Beteiligte
Kläger und Beschwerdeführer |
Beklagte und Beschwerdegegnerin |
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Bemessung seiner Beiträge zur landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Er meint insbesondere, der zugrunde gelegte flächenbezogene Beitragsmaßstab beachte unzureichend das Unfallrisiko vor allem bei Marktfruchtbetrieben und dabei insbesondere bei viehlosen großen Betrieben. Sein Widerspruch gegen den Beitragsbescheid vom 15. Mai 1985 blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19. September 1985).
Das Sozialgericht (SG) hat den angefochtenen und die während des Klageverfahrens ergangenen Beitragsbescheide aufgehoben (Urteil vom 7. August 1990). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 12. Januar 1993).
Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Beschwerdeführer als Verfahrensmangel, das LSG sei in mehrfacher Hinsicht von den Feststellungen des SG abgewichen, ohne den Beteiligten dazu zunächst Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Diese Rüge ist unbegründet. Das Berufungsgericht prüft den Rechtsstreit im Rahmen einer zulässigen Berufung nicht nur rechtlich, sondern auch in tatsächlicher Hinsicht in vollem Umfang neu. Die Beteiligten müssen deshalb auch damit rechnen, daß das LSG andere, vom SG abweichende tatsächliche Feststellungen trifft und aufgrund einer anderen Beweiswürdigung insgesamt zu einem anderen Beweisergebnis gelangt. Es gibt keinen allgemeinen Verfahrensgrundsatz, der das Gericht verpflichten würde, die Beteiligten vor einer Entscheidung auf eine in Aussicht genommene Beweiswürdigung hinzuweisen oder die für die richterliche Überzeugungsbildung möglicherweise leitenden Gesichtspunkte zuvor mit den Beteiligten zu erörtern. Angesichts des in § 128 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) verankerten Grundsatzes der freien richterlichen Beweiswürdigung und des Verbots einer vorweggenommenen Beweiswürdigung durch einzelne Mitglieder des Spruchkörpers vor der geheimen Beratung des Gerichts müssen die Beteiligten deshalb damit rechnen, daß das Gericht eine andere als die erwartete Überzeugung gewinnt (vgl. u.a. Beschluß des Senats vom 31. August 1993 -2 BU 61/93- ständige Rechtsprechung). Ein darüber hinausgehendes Überraschungselement hat der Beschwerdeführer nicht dargelegt. Soweit der Beschwerdeführer die Feststellungen und Schlußfolgerungen des LSG angreift, ist dies im Rahmen des § 160 Abs. 2 Nr. 3 SGG unzulässig.
Der Kläger meint außerdem, das Urteil des LSG weiche von der Entscheidung des Senats vom 24. Januar 1991 (BSGE 68, 123) ab i.S. des § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG. Zur Bezeichnung einer Divergenz im Sinne dieser Vorschrift ist kenntlich zu machen, zu welcher konkreten Rechtsfrage. eine Abweichung vorliegt, welche Rechtsfrage das LSG anders als das Bundessozialgericht (BSG) entschieden hat (BSG SozR 1500 § 160a Nrn. 21, 29) sowie weshalb die rechtliche Aussage des LSG und die des BSG unvereinbar sind (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, IX Rdnr. 196). Der Beschwerdeführer geht wohl davon aus, daß das BSG in seinem Urteil vom 24. Januar 1991 (a.a.O.) den Rechtssatz aufgestellt habe, ein im wesentlichen auf dem Flächenwert basierender Beitragsmaßstab in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung müsse stets eine Härteregelung enthalten und das LSG habe demgegenüber seiner Entscheidung den Rechtssatz zugrunde gelegt, auch ohne Härteregelung sei ein solcher Beitragsmaßstab rechtmäßig. Der Senat hat jedoch seine Entscheidung vom 24. Januar 1991 nicht darauf gestützt, daß in der Satzung der dort beklagten landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) eine Härteklausel enthalten war. Auf diese Härteklausel hat der Senat nur im Zusammenhang mit dem im Revisionsverfahren unzulässigen neuen Vorbringen des Klägers hingewiesen. Einen Rechtssatz in dem von der Beschwerde aufgezeigten Sinne für die Sachentscheidung selbst hat dieser Hinweis nicht gebildet.
Der Beschwerdeführer geht schließlich zu Unrecht davon aus, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ist gegeben, wenn zu erwarten ist, daß die Revisionsentscheidung die Rechtseinheit in ihrem Bestand erhalten oder die Weiterentwicklung des Rechts fördern wird. Es muß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen sein, welche bisher revisionsgerichtlich noch nicht - ausreichend - geklärt ist (s u.a. BSG SozR 1500 § 160 Nr. 17).
Der Beschwerdeführer verkennt nicht, daß der Senat in ständiger Rechtsprechung die Bemessung des Beitrages in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach dem Flächenwert als einen anderen angemessenen Beitragsmaßstab ansieht, der weder Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch verfassungsrechtliche Grundsätze verletzt (BSGE 54, 243, 245; 68, 123, 124). Die vom Beschwerdeführer angeführten und im folgenden behandelten ersten vier Fragen von grundsätzlicher Bedeutung sind jedoch geprägt von der Auffassung, daß die Unfallgefahr auch in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung die Beitragsgestaltung und -bemessung zu bestimmen hat. Demgegenüber hat das BSG in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß die Unfallgefahr zwar auch für die Beitragsgestaltung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Bedeutung hat, aber kein bestimmender Faktor für die Beitragsberechnung in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung ist (BSGE 54, 243, 246).
