Verfahrensgang

SG Osnabrück (Entscheidung vom 30.05.2017; Aktenzeichen S 17 U 224/15)

LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 18.11.2021; Aktenzeichen L 14 U 214/17)

 

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18. November 2021 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird auf 2920,91 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I

Die Beklagte stellte Beginn und Ende ihrer Zuständigkeit für ein Pferdezuchtunternehmen der Klägerin fest (Bescheide vom 26.3. und 25.11.2013) und lehnte es später ab, den Zuständigkeitsfeststellungsbescheid vom 26.3.2013 zurückzunehmen (Bescheid vom 15.4.2015 und Widerspruchsbescheid vom 6.7.2015). Die Klage, diese Bescheide gerichtlich aufzuheben, blieb vor dem SG und LSG erfolglos (Gerichtsbescheid vom 30.5.2017; Urteil vom 18.11.2021). Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem vorgenannten Urteil des LSG hat die Klägerin Beschwerde zum BSG eingelegt. In der Beschwerdebegründung macht sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (dazu A.), eine Rechtsprechungsabweichung (dazu B.) sowie Verfahrensmängel (dazu C.) geltend. Soweit sie neben der Revisionszulassung auch einen Sachantrag stellt, hat er keine eigenständige Bedeutung (dazu D.).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht formgerecht begründet ist (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG). Die geltend gemachten Zulassungsgründe sind entgegen § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht hinreichend dargelegt bzw bezeichnet.

A. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (BSG Beschlüsse vom 23.3.2022 - B 2 U 197/21 B - juris RdNr 7, vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 2, vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 5 und vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 5; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Anforderungen vgl zB BVerfG Beschluss vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Die Beschwerdebegründung arbeitet die folgenden drei Fragenkomplexe heraus:

1. Zu den "rechtlichen Kriterien einer Pferdezucht" iSd § 123 Abs 1 Nr 2 SGB VII fragt sie,

a) "wie die Unternehmereigenschaft in sozialrechtlichen Fragestellungen festzustellen ist, und ob es für die Feststellung ausreicht, dass jemand sich selbst als Unternehmer darstellt, oder ob abstrakte Kriterien erfüllt sein müssen." (Bl 2 Beschwerdebegründung)

b) "anhand welcher Kriterien das Vorliegen einer Pferdezucht festgestellt werden muss, und ob und inwieweit subjektive Aussagen bei der Beurteilung Gewicht haben dürfen. Konkret stellt sich die Frage nach Abgrenzungskriterien zwischen Pferdezucht und privater Tierhaltung." (Bl 10 Beschwerdebegründung)

2. Zur "Kollision einer gesetzlichen und privaten Unfallversicherung" stellt sie die Fragen,

a) "inwieweit das Bestehen eines deckenden privaten Unfallversicherungsschutzes sich auf die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung auswirkt." (Bl 2 Beschwerdebegründung)

b) "ob das Bestehen eines privaten Unfallversicherungsschutzes, der dieselben Szenarien abdeckt wie ein gesetzlicher Unfallversicherungsschutz, einen Ausnahmetatbestand für die Versicherungsfreiheit darstellen sollte." (Bl 11 Beschwerdebegründung)

3. Zur "Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII" formuliert sie die Fragen,

a) "ob beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze für eine Person basierend auf einer aktuell ausgeübten Tätigkeit greifen müssen, oder ob auch Personen, die potentiell zu dem Zeitpunkt eine derartige Tätigkeit ausüben könnten, der Versicherungsfreiheit unterliegen." (Bl 2 Beschwerdebegründung)

b) "ob die theoretische Möglichkeit des Ausübens einer in § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII genannten Tätigkeit aufgrund des grundsätzlich erworbenen Beamtenstatus für die Anwendbarkeit der Norm ausreicht, oder ob die Tätigkeit aktuell tatsächlich ausgeübt werden muss." (Bl 11 Beschwerdebegründung)

