Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtvereidigung des Dolmetschers kein absoluter Revisionsgrund. Bezeichnung des Verfahrensmangels
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verletzung des § 189 GVG ist kein absoluter Revisionsgrund.
2. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf eine Verletzung des § 189 GVG gestützt, ist der Verfahrensmangel nur dann bezeichnet (§ 160a Abs 2 S 3 SGG), wenn dargelegt wird, weshalb die Entscheidung des LSG auf diesem Fehler beruhen kann.
Normenkette
GVG § 189 Abs 1; SGG § 160a Abs 2 S 3; GVG § 189 Abs 3; SGG § 160 Abs 2 Nr 3, § 202; ZPO § 551
Verfahrensgang
Gründe
Der Kläger rügt mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im angefochtenen Urteil, daß das Landessozialgericht (LSG) bei der Urteilsfindung § 189 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) verletzt habe. Der vom LSG in der mündlichen Verhandlung hinzugezogene Dolmetscher sei, wie sich aus dem Protokoll über die mündliche Verhandlung ergebe, weder vereidigt worden noch habe er sich auf einen allgemein geleisteten Dolmetschereid bezogen.
Die Beschwerde ist unzulässig, denn die Begründung entspricht nicht der in § 160a Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorgeschriebenen Form. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG kann die Beschwerde gegen die Zulassung der Revision wegen eines Verfahrensfehlers nur darauf gestützt werden, daß die angefochtene Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann. Nach § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist in der Beschwerdebegründung der Verfahrensmangel zu bezeichnen. Dazu sind auch die Umstände darzulegen, aus denen sich ergibt, weshalb das Urteil auf dem behaupteten Verfahrensmangel beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Ein Verstoß gegen § 189 GVG ist kein absoluter Revisionsgrund im Sinne des nach § 202 SGG entsprechend anzuwendenden § 551 Zivilprozeßordnung (ZPO). Unterstellt, eine Verletzung des § 189 GVG liegt vor, hätte der Kläger hier deshalb darlegen müssen, weshalb die angefochtene Entscheidung auf diesem Verfahrensfehler beruhen kann. Der Kläger hat dazu vorgetragen, daß die gesamte Verhandlung mit Hilfe des Dolmetschers geführt worden sei und deshalb davon ausgegangen werden müsse, daß Verhandlungsteile ihm nicht deutlich geworden seien oder er selbst mißverstanden worden sei. Er weist außerdem auf den Umfang der mündlichen Verhandlung hin, in der zwei ärztliche Sachverständige hinzugezogen worden waren.
Damit ist nicht hinreichend dargelegt, daß die Entscheidung des LSG auf dem behaupteten Verstoß gegen § 189 GVG beruhen kann.
Es reicht nicht aus, wenn ausgeführt wird, es sei nicht auszuschließen, daß dem Kläger verhandelte Abschnitte nicht vollständig klargeworden seien oder Angaben des Klägers falsch übersetzt worden seien. Auf diesen Fehlern könnte das Urteil nur beruhen, wenn falsch übersetzte Angaben des Klägers Grundlage der Entscheidung geworden wären oder aber der Kläger zB durch eine unrichtige Übersetzung der zu Protokoll genommenen Sachverständigengutachten gehindert gewesen wäre, Beweisanträge zu stellen. Die unterbliebene Beweisantragstellung könnte aber nur dann für die Entscheidung erheblich sein, wenn auch jetzt vorgetragen worden wäre, welche Beweise der Kläger bei dem vom LSG nunmehr zugrunde gelegten Sachverhalt beantragt hätte, wenn ihm dieser Sachverhalt richtig übersetzt worden wäre.
Der Verstoß gegen § 189 GVG ist insoweit nicht anders zu behandeln als die Verstöße gegen die Vorschriften über die Hinzuziehung eines Dolmetschers allgemein. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat bereits mit Beschluß vom 29. April 1983 (BVerwG 9 B 1610.81 - Buchholz 310 § 55 Nr 6) entschieden, daß es sich bei den Vorschriften über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers nach § 185 GVG um eine spezielle Form der Gewährung rechtlichen Gehörs handelt. Nichts anderes kann gelten, wenn ein Verstoß gegen die Vorschriften vorliegt, die regeln, wie der Dolmetscher im Verfahren tätig wird. Daraus folgt, daß immer dann, wenn eine Verletzung der §§ 185 ff GVG geltend gemacht wird, die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde den Anforderungen genügen muß, die auch für die Nichtzulassungsbeschwerde gefordert werden, die darauf gestützt wird, daß das LSG das rechtliche Gehör verletzt habe. Hinsichtlich dieses Verfahrensverstoßes hat das Bundessozialgericht (BSG) aber bereits entschieden, daß der Verfahrensmangel einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann hinreichend bezeichnet iS von § 160a Abs 2 Satz 3 SGG ist, wenn sowohl angegeben wird, welches Vorbringen verhindert worden ist, als auch dargelegt ist, inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). In diesem Sinne hat das BVerwG auch entschieden, soweit die Übersetzung eines nachträglich erfolgreich wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnten Dolmetschers der Entscheidung verfahrensfehlerhaft zugrunde gelegt worden war. Es hat für die Zulassung der Revision in diesem Fall gefordert, mit der Beschwerde müsse vorgetragen werden, inwiefern die Übertragung durch den abgelehnten Dolmetscher inhaltliche Unrichtigkeiten oder Ungenauigkeiten aufweist (vgl Beschluß vom 29. August 1984 - BVerwG 9 B 11247.82 - Buchholz 3000 § 191 GVG Nr 2).
Der Kläger hätte hier zB darlegen müssen, welche vom LSG zugrunde gelegten tatsächlichen Feststellungen unrichtig sind und inwiefern die tatsächlichen Feststellungen darauf beruhen, daß der hinzugezogene Dolmetscher unrichtig übersetzt hat und dadurch Angaben des Klägers unrichtig zu Protokoll genommen worden sind, bzw Aussagen der Sachverständigen - so wie sie protokolliert sind - unrichtig übersetzt worden sind und dadurch evtl weiteres Vorbringen des Klägers verhindert worden ist. Daran fehlt es.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1662611 |
DVBl. 1993, 271 |