Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Begründung. Sachverhalt. Hinreichende Mitteilung. Verfahrensmangel. Darlegung. Amtsermittlungsprinzip. Beweisantrag, Schluss der mündlichen Verhandlung. Aufrechterhaltung
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Nichtzulassungsbeschwerdebegründung genügt nicht den Anforderungen des § 160a Abs. 2 S. 3 SGG, wenn der Beschwerdeführer den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat.
2. Ein Verfahrensmangel wird nur dann i.S. des § 160a Abs. 2 S. 3 SGG hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht.
3. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag, der bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder durch das Gericht in seiner Entscheidung wiedergegeben worden ist, ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Normenkette
SGG §§ 103, 109, 118 Abs. 1 S. 1, § 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3, § 160a Abs. 2 S. 3, Abs. 4 S. 2, § 169 Sätze 2-3; ZPO § 403
Verfahrensgang
SG Chemnitz (Entscheidung vom 05.02.2018; Aktenzeichen S 13 R 150/17) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 16.04.2019; Aktenzeichen L 4 R 151/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 16. April 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Mit Urteil vom 16.4.2019 hat das Sächsische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich ausschließlich auf einen Verfahrensmangel (Zulassungsgrund nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) wegen Verletzung des § 103 SGG.
II
Die Beschwerde der Klägerin ist als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG den geltend gemachten Verfahrensmangel nicht hinreichend bezeichnet.
Ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist der Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (vgl zB BSG Urteil vom 29.11.1955 - 1 RA 15/54 - BSGE 2, 81 - juris RdNr 4; BSG Beschluss vom 30.10.208 - B 13 R 59/18 B - juris RdNr 7). Neben der Geltendmachung des Vorliegens eines Verstoßes gegen das Verfahrensrecht ist mit der Beschwerdebegründung darzulegen, dass die angefochtene Entscheidung auf diesem Verstoß beruhen kann. Zugrunde zu legen ist die materiell-rechtliche Rechtsauffassung des LSG (BSG Urteil vom 28.5.1957 - 3 RJ 219/56 - SozR Nr 79 zu § 162 SGG; BSG Beschluss vom 31.1.1979 - 11 BA 166/78 - SozR 1500 § 160 Nr 33; BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 23). Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel allerdings nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.
Die Beschwerdebegründung vom 29.5.2019 genügt schon deshalb nicht den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG, weil die Klägerin bereits den Sachverhalt, der dem angefochtenen Urteil des LSG zugrunde liegt, nicht hinreichend mitgeteilt hat. Ihren Schilderungen sind - abgesehen von der "Einholung verschiedener Gutachten" und ihrem auf ein "Attest der Frau Dr. K. vom 28.11.2018" gestütztes schriftsätzliches Verlangen nach der Einholung einer ergänzenden Stellungnahme Dr. F. - allenfalls Fragmente der entscheidungserheblichen Tatsachen zu entnehmen. Hierfür fehlt es schon an einer - zumindest knappen - Darstellung des übrigen entscheidungserheblichen Sachverhalts. Vorliegend wird bereits der Gegenstand des Rechtsstreits nicht eindeutig kenntlich gemacht. Nur aufgrund der Frage nach der Möglichkeit zur Arbeit im Schichtbetrieb und der Erwähnung von Leistungseinschränkungen lässt sich erahnen, dass es der Klägerin um eine Rente wegen Erwerbsminderung gehen könnte. Ein Verfahrensmangel wird jedoch nur dann iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG hinreichend bezeichnet, wenn der Beschwerdeführer diesen hinsichtlich aller ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen darlegt, sodass das Beschwerdegericht allein anhand dieser Begründung darüber befinden kann, ob die angegriffene Entscheidung des LSG möglicherweise auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruht (vgl zB BSG Beschluss vom 16.11.2000 - B 4 RA 122/99 B - SozR 3-1500 § 160 Nr 33 - juris RdNr 16 mwN; BSG Beschluss vom 31.7.2017 - B 1 KR 47/16 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 30 RdNr 16 mwN). Demgegenüber ist es nicht Aufgabe des erkennenden Senats, sich den maßgeblichen Sachverhalt aus den Akten oder der angegriffenen Entscheidung des LSG herauszusuchen (vgl BSG Beschluss vom 31.5.2017 - B 5 R 358/16 B - juris RdNr 8 mwN; BSG Beschluss vom 26.1.2018 - B 13 R 309/14 B - juris RdNr 3 f).
Darüber hinaus wird mit der Beschwerdebegründung der geltend gemachte Verfahrensfehler auch deshalb nicht hinreichend bezeichnet, weil die Klägerin nicht darlegt, einen ordnungsgemäßen Beweisantrag iS des § 118 Abs 1 Satz 1 SGG, § 403 ZPO gestellt zu haben (zu den diesbezüglichen Anforderungen vgl zB BSG Beschluss vom 15.8.2018 - B 13 R 387/16 B - juris RdNr 6; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18a mwN), der in der mündlichen Verhandlung zumindest hilfsweise aufrechterhalten worden ist. Die Geltendmachung eines Verfahrensmangels wegen Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zudem kann ein - wie hier - in der Berufungsinstanz rechtsanwaltlich vertretener Beteiligter nur dann mit der Rüge des Übergehens eines Beweisantrags gehört werden, wenn er diesen bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung durch entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten hat oder das Gericht den Beweisantrag in seiner Entscheidung wiedergibt (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 160 RdNr 18c mwN). Beides ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.
Dass die Klägerin das Berufungsurteil inhaltlich für unrichtig hält, kann dagegen nicht zur Zulassung der Revision führen (stRspr; vgl zB BSG Beschluss vom 25.7.2011 - B 12 KR 114/10 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 4; BVerfG Beschluss vom 6.5.2010 - 1 BvR 96/10 - SozR 4-1500 § 178a Nr 11 RdNr 28 mwN).
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13890802 |