Verfahrensgang
SG Dresden (Entscheidung vom 20.07.2017; Aktenzeichen S 35 KN 616/14) |
Sächsisches LSG (Urteil vom 28.11.2018; Aktenzeichen L 6 KN 679/17) |
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 28. November 2018 Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Das Sächsische LSG hat mit Urteil vom 28.11.2018 das Urteil des SG aufgehoben und einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31.1.2014 hinaus verneint.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger Beschwerde beim BSG durch seinen Prozessbevollmächtigten eingelegt. Er macht einen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sowie das Vorliegen einer Rechtsprechungsabweichung (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend. Zuletzt hat er die Gewährung von PKH und die Beiordnung des unterzeichnenden Rechtsanwalts beantragt.
1. Der PKH-Antrag des Klägers ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Das ist hier nicht der Fall. Denn die bereits von einem Rechtsanwalt erhobene und begründete Nichtzulassungsbeschwerde erfüllt nicht die insoweit vorgeschriebenen formellen Voraussetzungen (dazu näher unter 2.). Damit entfällt zugleich die Beiordnung des Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die Beschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom 24.3.2019 genügt nicht der vorgeschriebenen Form, denn die geltend gemachten Zulassungsgründe werden nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargetan.
a) Wird die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensmangels begehrt, muss in der Begründung die bundesrechtliche Verfahrensnorm, die das Berufungsgericht verletzt haben soll, hinreichend genau bezeichnet sein. Zudem müssen die tatsächlichen Umstände, welche den Verstoß begründen sollen, substantiiert dargetan und darüber hinaus dargestellt werden, inwieweit die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 4). Dabei ist zu beachten, dass ein Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG gestützt werden kann und dass die Rüge einer Verletzung der Sachaufklärungspflicht nach § 103 SGG nur statthaft ist, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG).
Diese Anforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht.
In ihr wird eine Verletzung des § 153 Abs 1 SGG iVm §§ 103, 106 Abs 3 Nr 7 SGG bzw des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) und eines fairen Verfahrens gerügt, weil der Kläger nicht persönlich zur mündlichen Verhandlung geladen worden sei. Dadurch sei ihm die Möglichkeit genommen worden, sich zum Sachverhalt aus seiner Sicht zu äußern und Beweisanträge zu stellen. Das rechtliche Gehör sei unabhängig von einer anwaltlichen Vertretung zu gewähren.
Soweit der Kläger damit sinngemäß rügt, das Berufungsgericht habe die Anordnung des persönlichen Erscheinens (§ 111 Abs 1 SGG) fehlerhaft unterlassen, ist aufgrund des Vorbringens kein Verfahrensfehler des LSG ersichtlich. Die persönliche Anhörung steht im Ermessen des Gerichts und lässt ihm einen großen Entscheidungsspielraum (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 4.5.2017 - B 3 KR 5/17 B - juris RdNr 11). Die Anordnung des persönlichen Erscheinens kann zwar im Ausnahmefall geboten sein, etwa wenn der schriftliche Vortrag eines Beteiligten wegen Unbeholfenheit oder Sprachunkenntnis keine Sachverhaltsaufklärung gewährleistet und ein Erscheinen auf eigene Kosten undurchführbar ist (vgl BSG Urteil vom 15.7.1992 - 9a RV 3/91 - juris RdNr 11). Ein entsprechender Sachverhalt ist hier aber nicht vorgetragen worden. Ebenso wenig wird aus dem vorgetragenen Sachverhalt ersichtlich, warum es dem Kläger nicht auch ohne Anordnung des persönlichen Erscheinens selbst oder durch seinen Prozessbevollmächtigten möglich gewesen sein soll, sich Gehör zu verschaffen. Im Übrigen verlangen weder Art 103 Abs 1 GG noch § 62 SGG, dass der Beteiligte selbst gehört wird (vgl BSG Beschluss vom 13.11.2017 - B 13 R 152/17 B - juris RdNr 11; BSG Beschluss vom 31. Mai 2011 - B 13 R 103/11 B - juris RdNr 8 mwN).
b) Der Zulassungsgrund der Divergenz wird ebenfalls nicht in der nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG gebotenen Weise dargelegt.
Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Zur ordnungsgemäßen Darlegung einer Divergenz sind ein oder mehrere entscheidungstragende Rechtssätze aus dem Berufungsurteil und zu demselben Gegenstand gemachte und fortbestehende aktuelle abstrakte Aussagen aus einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG einander gegenüberzustellen; zudem ist näher zu begründen, weshalb diese nicht miteinander vereinbar sind und inwiefern die Entscheidung des LSG auf der Abweichung beruht (stRspr; vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 17; BSG Beschluss vom 19.7.2012 - B 1 KR 65/11 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 32 RdNr 21). Nicht ausreichend ist es hingegen, wenn die fehlerhafte Anwendung eines als solchen nicht in Frage gestellten höchstrichterlichen Rechtssatzes durch das Berufungsgericht geltend gemacht wird (bloße Subsumtionsrüge), denn nicht die Unrichtigkeit einer Entscheidung im Einzelfall, sondern nur eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen ermöglicht die Zulassung der Revision wegen Divergenz (vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 f; BSG Beschluss vom 24.4.2015 - B 13 R 37/15 B - juris RdNr 6).
Diesen Darlegungsanforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Soweit der Kläger vorträgt, dass das Urteil des Berufungsgerichts den vom BSG aufgestellten Grundsätzen im Zusammenhang mit der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht genüge, weil sich das LSG nicht hinreichend mit seinem speziellen Restleistungsvermögen auseinandergesetzt habe und dieses nicht ausreichend von Amts wegen aufgeklärt habe, benennt er keinen widersprechenden abstrakten Rechtssatz, sondern macht die falsche Rechtsanwendung des LSG geltend. Die inhaltliche Richtigkeit der Entscheidung des LSG im Einzelfall ist aber nicht zulässiger Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde (stRspr, zB BSG Beschluss vom 29.4.2019 - B 12 R 59/18 B - juris RdNr 14).
Soweit es dem Kläger im Kern um eine ungenügende Sachaufklärung (§ 103 SGG) insbesondere auch berufskundlicher Tatsachen zum Berufsbild des Pförtners geht, hat er keinen bis zuletzt aufrecht erhalten Beweisantrag benannt. Diese für die Zulässigkeit einer Sachaufklärungsrüge erforderliche Darlegungsanforderung kann auch nicht durch eine Rüge in anderer Gestalt umgangen werden. Andernfalls liefen die Beschränkungen, die § 160 Abs 2 Nr 3 SGG für die Sachaufklärung normiert, im Ergebnis leer (vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7; BSG Beschluss vom 22.10.2008 - B 5 KN 1/06 B - juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 28.9.2010 - B 5 R 202/10 B - juris RdNr 11).
c) Die Bitte des Klägers um einen richterlichen Hinweis für den Fall, dass „weitere Darlegungen für notwendig“ erachtet würden, kann nicht dazu führen, dass von einer Entscheidung über die nicht formgerecht begründete Beschwerde zunächst abzusehen wäre. Denn es besteht keine Verpflichtung des Senats, den anwaltlich vertretenen Kläger vor einer Entscheidung über seine Beschwerde auf Mängel der Beschwerdebegründung hinzuweisen. Das Gesetz unterstellt, dass ein Rechtsanwalt in der Lage ist, die Formerfordernisse einzuhalten; gerade dies ist ein Grund für den Vertretungszwang des § 73 Abs 4 SGG(vgl Senatsbeschluss vom 31.5.2011 - B 13 R 103/11 B - juris RdNr 10) .
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13855510 |