Tenor

Die Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger erstrebte die Pfändung des dem Beigeladenen von der beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) bewilligten Arbeitslosengeldes (Alg) bzw der Arbeitslosenhilfe (Alhi). Die BA lehnte eine Pfändung ab, da eine zeitlich frühere Abzweigung zugunsten des Kreissozialamts Saarlouis den Rechten des Klägers vorgehe und für diesen sich kein pfändbarer Betrag mehr ergebe. Das Sozialgericht (SG) gab der Klage statt und verurteilte die BA unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide, an den Kläger für die Zeit vom 5. Februar 1988 bis zum 17. Februar 1988 einen wöchentlichen Betrag von 103,80 DM und für die Zeit vom 18. Februar 1988 bis zum 16. April 1988 einen wöchentlichen Betrag von 70,20 DM zu zahlen. Auf die Berufung der BA hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die BA verurteilt, an den Kläger wöchentlich 29,– DM des bei Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses am 5. Februar 1988 fällig gewesenen und bis zum 17. Februar 1988 im Verhältnis zum Beigeladenen fällig gewordenen Alg und wöchentlich 14.– DM der in der Zeit vom 18. Februar bis zum 16. April 1988 im Verhältnis zum Beigeladenen fällig gewordenen Alhi zu zahlen. Im übrigen hat das LSG die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die vom Kläger ausgebrachte Pfändung habe den zum Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses fälligen und von da an fällig gewordenen Anspruch des Beigeladenen auf Alg und auch die ab dem 18. Februar 1988 gewährte Anschluß-Alhi erfaßt. Die Abzweigung nach § 48 des Sozialgesetzbuchs – Erstes Buch – (SGB I) habe rechtlich grundsätzlich keinen Vorrang vor einer Pfändung. Das SG habe jedoch die jeweils pfändbaren Beträge zu hoch bemessen. Diese richteten sich gemäß §§ 54 Abs 2 SGB I, 850c der Zivilprozeßordnung (ZPO) danach, ob der Schuldner aufgrund einer gesetzlichen Verpflichtung Unterhalt gewähre. Die – vom Beigeladenen hingenommene – Auszahlung eines Teils der ihm von der BA gewährten Sozialleistungen nach § 48 SGB I sei einer unmittelbaren Unterhaltsgewährung gleichzusetzen. Die dem Beigeladenen gewährten Leistungen seien daher in der Höhe unpfändbar gewesen, die § 850c ZPO für einen Schuldner, der einer Person Unterhalt zu gewähren habe, festlege. Nach der Anlage zu § 850c ZPO ergebe sich daher für die Zeit des Alg-Bezugs nur ein pfändbarer Betrag von 29,– DM wöchentlich und für die Zeit des Alhi-Bezugs von 14,– DM wöchentlich.

In der Revisionsinstanz haben der Kläger und die Beklagte, die zunächst beide Revision eingelegt hatten, den Rechtsstreit für erledigt erklärt, nachdem der Beigeladene durch Zahlungen vom 2. September und 21. Oktober 1991 die seiner Pfändung zugrunde liegenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Kläger ausgeglichen hatte.

Nachdem die Beteiligten die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, war auf Antrag des Klägers entsprechend § 193 Abs 1 2. Halbsatz des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Beschluß zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Diese Entscheidung ist dahin zu treffen, daß die Beklagte dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten hat.

Die im Rahmen des § 193 Abs 1 2. Halbsatz SGG zu treffende Kostenentscheidung ist nach sachgemäßem Ermessen zu treffen (BSGE 17, 124, 128; BSG SozR 3-1500 § 193 Nr 2 mwN).

