR 1500 § 160 Nr 61; BVerwG Buchholz 310 § 132 VwGO Nr 86; Kummer, aaO, RdNrn 165 mwN). Schließlich verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, da das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruhen muß, eine Darlegung, daß das Urteil der Vorinstanz bei Zugrundelegung der Auffassung in der Entscheidung, von der abgewichen worden sein soll, anders hätte ausfallen müssen (Kummer, aaO, RdNr 168 mwN) und der divergierende Rechtssatz des angefochtenen Urteils entscheidungserheblich ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54).

Diesen Voraussetzungen genügt der Vortrag des Klägers nicht. Es wird lediglich ausgeführt, das Urteil des LSG sei von einer Entscheidung des BSG vom 22. August 1973 (Betriebsberater 1973, 1310) abgewichen. Dort sei entschieden worden, daß schon die Eingliederung eines Arbeitnehmers in den Betrieb ausreiche, um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu bejahen. Diese Entscheidung habe das LSG nicht berücksichtigt und nicht zur Eingliederung des Klägers in den Betrieb der Gesellschaft Stellung genommen. Damit fehlt es jedoch bereits an der Herausarbeitung eines vom LSG aufgestellten divergierenden Rechtssatzes; auf die weiteren bezeichneten Zulässigkeitsvoraussetzungen ist deshalb nicht einzugehen.

Entspricht die Beschwerde somit nicht den gesetzlichen Anforderungen, muß sie in entsprechender Anwendung des § 169 SGG als unzulässig verworfen werden (BSG SozR 1500 § 160a Nrn 1 und 5).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1174445

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