Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2022 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin wendet sich gegen den von ihr geforderten Aufwendungsersatz nach § 19 Abs 5 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) für im Oktober 2018 erhaltene Leistungen der Eingliederungshilfe.
Die 1991 geborene Klägerin ist voll erwerbsgemindert und mit einem Grad der Behinderung von 70 als Schwerbehinderte anerkannt. Sie bezog eine bis zum 31.8.2020 befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung; über Vermögen verfügte sie nicht. Der Beklagte bewilligte ihr - wie bereits zuvor - für die Zeit vom 1.7.2018 bis zum 30.6.2019 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form des Betreuten Wohnens (147 Fachleistungsstunden pro Jahr zu einem Vergütungssatz von 63,95 Euro pro Stunde) nach § 53 SGB XII in der bis zum 31.12.2019 geltenden Fassung (im Folgenden: alte Fassung ≪aF≫). Im Oktober 2018 wurden 16,17 Fachleistungsstunden erbracht. Am 26.10.2018 erhielt sie eine Rentennachzahlung iHv 2374,54 Euro.
Der Beklagte forderte von der Klägerin Aufwendungsersatz iHv 783,39 Euro für die im Monat Oktober 2018 geleisteten Aufwendungen (Bescheid vom 20.11.2019; Widerspruchsbescheid vom 21.1.2020). Während die Klage zum Sozialgericht (SG) Marburg Erfolg gehabt hat (Gerichtsbescheid vom 23.9.2020), hat das Hessische Landessozialgericht (LSG) auf die Berufung des Beklagten den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 19.1.2022). Das zu berücksichtigende Einkommen sei vom Beklagten zutreffend ermittelt worden. Das Recht der Eingliederungshilfe nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII aF folge hinsichtlich der Saldierung von Bedarfen und zu berücksichtigtem Einkommen und Vermögen grundsätzlich dem Monatsprinzip (§ 85 Abs 1 Nr 1 iVm § 82 SGB XII aF). Bei einer Rentennachzahlung handele es sich nicht um eine einmalige Einnahme iS des § 82 Abs 7 SGB XII, sondern um monatlich in unterschiedlicher Höhe gezahltes Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII iVm § 8 Abs 1 Satz 1 Alt 2 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 82 SGB XII, weil auch Rentennachzahlungen unter die regelmäßige Erfüllung von Ansprüchen zu subsumieren seien, die aus demselben Rechtsgrund herrührten. § 11 Abs 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II), wonach die Einordnung einer Nachzahlung als einmalige Einnahme mit der Pflicht zur Aufteilung angeordnet werde, könne nicht analog angewendet werden.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend macht.
II
Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen; der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Um der Darlegungspflicht zu genügen, muss eine konkrete Frage formuliert, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihr angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) dargelegt werden (vgl nur Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung - ggf sogar des Schrifttums - angeben, welche Rechtsfrage sich stellt, dass diese noch nicht geklärt ist, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfrage aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt (BSG vom 2.3.1976 - 12/11 BA 116/75 - SozR 1500 § 160 Nr 17 und BSG vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7; BSG vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG vom 25.9.1975 - 12 BJ 94/15 - SozR 1500 § 160a Nr 13; BSG vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31; BSG vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39; BSG vom 9.10.1986 - 5b BJ 174/86 - SozR 1500 § 160a Nr 59 und BSG vom 22.7.1988 - 7 BAr 104/87 - SozR 1500 § 160a Nr 65).
Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin macht mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde als Rechtsfrage geltend,
"ob ein Sozialleistungsträger mit der Festlegung des Bewilligungszeitraums zugleich den Zeitraum festlegt, der bei der Anrechnung von Einkommen auf die bewilligte Leistung zugrunde zu legen ist".
Zweifelhaft ist schon, ob die Klägerin damit eine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm formuliert (§ 162 SGG); denn sie führt an keiner Stelle aus, welches gesetzliche Tatbestandsmerkmal welcher bundesrechtlichen Norm mit Blick auf welche Bestimmung ausgelegt werden soll, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden (vgl BSG vom 29.3.2017 - B 5 RE 12/16 B - juris RdNr 8).
Jedenfalls fehlt eine hinreichende, den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Darlegung der abstrakten Klärungsbedürftigkeit. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch anzusehen, wenn das Revisionsgericht sie zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, aber schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen anderer oberster Bundesgerichte oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (stRspr; vgl zB BSG vom 2.12.2019 - B 8 SO 52/19 B - juris RdNr 5 mwN). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG und ggf anderer oberster Bundesgerichte bzw des BVerfG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass es zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gibt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebenden Fragen von grundsätzlicher Bedeutung nicht beantwortet werden können (vgl BSG vom 16.6.2020 - B 8 SO 69/19 B - juris RdNr 7).
