Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 15. Dezember 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Beschwerdeverfahren. Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Im Streit ist die Übernahme von Kosten für von September 2019 bis Dezember 2019 in Anspruch genommene Leistungen der konduktiven Therapie nach Petö in Höhe von insgesamt 1170 Euro.
Der 2011 geborene Kläger ist infolge einer dyskenische Zerebralparese sowie einer damit einhergehenden sprachlichen Entwicklungsstörung und einer globalen Entwicklungsverzögerung in seiner Fortbewegung und der Kommunikation stark eingeschränkt. Er ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100; die Merkzeichen B, G, aG und H sind festgestellt. Er nimmt seit 2013 Leistungen der konduktiven Förderung nach Petö durch den Beigeladenen in Anspruch. Der Beigeladene stellte dem Kläger ua für die Monate September 2019 bis Dezember 2019 hierfür insgesamt 1170 Euro in Rechnung, von denen der Kläger 702 Euro beglichen hat. Hinsichtlich des Restbetrags in Höhe von 468 Euro ist auf den Rechnungen vermerkt "Restbetrag nach Bewilligungsbescheid durch den Kostenträger". Unter anderem für die Zeit ab 2018 lehnte die Beklagte die Übernahme der Kosten ab(Bescheid vom 15.3.2018; Widerspruchsbescheid vom 4.7.2018) . Die Klage hiergegen hat keinen Erfolg gehabt(Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ Düsseldorf vom 28.9.2021) . Auf die Berufung, die der Kläger auf die Erstattung der für die Zeit von September bis Dezember 2019 angefallenen Kosten beschränkt hat, hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die Beklagte zur begehrten Kostenerstattung verurteilt. Zur Begründung hat es im Einzelnen ausgeführt, im vorliegenden Einzelfall stelle die Petö-Therapie eine geeignete und erforderliche Maßnahme der sozialen Teilhabe dar. Der Kostenerstattung in vollem Umfang stehe der Umstand, dass nach den Rechnungen ein Betrag 468 Euro als "Restbetrag nach Bewilligungsbescheid durch den Kostenträger" ausgewiesen worden sei, nicht entgegen. Es handele sich um eine Stundungsregelung verbunden mit einem unter eine Bedingung gestellten Erlass der Forderung. Der für den Fall des Unterliegens vereinbarte Erlass ändere nichts daran, dass der Kläger bis zu der Entscheidung des Senats einer Forderung durch die Beigeladene ausgesetzt gewesen sei(Urteil vom 15.12.2022) .
Gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil richtet sich die Beschwerde der Beklagten, die eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine Divergenz geltend macht.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil weder der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung(§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) noch eine Divergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) in der gebotenen Weise dargelegt worden ist. Der Senat konnte deshalb über die Beschwerde ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter nach § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG entscheiden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Rechtsfrage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden(vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) . Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Beklagten nicht gerecht.
Die Beklagte formuliert die Frage, ob "(…...) eine im Rahmen des SGB XII zu berücksichtigende wirksame Zahlungsverpflichtung des Hilfeempfängers gegenüber dem Leistungserbringer, der die Leistung erbringen soll, auch dann (besteht), wenn durch den Leistungserbringer bereits von Anfang an klargestellt worden ist, dass keine Zahlung vom Hilfeempfänger durch den Leistungserbringer verlangt werden wird, wenn dieser wiederum keine Kostenerstattung durch den Sozialhilfeträger erhält". Es bestehen bereits Zweifel, ob die Beklagte damit überhaupt eine abstrakte, über die Lösung des konkreten Einzelfalls hinausgehende Rechtsfrage aufwirft. Jedenfalls legt sie nicht ausreichend dar, weshalb die aufgeworfene Frage abstrakt klärungsbedürftig sein sollte und nicht schon - in ihrem Sinne - entschieden ist. Die Beklagte führt selbst aus, dass nach der Rechtsprechung des Senats Voraussetzung für die Übernahme einer Vergütung durch den Sozialhilfeträger im Wege des Schuldbeitritts ist, dass der Sozialhilfeempfänger dem Leistungserbringer vertraglich überhaupt ein Entgelt schuldet. Sie legt aber nicht dar, welche grundsätzlichen Fragen sich vorliegend im Anschluss daran noch stellen sollten. Für eine ausreichende Darlegung genügt der Verweis auf andere Entscheidungen von LSGen ohne jede weitere Auseinandersetzung mit den dort aufgestellten Rechtssätzen nicht. Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung genügt auch nicht der Hinweis darauf, dass das BSG über eine bestimmte zivilrechtliche Konstellation im Verhältnis von Leistungsempfänger und Leistungserbringer noch nicht entschieden hat. Allein die Frage, ob das LSG im Einzelfall bei der Auslegung der vertraglichen Abreden zutreffend davon ausgegangen ist, dass der Kläger hier noch einer ernsthaften Forderung ausgesetzt war, kann die Zulassung der Revision schließlich nicht begründen(vgl nurBSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7) .