1. Mit den beiden Fragen des ersten Fragenkomplexes ist die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache schon deshalb nicht dargetan, weil sie sich nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" beantworten lassen, wie dies grundsätzlich erforderlich ist (vgl zuletzt Senatsbeschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 11; BSG Beschlüsse vom 27.5.2020 - B 1 KR 8/19 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 40 RdNr 5, vom 27.1.2020 - B 8 SO 67/19 B - juris RdNr 10, vom 19.6.2018 - B 1 KR 87/17 B - BeckRS 2018, 17001 RdNr 6, vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10 und vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7; s auch BFH Beschluss vom 25.9.2018 - III B 160/17 - BeckRS 2018, 29960 RdNr 23 sowie BAG Beschluss vom 23.1.2007 - 9 AZN 792/06 - BAGE 121, 52 = juris RdNr 5 f). Beide Fragen sind so allgemein gehalten, dass an ihnen die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge nicht geprüft werden können. Derart offene bzw öffnende Fragen sollen den Befragten veranlassen, möglichst umfassend, ausführlich und detailliert (zB in Form einer Normkommentierung, eines Rechtsgutachtens oder sonstigen Metatextes) zu antworten. Das BSG ist jedoch als Rechtsprechungsorgan nicht dazu berufen, abstrakte juristische Fragen kommentar- oder lehrbuchartig aufzubereiten bzw rechtsgutachterlich zu klären und losgelöst von der konkreten "Rechtssache" wie auch immer geartete "abstrakte Kriterien" bzw "Abgrenzungskriterien" zu den Rechtsbegriffen "Pferdezucht" und "Gewerbsmäßigkeit" aufzustellen.

Soweit die Klägerin darüber hinaus thematisiert, wie mit ihren Erst- bzw Eigenangaben im Verwaltungsverfahren umzugehen ist, legt sie die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht hinreichend dar, weil sie weder auf die umfangreiche Rechtsprechung des BSG noch auf die Senatsrechtsprechung zu diesem Problemkreis eingeht. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl zB BSG Beschlüsse vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8 und grundlegend vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Ebenso kann der Klärungsbedarf durch die Rechtsprechung eines anderen obersten Bundesgerichts entfallen (BSG Beschluss vom 7.12.2017 - B 5 R 246/17 B - juris RdNr 9; BVerwG Beschlüsse vom 6.3.2006 - 10 B 80/05 - juris RdNr 5 und vom 16.11.2007 - 9 B 36/07 - juris RdNr 11). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG bzw des BVerfG sowie ggf der einschlägigen Rechtsprechung aller obersten Bundesgerichte zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass zu dem angesprochenen Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet ist (BSG Beschlüsse vom 7.3.2017 - B 2 U 140/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 18 RdNr 8 und vom 7.12.2017 - B 5 R 246/17 B - juris RdNr 9).

Sollte die Klägerin im Verwaltungsverfahren die Gewerbsmäßigkeit ihrer Pferdezucht von sich aus bejaht haben, so ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bereits geklärt, dass eine solche Subsumtion des Sachverhalts unter bestimmte Rechtsbegriffe (hier: "Gewerbsmäßigkeit" und "Pferdezucht") durch eine juristische Laiin weder von der Verwaltung noch den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit zur alleinigen Entscheidungsgrundlage gemacht werden darf. Verwertbar sind insofern allenfalls die Tatsachen, die der Betroffene angegeben und seiner laienmäßigen Rechtsanwendung zugrunde gelegt hat (vgl dazu zB BSG Urteil vom 9.10.2012 - B 5 R 8/12 R - BSGE 112, 74 = SozR 4-1300 § 45 Nr 10, RdNr 27). Diese Tatsachenangaben sind im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 Satz 1 SGG) unter Berücksichtigung späterer Korrekturen zu würdigen, wobei der objektive Beweiswert einer Erklärung nicht allein nach dem zeitlichen Abstand von dem Ereignis bestimmt werden darf, auf das sie sich bezieht (BSG Urteile vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R - SozR 4-2700 § 4 Nr 1 RdNr 20 und grundlegend vom 29.1.1959 - 2 RU 267/56 - juris RdNr 21; ferner Berger-Delhey, BG 1987, 460 ff; Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung, 3. Aufl 2017, § 27 RdNr 24; Köhler, Kausalität, Finalität und Beweis, 2001, S 47 f). Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung kann das Gericht den zeitlich früheren Aussagen aufgrund des Gesichtspunktes, dass sie von irgendwelchen beitragsrechtlichen Überlegungen ggf noch unbeeinflusst waren, einen höheren Beweiswert als den späteren Aussagen zumessen, muss es aber nicht (BSG Urteil vom 11.11.2003 - B 2 U 41/02 R - SozR 4-2700 § 4 Nr 1 RdNr 20). Dass sich die aufgeworfenen Fragen mit diesen vorhandenen Rechtsgrundsätzen nicht beantworten lassen, behauptet die Klägerin nicht.

