Verfahrensgang

Hessisches LSG (Urteil vom 16.12.1991)

 

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 16. Dezember 1991 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Versichertenrente wegen Berufsunfähigkeit. Der Kläger führte als Elektroinstallateurmeister einen Handwerksbetrieb, in dem keine Lehrlinge ausgebildet wurden. Seinen Antrag auf Berufsunfähigkeitsrente lehnte die Beklagte ab. Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) ging davon aus, daß der Kläger nur noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten mit weiteren Einschränkungen (ua wechselnde Körperhaltung) verrichten könne. Als selbständig tätiger Handwerksmeister sei der Kläger im Rahmen des zu § 1246 Abs 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) entwickelten Mehrstufenschemas der Gruppe der besonders hochqualifizierten Facharbeiter zuzuordnen. Zumutbare Verweisungstätigkeiten auf Facharbeiterebene seien nicht vorhanden. Hierbei stützt sich das LSG auf die von ihm eingeholte Auskunft des Landesarbeitsamtes Hessen vom 9. Dezember 1991.

Mit ihrer Beschwerde rügt die Beklagte als wesentlichen Verfahrensmangel (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), das LSG habe § 128 Abs 1 Satz 2 SGG dadurch verletzt, daß es im Hinblick auf die vorliegenden ärztlichen Gutachten nicht nachvollziehbar begründet habe, warum der Kläger nur noch zu Arbeiten in wechselnder Körperhaltung fähig sei. Ohne diese Leistungseinschränkung könnte der Kläger noch auf die Tätigkeiten eines Verkäufers und Kundenberaters verwiesen werden. Weiter rügt die Beklagte eine Abweichung des angefochtenen Urteils vom Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. Juli 1987 (4a RJ 71/86 = SozR 2200 § 1246 Nr 145), weil das LSG den Kläger als Alleinmeister der Gruppe der besonders hochqualifizierten Facharbeiter zugeordnet habe, obwohl er – wie die Rechtsprechung des BSG fordere -keine Lehrlinge ausgebildet habe. Sie hält in diesem Zusammenhang die Frage der Notwendigkeit der Ausbildung von Lehrlingen für die Einordnung eines Handwerksmeisters in das Mehrstufenschema für grundsätzlich bedeutsam im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.

Der Kläger tritt der Beschwerde zu Recht entgegen.

Die Rüge, das LSG habe dem Gutachten von Dr. O. … eine Aussage entnommen, die darin nicht enthalten war, betrifft die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 SGG). Auf Mängel der Beweiswürdigung kann aber nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift die Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 zweiter Halbsatz, zweite Alternative SGG). Das gilt auch, wenn – wie die Beklagte dies hier darlegt – offensichtliche Widersprüche zwischen der Folgerung des Gerichts und der Aussage des Sachverständigen vorliegen.

Solche Widersprüche können auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 136 Abs 1 Nr 6 SGG als Grundlage einer Nichtzulassungsbeschwerde dienen. Dem Fehlen von Gründen sind zwar auch Begründungen gleichzustellen, die in sich widersprüchlich sind und deshalb eine Nachprüfung nicht ermöglichen. Ein solcher Fall wird aber von der Beklagten nicht aufgezeigt; denn die Begründung des LSG ist in sich nachvollziehbar. Sie beruht lediglich auf einer Fehlinterpretation der Aussage des Sachverständigen.

Das LSG ist auch nicht von der Rechtsprechung des BSG abgewichen. Das von der Beklagten zitierte Urteil betraf einen Bäckermeister im Arbeiterverhältnis, der sich von anderen Facharbeitern dadurch unterschied, daß er Lehrlinge ausbildete. Der selbständige Handwerksmeister (auch Alleinmeister) wird in diesem Urteil im Anschluß an BSGE 43, 168 = SozR 2200 § 1246 Nr 14 und SozR aaO Nrn 35 und 39 jedenfalls dann wegen seiner Aufgaben als aus der Gruppe der Facharbeiter herausgehoben angesehen, wenn er Lehrlinge ausbildet. Für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein selbständiger Handwerksmeister der höchsten Stufe des Vier-Stufen-Schemas zugeordnet werden kann, wenn er keine Lehrlinge ausbildet, sind in den genannten Urteilen vielfältige Anhaltspunkte aufgeführt worden, nach denen die Tätigkeit zu bewerten ist. Das LSG hat hierzu keinen abweichenden Rechtssatz aufgestellt.

Es bedarf im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung auch keiner weiteren Klärung der Grundsätze, nach denen die Einordnung eines Handwerksmeisters im Rahmen von § 1246 RVO vorzunehmen ist. Der Rechtsstreit hat deshalb insoweit auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).

Nach allem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1173124

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