Soweit die Beklagte eine Divergenz zu einer Entscheidung des BSG behauptet, genügt ihr Vorbringen ebenfalls nicht den gesetzlichen Anforderungen. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz(§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen(vgl zBBSG vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4 ;BSG vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4 ;BSG vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - RdNr 4 mwN) . Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat.
Die Beklagte stellt schon keinen abstrakten Rechtssatz dar, den das LSG in Abweichung von den von ihr genannten Entscheidungen des BSG(vom 28.8.2018 - B 8 SO 5/17 R ;BSG vom 9.12.2016 - B 8 SO 8/15 R - BSGE 122, 154 = SozR 4-3500 § 53 Nr 5 undBSG vom 22.3.2012 - B 8 SO 30/10 R - BSGE 110, 301 = SozR 4-3500 § 54 Nr 8) aufgestellt haben sollte. Sie führt lediglich aus, das LSG habe eine gegenüber der Entscheidung des BSG vom 28.8.2018 "andere Prüfungsreihenfolge" aufgestellt und sei mit dem von ihm eingeschlagenen Entscheidungsweg von der Entscheidung des BSG abgewichen. Das LSG habe unterstellt, dass die Therapie im allgemeinen geeinigt sei, ohne den Einzelfall zu berücksichtigen und sei dann davon ausgegangen, dass für diese Therapie, da aus Sicht des LSG keine medizinische Maßnahme vorliegen würde, automatisch die Kosten zu übernehmen wären. Auch bezogen auf die behauptete Divergenz zur Entscheidung des BSG vom 9.12.2016 stellt sie nur dar, das BSG habe den Rechtssatz aufgestellt, wonach die Erforderlichkeit und Eignung der Hilfe eine am Einzelfall orientierte, individuelle Beurteilung und ein individualisiertes Förderverständnis verlange, das einer Kategorisierung der in Betracht kommenden Hilfen bzw Maßnahmen nach abstraktgenerellen Kriterien entgegenstehe, während das LSG - nach ihrer Behauptung - von einer allgemeinen Eignung der Petö-Therapie ausgegangen sei. Schließlich genügen auch die Ausführungen zur behaupteten Divergenz mit der Entscheidung des BSG vom 22.3.2012 nicht. Die Beklagte behauptet selbst nur, das LSG habe den Rechtssatz, wonach "allgemein gehaltene Bewertungen einer Therapie eine individuelle Bewertung nicht ersetzen" könnten, nicht "berücksichtigt". Im Ergebnis rügt sie mit ihrem Vortrag insgesamt lediglich die aus ihrer Sicht fehlerhafte Maßstabbildung des LSG in Anwendung der Rechtsprechung des BSG, ohne aber einen abstrakten Rechtssatz aufzuzeigen, den das LSG (davon abweichend) selbst aufgestellt hätte.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des§ 193 SGG .
Fundstellen
Dokument-Index HI16322916 |