Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswegverfahren. unterbliebene Kostenentscheidung. Nachholung
Leitsatz (amtlich)
Eine im Verfahren nach § 17a GVG in der Beschwerdeinstanz unterlassene Kostenentscheidung kann mit der Entscheidung über die Kosten der weiteren Beschwerde jedenfalls dann nachgeholt werden, wenn eine Ergänzung des Beschwerdebeschlusses wegen Fristablaufs nicht mehr möglich ist.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
GVG § 17a; SGG § 140 Abs. 1, § 193 Abs. 1; ZPO §§ 91, 91 ff.
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 30.07.1996; Aktenzeichen L 7 B 98/96) |
SG München (Entscheidung vom 09.02.1996; Aktenzeichen S 2 P 101/95) |
Tenor
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten der Beschwerde sowie der weiteren Beschwerde zu erstatten.
Gründe
In den Verfahren über die Beschwerde und die weitere Beschwerde nach § 17a Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) ist wegen deren eigenständigen Charakters auch eine gesonderte Kostenentscheidung zu treffen (Beschluß des Senats vom 29. September 1994, 3 BS 2/93 = SozR 3-1500 § 51 Nr 15; BGH NJW 1993, 2541, 2542; BVerwGE 103, 26, 32; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung ≪ZPO≫, 55. Aufl 1997, § 17a GVG RdNr 13; Zöller/Gummer, Komm zur ZPO, 19. Aufl 1995, § 17b GVG RdNr 4; aA für das finanzgerichtliche Verfahren ohne Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung der anderen Gerichtsbarkeiten BFH BFH/NV 1995, 1012, 1013).
Für die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren gilt § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, § 176 RdNr 5 mwN). Daher hat das Gericht, soweit das Beschwerdeverfahren nicht durch Entscheidung, sondern auf andere Weise – etwa, wie hier, durch Rücknahme der weiteren Beschwerde – beendet worden ist, auf Antrag durch Beschluß zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben; die §§ 91 bis 107 ZPO gelten insoweit nicht, da das SGG weitgehend abschließende und von der ZPO abweichende Regelungen trifft (BSG SozR § 193 Nr 3; Meyer-Ladewig aaO vor § 183 RdNr 4 mwN). Das Gericht entscheidet unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen; dabei sind die Erfolgsaussichten sowie die Gründe für die Einlegung des Rechtsmittels und seine Erledigung zu berücksichtigen (vgl Meyer-Ladewig aaO § 193 RdNr 13 mwN).
Hier hatte die Beklagte gegen den Beschluß des Bayerischen Landessozialgerichtes (LSG) vom 30. Juli 1996, durch den der Rechtsweg zu den Sozialgerichten bereits für zulässig erklärt worden war, weitere Beschwerde eingelegt, diese aber zurückgenommen, nachdem ihr ein gleichgerichteter Beschluß des Senats (vom 8. August 1996, 3 BS 1/96, BSGE 79, 80 = SozR 3-1500 § 51 Nr 19) übersandt worden war. Die diesem Beschluß zu entnehmende Rechtsauffassung des Senats zeigt, daß die weitere Beschwerde zum Zeitpunkt ihrer Rücknahme keine Erfolgsaussichten mehr hatte. Danach ist es angemessen, der Beklagten die Kosten für das Verfahren über die weitere Beschwerde aufzuerlegen.
Dementsprechend war auch dem Antrag des Klägers stattzugeben, der Beklagten ebenfalls die Kosten des Verfahrens der Beschwerde vor dem LSG aufzuerlegen; insoweit war die vor dem LSG unterbliebene Kostenentscheidung vom Senat nachzuholen.
Die Nachholung einer in der Vorinstanz unterbliebenen Kostenentscheidung ist im Rechtsmittelverfahren möglich (BayVGH BayVwBl 1982, 542; Kopp, VwGO, 10. Aufl 1994, § 120 RdNr 9; Eyermann/Fröhler, VwGO, 9. Aufl 1988, § 120 RdNr 3; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann aaO § 321 RdNr 5; Zöller/Vollkommer aaO § 321 RdNr 8), weil die angefochtene Entscheidung wegen der unterbliebenen Kostenentscheidung zugleich auch inhaltlich unrichtig ist (Musielak in Münchener Komm, ZPO, Bd I, § 321 RdNr 11; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 20. Aufl 1989, Bd 2/2, § 321 RdNr 15). Das gilt auch für die Nachholung einer im Beschwerdeverfahren nach § 17a GVG unterbliebenen Kostenentscheidung im Verfahren der weiteren Beschwerde.
Der Senat ist an der Nachholung der unterbliebenen Kostenentscheidung nicht durch die Rücknahme des Rechtsmittels seitens der Beklagten gehindert, weil er wegen der Kostenentscheidung weiterhin mit der Sache befaßt ist. Er ist an der Nachholung auch nicht deshalb gehindert, weil zur Ergänzung des LSG-Beschlusses um eine Kostenentscheidung innerhalb eines Monats das Verfahren nach § 140 SGG (analog) zur Verfügung gestanden hat (fast einhellige Meinung: LSG Nordrhein-Westfalen Breithaupt 1988, 78; Peters/Sautter/Wolff, SGG, 4. Aufl, Bd II, Stand März 1991, § 142 RdNr 12; GesKomm/Bley, SGG, Stand Dezember 1994, § 140 Anm 1d und § 142 Anm 3b; Meyer-Ladewig aaO § 142 RdNr 3; Pawlak in Hennig, SGG, § 140 RdNr 4 und § 142 RdNr 20; offengelassen in BSG Breithaupt 1979, 78 ≪in SozR 1500 § 67 Nr 11 insoweit nicht abgedruckt≫ – aA Zeihe, SGG, Stand Dezember 1995, § 140 RdNr 2). Es kann offenbleiben, ob das Verfahren nach § 140 SGG vorrangig zu betreiben ist, solange die Möglichkeit noch besteht (vgl dazu Leipold aaO § 321 RdNr 15), weil dies hier wegen Fristablaufs nicht mehr der Fall ist. Mit dem Fristablauf verliert der obsiegende Beteiligte seinen Kostenerstattungsanspruch jedenfalls nicht endgültig. Ob der übergangene, aber noch nicht untergegangene Kostenerstattungsanspruch mit einer selbständigen Klage erneut geltend gemacht werden kann (so Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl, Bd 2, 1994, vor § 91 RdNr 17, für den Zivilprozeß) kann ebenfalls dahinstehen. Denn da der erkennende Senat ohnehin noch mit der Kostenfrage bezüglich des zurückgenommenen Rechtsmittels befaßt ist, entspricht es der Prozeßökonomie, zugleich auch über die Kostentragung in der Beschwerdeinstanz vor dem LSG mitzuentscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 1173650 |
MDR 1997, 1066 |
SozR 3-1500 § 140, Nr.2 |
Breith. 1997, 1007 |
SozSi 1998, 76 |