2. Die beiden Fragen des zweiten Fragenkomplexes lassen schon völlig offen, welche Tatbestandsmerkmale welcher materiell-rechtlichen Bundesnorm/en (§ 162 SGG) überhaupt in Rede stehen und mit Blick auf die Versicherungspflicht und -freiheit oder auf eine entsprechende Befreiung ausgelegt werden sollen, um die Rechtseinheit zu wahren oder das Recht fortzubilden. "Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung" tritt unmittelbar kraft Gesetzes (§ 2 SGB VII) oder Satzung (§ 3 SGB VII) ein und setzt ferner voraus, dass weder Versicherungsfreiheit (§ 4 SGB VII) besteht noch eine wirksame Befreiung (§ 5 SGB VII) vorliegt. Dass ein privater Unfallversicherungsschutz - zB als negative Tatbestandsvoraussetzung - die Versicherungspflicht nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a SGB VII entfallen lassen, Versicherungsfreiheit hervorrufen oder versicherungspflichtbefreiend wirken könnte, behauptet weder die Beschwerdebegründung noch ist dies sonst ersichtlich. Unter diesen Umständen hätte die Klägerin vertieft darauf eingehen müssen, warum sich die Antwort auf die beiden Fragen nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt (BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 13 sowie grundlegend Beschlüsse vom 30.3.2005 - B 4 RA 257/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8 und vom 14.8.1981 - 12 BK 15/81 - SozR 1300 § 13 Nr 1) oder zumindest praktisch außer Zweifel steht (BSG Beschluss vom 16.3.2022 - B 2 U 164/21 B - juris RdNr 13 und grundlegend Beschlüsse vom 30.3.2005 - B 4 RA 257/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8, vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 sowie vom 4.6.1975 - 11 BA 4/75 - BSGE 40, 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4), dass "das Bestehen eines privaten Unfallversicherungsschutzes" kein "Ausnahmetatbestand für die Versicherungsfreiheit" ist. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beschwerdeerwiderung vom 29.4.2022 (auf Seite 3 unter Gliederungspunkt 3.) Bezug genommen.

3. Auch im Rahmen der beiden Fragen des dritten Fragenkomplexes geht die Beschwerdebegründung mit keinem Wort darauf ein, warum sich die Antwort nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII sind versicherungsfrei "Personen, soweit für sie beamtenrechtliche Unfallfürsorgevorschriften oder entsprechende Grundsätze gelten". Inwiefern bei der privaten Pferdezucht einer pensionierten Landesbeamtin beamtenrechtliche Unfallfürsorge eingreifen, ein Unfall "in Ausübung des Dienstes" geschehen und damit ein Dienstunfall iS des § 31 Abs 1 Satz 1 BeamtVG oder entsprechender landesrechtlicher Regelungen eintreten könnte, erläutert die Beschwerdebegründung nicht ansatzweise. Sie versäumt es dabei insbesondere, näher auf das Urteil des BVerwG vom 15.11.2007 (2 C 24/06 - juris RdNr 11) einzugehen, wonach sich der besondere Schutz der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge nur auf Unfälle erstreckt, die der Beamte innerhalb des vom Dienstherrn beherrschbaren Risikobereichs erleidet. Zudem setzt sich die Klägerin nicht mit der Rechtsprechung des BSG zu § 541 Abs 1 Nr 1 RVO, der Vorgängervorschrift des § 4 Abs 1 Nr 1 SGB VII auseinander (dazu Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 2022, § 4 RdNr 11), wonach sich die Versicherungsfreiheit nur auf die jeweilige dienstliche Beamtentätigkeit beschränkt und keine sonstigen (privaten) Tätigkeiten dieser Personen umfasst (BSG Urteil vom 10.12.1975 - 8 RU 268/74 - SozR 2200 § 539 Nr 13 = juris RdNr 25; Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand 2022, § 4 RdNr 19; Schmitt, SGB VII, 4. Aufl 2009, § 4 RdNr 7). Darüber hinaus legt die Beschwerdebegründung auch nicht dar, inwieweit die aufgeworfenen Fragen im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig sein könnten, worauf die Beschwerdeerwiderung (auf Seite 3 unter Gliederungspunkt 4.) zutreffend hinweist.