Der Beschwerdeführer hält im einzelnen noch für rechtsgrundsätzlich die Frage, ob die Bemessung des Beitrags in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach einem Grundbetrag, einem Flächenwert und einem Flächenfreibetrag erfolgen dürfe, ohne hierin eine Härteregelung für besonders belastete Mitgliedergruppen vorzusehen, und ob nicht erkennbare individuelle Härten einer solchen Beitragsregelung zumindest durch eine spezielle Härteklausel aufgefangen werden müßten. Der Senat hat in seinem Urteil vom 25. Januar 1983 (BSGE 54, 243, 245/246) auf die rechtliche Möglichkeit hingewiesen, grobe Unbilligkeiten, die sich aus der Berechnung nach dem Durchschnittswert ergeben könnten, durch eine Härteklausel auszugleichen. Der Senat hat jedoch schon in dieser Entscheidung nicht gefordert, daß die Berechnung der Beiträge zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung nach dem Flächenwert stets nur dann rechtmäßig sei, wenn die Satzung eine entsprechende Härteklausel enthalte (s. auch Urteil vom 25. Januar 1983 - a.a.O.). In seinem Urteil vom 24. Januar 1991 (BSGE a.a.O.) hat der Senat, wie dargelegt, nur noch in einem ganz anderen Zusammenhang auf eine vorhandene Härteklausel hingewiesen. Es bedarf deshalb keiner weiteren höchstrichterlichen Entscheidung, daß es sich jeweils nach der besonderen Gestaltung der Beitragsbemessung richtet, in welcher Weise verfassungsrechtlich nicht mehr tragbare Unbilligkeiten durch die Beitragsgestaltung vermieden werden. Dies kann in Form einer Härteklausel, aber auch dadurch geschehen, daß der Beitragsmaßstab entsprechend gestaltet oder der Beitragsbemessung ein kombinierter Beitragsmaßstab zugrunde gelegt wird. Diese Rechtsprechung hat das LSG seinem Urteil zugrunde gelegt.
Für rechtsgrundsätzlich hält der Beschwerdeführer auch noch die Fragen, ob die flächengroßen viehlosen Marktfruchtbetriebe eine abgrenzbare eigenständige Mitgliedergruppe darstellen, die eine Sonderregelung im Sinne einer generellen Härteregelung für diese Mitgliedergruppe verlangt und ob die besonders betroffene Gruppe ein zahlenmäßiges Gewicht gegenüber der Gesamtmitgliederzahl der Beitragspflichtigen haben müsse, oder ob es ausreiche, daß die Gruppe im Bereich der Haupterwerbsbetriebe - der relevanten Beitragszahler - oder einer anderen abgrenzbaren Gruppe eine nicht unerhebliche Bedeutung habe. Auch diese Fragen sind jedenfalls seit der Entscheidung des Senats vom 24. Januar 1991 (BSGE a.a.O.) nicht mehr klärungsbedürftig. Bereits mit der Wahl eines im wesentlichen auf den Flächenwert gestützten Beitragsmaßstabes erlangt eine Unterscheidung zwischen Betrieben mit und ohne Viehhaltung keine Bedeutung. Dies hat der Senat trotz des nicht zu verkennenden unterschiedlichen Unfallrisikos in ständiger Rechtsprechung für zulässig erachtet, da - wie bereits erwähnt - nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Unfallgefahr in der landwirtschaftlichen Unfallversicherung zwar für die Bemessung der Beiträge von Bedeutung, jedoch kein bestimmender Faktor für die Beitragserhebung wie in der allgemeinen Unfallversicherung ist. Aus diesem Grunde rechtfertigt auch der Hinweis der Beschwerde auf die "flächengroßen" Marktfruchtbetriebe nach der ständigen Rechtsprechung des Senats keine andere Beurteilung. In seinem Urteil vom 24. Januar 1991 (BSGE a.a.O.) hat der Senat in Weiterführung seiner Rechtsprechung außerdem dargelegt, daß die flankierenden Maßnahmen aus Steuermitteln bei der Frage der Beitragsgerechtigkeit nicht außer Betracht bleiben könnten. Der Satzungsgeber kann die Beiträge nach dem Flächenwert berechnen und dabei berücksichtigen, daß auch Großbetrieben aus Steuermitteln eine prozentual gleiche und damit ebenfalls nach der Größe des landwirtschaftlichen Betriebes ausgerichtete Beitragsentlastung gewährt wird. Daraus folgt zugleich, daß auch die letzte vom Kläger, als grundsätzlich angesehene Frage keiner weiteren höchstrichterlichen Entscheidung bedarf, nämlich ob und mit welchen Grenzen der Solidargedanke Beitragsungerechtigkeiten im Bereich der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft rechtfertige. Landwirtschaftliche Unternehmer können im Bereich der landwirtschaftlichen Unfallversicherung nicht verlangen, als Verpflichtete zu einem geringeren Solidarbeitrag herangezogen zu werden, als sie ihn als Empfänger von der größeren Solidargemeinschaft der Steuerzahler unabhängig von ihrem Einkommen erhalten.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.2 BU 55/93
BSG
BSG, Beschluss v. 09.12.1993, 2 BU 55/93 -
Bundessozialgericht
Beschluß
Fundstellen