Verfahrensgang
SG Mannheim (Entscheidung vom 28.01.2021; Aktenzeichen S 16 AS 5/19) |
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 15.03.2022; Aktenzeichen L 9 AS 824/21) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 15. März 2022 - L 9 AS 824/21 - wird als unzulässig verworfen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der bezeichneten Entscheidung des LSG hat keinen Erfolg.
Am 22.2.2022 hat das LSG nach der Aufhebung bzw Vertagung von zwei vorangegangenen Terminen auf Antrag des Klägers einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 15.3.2022 um 15:30 Uhr bestimmt. Dem Kläger ist mitgeteilt worden, es stehe ihm frei, zu der Verhandlung zu erscheinen. Es könne auch im Falle seines Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden. Am Sitzungstag hat der Kläger die Verlegung des Termins beantragt, weil sich sein Gesundheitszustand so sehr verschlechtert habe, dass es ihm noch nicht möglich sei, ein Attest einzureichen, was er aber nachholen werde. Über den vor Beginn der mündlichen Verhandlung beim Gericht eingegangenen Antrag hat die Berichterstatterin als Vorsitzende keinen Beschluss gefasst. In den Urteilsgründen hat das Gericht näher dargelegt, warum der Kläger nach dem bisherigen Verfahrensverlauf davon hätte ausgehen müssen, dass der Termin stattfinde. In der Sache hat das LSG gemäß § 153 Abs 5 SGG die Berufung des Klägers gegen einen Gerichtsbescheid des SG als unzulässig verworfen. Wegen des Werts des Beschwerdegegenstands von etwa 420 Euro wird im Urteil näher ausgeführt.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 Satz 2 SGG), weil die Beschwerdebegründung keine Ausführungen zum Beruhen-Können des Urteils des LSG auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör enthält (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Im Grundsatz ist die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im sozialgerichtlichen Verfahren kein absoluter Revisionsgrund (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 169/15 B - RdNr 9; BSG vom 28.2.2022 - B 7/14 AS 325/21 B - RdNr 15). Soweit der Anspruch auf rechtliches Gehör dadurch verletzt wird, dass einem Beteiligten keine Gelegenheit gegeben wird, vor einer Entscheidung aufgrund mündlicher Verhandlung in eben dieser Verhandlung seinen Standpunkt darzulegen, steht ein solcher Verfahrensmangel einem absoluten Revisionsgrund zwar nahe. Denn wegen der Bedeutung der mündlichen Verhandlung ist nach der Rechtsprechung des BSG im Allgemeinen davon auszugehen, dass eine im Zusammenhang mit der Verhinderung einer Teilnahme an der mündlichen Verhandlung stehende Verletzung des rechtlichen Gehörs die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung insgesamt beeinflusst hat (BSG vom 6.10.2010 - B 12 KR 58/09 B - RdNr 10; BSG vom 3.7.2020 - B 8 SO 72/19 B - RdNr 7 mwN; vgl aber BVerfG vom 10.6.2021 - 1 BvR 1997/18 - RdNr 20). Der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs in einer mündlichen Verhandlung umfasst sowohl die Verpflichtung des Vorsitzenden (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 4 Satz 1 ZPO), einen Antrag auf Terminaufhebung bzw -verlegung vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung förmlich kurz zu bescheiden, sofern dies noch technisch durchführbar und zeitlich zumutbar ist (vgl BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 64/17 B - RdNr 8; BSG vom 17.2.2010 - B 1 KR 112/09 B - RdNr 7; zum fairen Verfahren BSG vom 12.5.2017 - B 8 SO 69/16 B - RdNr 7; BSG vom 15.10.2021 - B 5 R 152/21 B - RdNr 11) als auch das Recht auf Aufhebung oder Verlegung eines anberaumten Termins, wenn dies aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 202 Satz 1 SGG iVm § 227 Abs 1 ZPO; stRspr, zB BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 64/17 B - RdNr 8; BSG vom 12.9.2019 - B 9 V 53/18 B - RdNr 14). Allerdings kann es Umstände geben, die ein Beruhen-Können des Verfahrensergebnisses auf dem Fehlen einer ordnungsgemäßen mündlichen Verhandlung als schlechthin ausgeschlossen erscheinen lassen (BSG vom 25.3.2003 - B 7 AL 76/02 R - juris RdNr 16; vgl auch BSG vom 8.12.2022 - B 7 AS 121/22 B - RdNr 8; zur Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör im Gerichtsverfahren nach der VwGO, in dem die Versagung rechtlichen Gehörs ein absoluter Revisionsgrund ist BVerwG vom 23.10.1969 - II C 80.65 - BVerwGE 34, 123 ≪dort nicht abgedruckt≫, juris RdNr 60). In diesen Fällen ist es erforderlich, dass in der Beschwerdebegründung aufgezeigt wird, warum ein verfahrensfehlerfreies Vorgehen des Gerichts zu einem anderen, für den Kläger günstigeren Ergebnis hätte führen können. Das erkennt auch der Beschwerdeführer, da sich in der Beschwerdebegründung Ausführungen zum Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensmangel finden.
Allerdings werden die - hier ausnahmsweise erforderlichen - Darlegungen zum Beruhen-Können der Entscheidung auf dem Verfahrensmangel in der Beschwerdebegründung nicht hinreichend bezeichnet. Der Beschwerdeführer gibt als Streitgegenstand die "sanktionsweise Minderung des Arbeitslosengeldes II um monatlich 30 v.H. (in Höhe von monatlich 124,80 €) des für ihn maßgebenden Regelbedarfs für die Zeit vom 01.08.2018 bis 31.10.2018 nebst Zinsen auf den Nachzahlungsbetrag" wieder. Er macht also nicht geltend, das LSG habe den Streitgegenstand verkannt. Vielmehr beschränken sich die Ausführungen darauf, dass der Kläger an einem Sachvortrag insgesamt gehindert gewesen sei. Selbst unter Beachtung dieses Vorbringens erscheint ausgeschlossen, dass die infrage stehende Verletzung des rechtlichen Gehörs die daraufhin ergangene Gerichtsentscheidung beeinflusst hat, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands den Betrag von 750,01 Euro nicht erreicht (vgl § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG). Insoweit müsste das LSG nach einer Zurückverweisung unverändert zu einer Verwerfung der Berufung kommen. Dort wie auch in einem Revisionsverfahren könnte keine dem Kläger günstigere Entscheidung getroffen werden. Denn auch in diesem Verfahren ist die Statthaftigkeit der Berufung von Amts wegen zu prüfen (BSG vom 20.5.2003 - B 1 KR 25/01 R - SozR 4-1500 § 158 Nr 1 RdNr 6, juris RdNr 13 mwN).
Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt in entsprechender Anwendung des § 169 Satz 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
S. Knickrehm |
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Siefert |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15702540 |