B. Auch die Divergenzrüge hat keinen Erfolg. Divergenz iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zu Grunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschlüsse vom 12.4.2022 - B 2 U 10/21 BH - juris RdNr 10 und vom 8.12.2020 - B 2 U 198/20 B - juris RdNr 4). Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des LSG nicht den Kriterien entspricht, die das BSG aufgestellt hat, sondern erst, wenn das LSG diesen Kriterien widersprochen, also eigene rechtliche Maßstäbe entwickelt hat (BSG Beschlüsse vom 12.5.2022 - B 5 R 3/22 B - juris RdNr 6, vom 23.2.2022 - B 9 V 35/21 B - juris RdNr 8 und vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 RdNr 5). Nicht die Unrichtigkeit der Entscheidung im Einzelfall, sondern die Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen begründet die Zulassung der Revision wegen Abweichung (BSG Beschluss vom 8.12.2016 - B 2 U 123/16 B - SozR 4-1920 § 52 Nr 17 RdNr 5). Darüber hinaus verlangt der Zulassungsgrund der Divergenz, dass das angefochtene Urteil auf der Abweichung beruht. Bezogen auf die Darlegungspflicht bedeutet das vorstehend Gesagte, dass die Beschwerdebegründung erkennen lassen muss, welcher abstrakte Rechtssatz in der höchstrichterlichen Entscheidung enthalten ist und welcher im Urteil des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht; ferner muss aufgezeigt werden, dass auch das Revisionsgericht die oberstgerichtliche Rechtsprechung in einem künftigen Revisionsverfahren seiner Entscheidung zu Grunde zu legen haben wird (zum Ganzen vgl BSG Beschlüsse vom 27.3.2019 - B 5 RE 11/18 B - juris RdNr 6, vom 2.9.2016 - B 13 R 229/16 B - juris RdNr 4 und grundlegend vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN).

Diesen Darlegungserfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Für die schlüssige Bezeichnung einer Abweichung fehlt es bereits an der Gegenüberstellung zweier einander widersprechender Rechtssätze, sodass der im Rahmen einer Divergenzrüge erforderliche Rechtssatzvergleich von vornherein unmöglich ist. Im Übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beschwerdeerwiderung (Seiten 3/4 unter Gliederungspunkt 5.) Bezug genommen.

C. Wird - wie hier - ein Verfahrensmangel auf Verletzungen der Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) gestützt, muss "er sich auf einen Beweisantrag beziehen, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist" (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG). Um den Verfahrensmangel ordnungsgemäß zu bezeichnen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG), muss die Beschwerdebegründung (1.) einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren, prozessordnungsgemäßen Beweisantrag bezeichnen, (2.) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf Grund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (3.) die Tatumstände darlegen, die den Beweisantrag betreffen und weitere Sachaufklärung erfordert hätten, (4.) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (5.) schildern, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG also von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis hätte gelangen können, wenn es das behauptete Ergebnis der unterlassenen Beweisaufnahme gekannt hätte (BSG Beschlüsse vom 26.5.2020 - B 2 U 214/19 B - juris RdNr 5, vom 30.1.2020 - B 2 U 152/19 B - juris RdNr 8 und grundlegend vom 19.11.2007 - B 5a/5 R 382/06 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5 sowie vom 12.12.2003 - B 13 RJ 179/03 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

Diese Erfordernisse erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Sie versäumt es bereits, Fundstelle und Wortlaut eines prozessordnungskonformen Beweisantrags - im hier maßgeblichen Sinn der ZPO (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG) - wiederzugeben und darzulegen, die im Berufungsverfahren rechtskundig vertretene Beschwerdeführerin habe einen derartigen Beweisantrag bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG durch einen entsprechenden Hinweis zu Protokoll aufrechterhalten. Hierauf weist auch die Beschwerdeerwiderung auf Seite 4 (Gliederungspunkt 6.) zu Recht hin.

D. Soweit die Klägerin neben der Revisionszulassung auch beantragt, "auf die Beschwerde das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 18.11.2021 aufzuheben sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 30.05.2017 und den Bescheid der Beschwerdegegnerin vom 15.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2015 sowie den Bescheid vom 26.03.2013 aufzuheben", hat dieser überschießende Sachantrag keine eigenständige Bedeutung. Denn damit umschreibt die Klägerin nur die weiteren, indirekt mit dem Zulassungsgesuch verfolgten Rechtsschutzziele, die sie im angestrebten Revisionsverfahren nach dessen Zulassung erreichen möchte.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

Der Streitwert für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde ist - nach Anhörung der Beteiligten - gemäß § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG iVm §§ 40, 47 Abs 3 iVm Abs 1, § 52 Abs 1, § 63 Abs 2 Satz 1 GKG auf 2920,91 Euro festzusetzen. Wegen der Streitwertberechnung wird auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in ihrer Beschwerdeerwiderung (Seite 5 unter Gliederungspunkt 7.) Bezug genommen.

Hüttmann-Stoll

Karl

Karmanski

 

Fundstellen

Dokument-Index HI15343840

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