Für die nach sachgemäßem Ermessen zu treffende Kostenentscheidung kommt es vor allem auf die summarische Beurteilung an, wie der Rechtsstreit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand voraussichtlich ausgegangen wäre (vgl BSG aaO; nicht veröffentlichte Beschlüsse des Senats vom 30. August 1991 – 11 RAr 41/89 – und vom 10. Dezember 1991 – 11 RAr 89/90 –). Vorliegend entspricht eine Kostenteilung der Billigkeit. Denn ob der Kläger mit seinem geltend gemachten Pfändungsanspruch durchgedrungen wäre, läßt sich im Rahmen der gebotenen summarischen Prüfung nicht eindeutig bejahen oder verneinen. Denn selbst wenn entsprechend der Rechtsauffassung des LSG beim Zusammentreffen von Pfändung und Abzweigung nach § 48 SGB I grundsätzlich von einem Vorrang der Pfändung auszugehen wäre (vgl Kasseler Kommentar § 54 SGB I RdNr 58), hätte hier – ohne die Erledigung – voraussichtlich keine abschließende Entscheidung in der Sache getroffen werden können. Es ging nämlich bei dem Rechtsstreit nicht nur um die Klärung der Rechtsfrage des Vorranges oder Nachranges der Pfändung, sondern der Kläger beanspruchte – im Revisionsverfahren – auch einen höheren Pfändungsbetrag, als er ihm vom LSG zugesprochen worden war. Der Entscheidung des LSG kann jedoch nicht hinreichend entnommen werden, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine gegenüber dem Beigeladenen wirksame Abzweigung vorlagen. Nur dann hätte die Abzweigung auch gegenüber dem Kläger, der mit der am 5. Februar 1988 erfolgten Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses die Einziehungsermächtigung für die Forderung des Beigeladenen gegenüber der BA erworben hatte (§§ 829, 836 ZPO), rechtliche Wirkungen – und sei es auch „nur” nach § 850c ZPO – entfalten können. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt die Wirksamkeit einer Abzweigungsentscheidung gegenüber dem Leistungsberechtigten ua voraus, daß dieser zuvor gemäß § 24 Abs 1 Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) angehört wurde (BSG SozR 3-1300 § 50 Nrn 7 und 10) und ferner, daß die Entscheidung über die Abzweigung dem Leistungsberechtigten bekanntgegeben wurde (§§ 37 Abs 1, 39 Abs 1 und 2 SGB X). Über eine Anhörung des Beigeladenen vor der Abzweigung vom 19. Januar 1988 finden sich in der Entscheidung des LSG keine Tatsachenfeststellungen. Auch mit der Frage einer Bekanntgabe der Abzweigungsentscheidung hat sich das LSG in seiner Entscheidung nicht auseinandergesetzt. In den Entscheidungsgründen heißt es zwar, der Beigeladene habe die Abzweigung „hingenommen”, jedoch ist dem Urteil nicht zu entnehmen, ob – und ggf wann – dem Beigeladenen die Entscheidung vom 19. Januar 1988 bekanntgegeben und ob sie bindend geworden ist.

Läßt sich somit im Rahmen einer summarischen Prüfung nicht zweifelsfrei beantworten, welchen Ausgang der Rechtsstreit ohne die Erledigung genommen hätte, entspricht die Kostenteilung der Billigkeit (Senatsbeschluß vom 30. August 1991 – 11 RAr 41/89 – nicht veröffentlicht; ebenso Beschluß des 7. Senats des BSG vom 6. September 1991 – 7 RAr 50/89 – nicht veröffentlicht).

Eine Kostentragungspflicht des Beigeladenen, der als „Beteiligter” des Rechtsstreits grundsätzlich zu den Kosten hätte herangezogen werden können, hätte nach Auffassung des Senats nicht der Billigkeit entsprochen. Insoweit vermag das Argument der BA, allein der Beigeladene habe Anlaß zur Klagerhebung gegeben, nicht zu überzeugen. Denn den eigentlichen Anlaß zur Klagerhebung bildete die Weigerung der Beklagten, aufgrund des am 5. Februar 1988 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses irgendwelche Beträge an den Kläger abzuführen. Zudem mußte berücksichtigt werden, daß nach dem bisherigen Sach- und Streitstand nicht einmal von einer wirksamen Abzweigung und insbesondere nicht davon ausgegangen werden kann, daß die BA die bei einer Abzweigung einzuhaltenden Förmlichkeiten (vorherige Anhörung des Leistungsempfängers und Bekanntgabe der Entscheidung an diesen) beachtet hat.

Wie der Rechtsstreit somit ausgegangen wäre, ist letztlich offen. Aus diesem Grund erschien dem Senat eine Kostenteilung angezeigt.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1172832

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