Insofern hätte es zunächst einer Darlegung bedurft, woraus sich überhaupt die Befugnis des Trägers der Sozialhilfe ergeben sollte, eine Befristung der Leistung der Eingliederungshilfe auszusprechen (vgl aber BSG vom 28.1.2021 - B 8 SO 9/19 R - BSGE 131, 246 = SozR 4-3500 § 57 Nr 1, RdNr 35), die dann maßgeblich für die Berücksichtigung von Einkommen sein soll. Die Klärungsbedürftigkeit ist aber auch deshalb nicht ausreichend dargelegt, weil sie - was die Klägerin selbst einräumt - auf eine Rechtslage vor dem 1.1.2020 abzielt. Vor dem Hintergrund der umfangreichen Änderungen durch das Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz ≪BTHG≫ vom 23.12.2016, BGBl I 3234) mWv 1.1.2020 fehlen Darlegungen dazu, weshalb die aufgeworfene Rechtsfrage auch weiterhin von grundsätzlicher Bedeutung ist. Solcher Darlegungen hätte es bedurft; denn mit dem BTHG ist die Eingliederungshilfe aus dem SGB XII nach Teil 2 des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen - (SGB IX) überführt worden. In Teil 2 des SGB IX ist nunmehr neu und eigenständig ein Beitrag des Leistungsberechtigten selbst bzw die Berücksichtigung von seinem Einkommen und Vermögen geregelt. § 92 SGB IX iVm §§ 136 ff SGB IX enthält im Sinne eines "grundlegenden Systemwechsels" (BT-Drucks 18/9522, 301) wesentliche Änderungen im Zusammenhang mit der Gewährung von Eingliederungshilfe im Verhältnis zum bisherigen System. Nach § 135 SGB IX bestimmt sich das für den Beitrag maßgebliche Einkommen nach den Einkünften des Vorjahres; der Kostenbeitrag richtet sich allein nach der finanziellen Situation des Leistungsberechtigten selbst (§ 92 SGB IX, §§ 136f SGB IX, vgl BT-Drucks 18/9522, 272, 302 f; Zinsmeister/Shafaei in Dau/Düwell/Joussen/Luik, SGB IX, 6. Aufl 2022, §§ 135-138 RdNr 1). Der Eigenbeitrag ist von der zu erbringenden Leistung abzuziehen (§ 137 Abs 3 SGB IX; zum Ganzen Rosenow in Fuchs/Ritz/Rosenow, SGB IX, 7. Aufl 2021, § 137 RdNr 39 f; Kuhn-Zuber, Stichwort "Eigenbeitrag" in Deinert/Welti/Luik/Brockmann, StichwortKommentar Behindertenrecht, 3. Aufl 2022, S 493 RdNr 8).
Betrifft die aufgeworfene Rechtsfrage aber ausgelaufenes oder auslaufendes Recht, besteht in aller Regel kein Bedürfnis mehr, diese Frage höchstrichterlich zu klären (vgl BSG vom 21.6.2011 - B 4 AS 14/11 B - RdNr 5; BSG vom 26.4.2007 - B 12 R 15/06 B - RdNr 9; BSG vom 28.11.1975 - 12 BJ 150/75 - SozR 1500 § 160a Nr 19). Im Falle ausgelaufenen Rechts ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache allenfalls dann gegeben, wenn noch eine erhebliche Zahl von Fällen auf der Grundlage des alten Rechts zu entscheiden ist oder wenn die Überprüfung der Rechtsnorm bzw ihre Auslegung aus anderen Gründen fortwirkende allgemeine Bedeutung hat, namentlich wegen einer weitgehenden Übereinstimmung mit dem neuen Recht (BSG vom 17.3.2010 - B 6 KA 23/09 B - RdNr 32; BSG vom 16.12.2009 - B 6 KA 13/09 B - RdNr 7; BSG vom 22.3.2006 - B 6 KA 46/05 B - RdNr 7; BSG vom 20.6.2001 - B 10/14 KG 1/00 B - RdNr 1; BSG vom 31.3.1999 - B 7 AL 170/98 B - juris RdNr 8). Die Klägerin hat nicht einmal behauptet, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15523858 |