Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit. Revision. Verletzung. Sachaufklärungspflicht. Beweisantrag. Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes
Orientierungssatz
1. Ein hilfsweise gestellter Antrag auf Anhörung eines bestimmten Sachverständigen gemäß § 109 SGG ist kein Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, der mit der Rüge der Verletzung des § 103 SGG zur Zulassung der Revision führen kann (vgl BSG vom 24.11.1988 - 9 BV 39/88 = SozR 1500 § 160 Nr 67 und vom 13.12.1994 - 9 BV 123/94).
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluß wurde nicht zur Entscheidung angenommen (vgl BVerfG 1. Senat 2. Kammer vom 1.8.1996 - 1 BvR 323/96).
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2, §§ 109, 103 S. 1
Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Entscheidung vom 27.10.1994; Aktenzeichen L 15 V 144/92) |
SG München (Entscheidung vom 20.10.1992; Aktenzeichen S 26 V 1541/88) |
Gründe
Die Beschwerde ist zum Teil unzulässig, im übrigen unbegründet.
Unzulässig ist die Beschwerde, soweit der Kläger als Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) des Landessozialgerichts (LSG) geltend macht, das LSG habe sein Urteil nicht auf das Gutachten des von ihm zum Sachverständigen ernannten Prof. Dr. S. vom 5. April 1994 stützen dürfen, weil dieses Gutachten entgegen § 118 SGG iVm § 407a Abs 2 Zivilprozeßordnung (ZPO) nicht von Prof. Dr. S. , sondern weitgehend von dessen Assistenzarzt V. S. erstattet worden sei. Der Kläger "bezeichnet" diesen "Verfahrensmangel" nicht ausreichend iS des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Er trägt insbesondere keine Umstände vor, die dafür sprechen, daß dieser etwaige Verfahrensmangel des LSG nicht gemäß § 202 SGG iVm §§ 558, 295 ZPO geheilt ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 61). Zwar führt er aus, er habe die beherrschende Rolle des Assistenzarztes S. bei der - der Erstellung des Gutachtens vorausgegangenen - Untersuchung bereits vor dem LSG gerügt, womit er "unmittelbar nach Kenntnisnahme von diesem Gutachten ... eine Verletzung des § 118 SGG iVm §§ 404, 404a ZPO" (gemeint offensichtlich §§ 407, 407a ZPO) geltend gemacht habe. Es fehlt jedoch an einer Darlegung, daß diese Rüge noch in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 27. Oktober 1994 aufrechterhalten worden ist. Die schlüssige Darlegung eines derartigen Prozeßverhaltens war nach den Umständen des Falles auch nicht entbehrlich. Nach eigenem Vortrag und dem Inhalt der Niederschrift hat der in der mündlichen Verhandlung anwaltschaftlich vertretene Kläger nämlich nicht etwa beantragt, Prof. Dr. S. zu befragen, inwieweit das von ihm unterzeichnete Gutachten auf die Mitwirkung seines Assistenzarztes S. zurückgehe, sondern vielmehr Sachantrag gestellt und hilfsweise Vertagung und Anhörung des Prof. Dr. H. nach § 109 SGG beantragt. Daraus ist nicht ohne weiteres zu schließen, daß er an der Rüge, Prof. Dr. S. habe an der Erstellung des Gutachtens vom 5. April 1994 nicht ausreichend mitgewirkt, festhielt. Eher hat es den Anschein, daß es dem Kläger - jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung - überhaupt nicht mehr auf eine gutachtliche Äußerung des zum Sachverständigen ernannten Prof. Dr. S. , sondern auf die Zuziehung eines neuen, ihm vertrauenswürdiger erscheinenden Sachverständigen ankam.
Soweit der Kläger rügt, das LSG hätte von Amts wegen ein neues Sachverständigengutachten einholen müssen, ist die Beschwerde zwar zulässig. Sie erweist sich aber als unbegründet. Die Revision ist nur zuzulassen, wenn der Beteiligte einen Beweisantrag gestellt hat, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG). Der Kläger bezeichnet zwar einen solchen Beweisantrag, da er ausführt, ein solcher sei in dem vor dem LSG gestellten Antrag, Prof. Dr. H. nach § 109 SGG als weiteren Sachverständigen anzuhören, enthalten gewesen. Diese Rechtsansicht trifft jedoch nicht zu. Der Kläger kann sich zwar auf Meyer-Ladewig, SGG 5. Aufl § 160 RdNr 18 berufen. Wie der Senat aber bereits in einer Entscheidung vom November 1988 (SozR 1500 § 160 Nr 67) und in einem unveröffentlichten Beschluß vom 13. Dezember 1994 (Az 9 BV 123/94) ausgeführt hat, ist unter einem Beweisantrag iS des § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG nur ein solcher zu verstehen, der die Tatsacheninstanz zur Wahrnehmung ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG anhält. An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Ein - auch hilfsweise - gestellter Antrag nach § 109 SGG ist kein solcher Antrag. Er hat andere Voraussetzungen und eine andere Zielrichtung als der in § 160 Abs 2 Nr 3 2. Halbsatz SGG gemeinte Beweisantrag. Insbesondere läßt er nicht erkennen, daß eine weitere Sachaufklärung von Amts wegen für erforderlich gehalten wird. Der Antrag nach § 109 SGG ist gerade dann möglich, wenn das Gericht eine Sachermittlung von Amts wegen nicht mehr beabsichtigt, der Kläger sich aber aus seiner Sicht durch die Anhörung eines Arztes seines Vertrauens noch eine für ihn günstige Beurteilung der Beweislage erhofft. Die Auswahl des Sachverständigen, ist dem pflichtgemäßen Ermessen des Prozeßgerichts entzogen und allein der Bestimmung durch den Kläger vorbehalten. Der Kläger trägt dafür auch das Kostenrisiko. Ein nach § 109 SGG gestellter Antrag muß vom Gericht nur unter diesem Gesichtspunkt, nicht auch nach § 103 SGG geprüft und beschieden werden.
Im Kostenpunkt beruht die Entscheidung auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen