Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm für ein Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2022 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. April 2022 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahr 1951 geborene Kläger war von September 2003 bis Dezember 2013 in Ungarn beschäftigt; er bezieht auch von dort eine Rente. Der beklagte Rentenversicherungsträger bewilligte ihm ab dem 1.9.2016 eine Regelaltersrente aus der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung von monatlich 359,57 Euro zuzüglich eines Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung bei einer Betriebskrankenkasse in Höhe von 26,25 Euro (Bescheid vom 21.11.2016, Widerspruchsbescheid vom 2.2.2018). Mit Bescheid vom 19.5.2018 führte die Beklagte die Rentenanpassung zum 1.7.2018 durch und setzte ab diesem Zeitpunkt die Rente auf monatlich 378,31 Euro, den Zuschuss zur Krankenversicherung dementsprechend auf 27,62 Euro fest. Den nicht näher begründeten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 4.10.2018).
Im Klageverfahren hat der Kläger beanstandet, im Vergleich zur Anhebung der tariflichen Löhne und Gehälter in den Jahren 2016 und 2017 sei die Rentenerhöhung zu gering. Eine zusätzliche Erhöhung von Niedrigrenten sei aus Gründen der Verhältnismäßigkeit und sozialen Gerechtigkeit sowie zur grundrechtlichen Gleichbehandlung geboten. Durch die Erhöhung der Mindestbemessungsgrenze für die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung werde er noch zusätzlich belastet. Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26.3.2020). Gegen den ihm am 28.3.2020 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger mit Schreiben vom 27.7.2020 Berufung eingelegt. Das LSG hat ihm Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gewährt (Beschluss vom 12.10.2020). In der mündlichen Verhandlung am 29.4.2022 hat der Kläger erklärt: "Ich möchte gar keine höhere Rente. Die Rente selbst ist richtig berechnet und wird auch in korrekter Höhe gezahlt. Ich möchte allerdings höhere Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, weil die Beiträge hierzu derzeit nach der Mindestbemessungsgrundlage bemessen werden, die aber bei etwa 1.200,00 Euro liegt, wohingegen ich aber nur 400,00 Euro Rente bekomme." Er hat sodann den Antrag zur gerichtlichen Entscheidung gestellt, die Beklagte zur Zahlung der höheren Altersrente gemäß Rentenanpassungsmitteilung vom 19.5.2018 bereits ab dem 1.1.2018 sowie zu höheren Zuschüssen zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung zu verurteilen. Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Die Rentenanpassung zum 1. Juli eines jeden Jahres entspreche den Vorgaben in § 65 SGB VI und sei auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch die Anpassung des Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung sei von der Beklagten zutreffend umgesetzt worden. Im Übrigen entspreche die Festsetzung der Höhe des Zuschusses ausschließlich nach Maßgabe des Zahlbetrags der Rente dem rentenrechtlichen Äquivalenzprinzip (Urteil vom 29.4.2022, dem Kläger zugestellt am 19.5.2022).
Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger mit einem von ihm selbst verfassten Schreiben vom 16.6.2022, das hier am 20.6.2022 (Montag) eingegangen ist, Beschwerde eingelegt. Zudem hat er Prozesskostenhilfe (PKH) für die Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Beschwerdeverfahrens beantragt. Der Kläger trägt ua vor, die Mindestbemessungsgrenze für seine Beiträge zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung sei ein willkürliches Konstrukt, das entfallen könnte, wenn die Beitragsbemessungsgrenze in der Krankenversicherung auf die Höchstgrenze in der Rentenversicherung angehoben würde. Seine Forderung nach Erhöhung der Rente und des Krankenversicherungszuschusses bereits ab Jahresbeginn entspringe dem grundrechtlichen Gleichbehandlungs- und "Sozialkapitalsicherungsanspruch" bzw dem Eigentumsschutz. Eine Fortbildung des Rechts sei insoweit überfällig. Hierzu sei die Sache gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) oder "den europäischen Institutionen" vorzulegen.
Ein anderer Senat des LSG hat mit Urteil vom 30.6.2022 (L 5 KR 581/21) die Berufung des Klägers im Rechtsstreit gegen seine Betriebskrankenkasse zurückgewiesen. In diesem Rechtsstreit hat der Kläger begehrt, seine Versicherungsbeiträge nicht nach der Mindestbemessungsgrundlage, sondern nur unter Heranziehung seiner Rente als beitragspflichtiges Einkommen zu bemessen. Auch gegen das Urteil vom 30.6.2022 hat der Kläger Nichtzulassungsbeschwerde erhoben und hierfür PKH beantragt (vgl B 12 KR 25/22 BH).
II
1. Die Bewilligung von PKH für ein Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren gegen das LSG-Urteil vom 29.4.2022 (L 14 R 659/20) ist abzulehnen. Nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1 ZPO kann PKH nur bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Das ist hier nicht der Fall. Nach Prüfung des Streitstoffs anhand der beigezogenen Verwaltungs- und Gerichtsakten ist nicht zu erkennen, dass ein Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das LSG-Urteil vom 29.4.2022 erfolgreich zu begründen.
Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),
- die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder
- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Dass sich im Fall des Klägers Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen könnten, ist nicht erkennbar. Soweit der Kläger eine Rentenanpassung bereits zum 1.1.2018 und nicht erst - wie von der Beklagten umgesetzt - zum 1.7.2018 begehrt, ist für dieses Ansinnen im geltenden Recht keine Rechtsgrundlage vorhanden. Eine solche Rechtsgrundlage wäre aber erforderlich. § 31 SGB I schreibt vor, dass Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen dieses Gesetzbuchs - dazu gehört nach § 23 SGB I auch die gesetzliche Rentenversicherung - nur begründet, festgestellt oder geändert werden dürfen, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt. Hierzu hat bereits das LSG zutreffend darauf hingewiesen, dass § 65 SGB VI die Anpassung der Renten "zum 1. Juli eines jeden Jahres" vorsieht und nicht - wie vom Kläger gefordert - zum 1. Januar. Das ist bereits seit Inkrafttreten des SGB VI zum 1.1.1992 der Fall und war auch schon zuvor in § 1272 Abs 1 RVO bzw § 49 Abs 1 AVG(jeweils in den ab dem 1.1.1983 geltenden Fassungen des Haushaltsbegleitgesetzes 1983 vom 20.12.1982, BGBl I 1857) so geregelt. Dafür, dass dieser Anpassungszeitpunkt dem grundrechtlichen Gleichbehandlungsanspruch (vgl Art 3 Abs 1 GG) bzw dem Eigentumsgrundrecht oder einem "Sozialkapitalsicherungsanspruch" (vgl Art 14 Abs 1 GG) widersprechen könnte, gibt es keine ernsthaften Anhaltspunkte. Insbesondere sieht Art 14 Abs 1 Satz 2 GG vor, dass Inhalt und Schranken des Eigentums durch die Gesetze bestimmt werden (zu Rentenansprüchen als Eigentum vgl zB BVerfG Beschluss vom 11.1.2011 - 1 BvR 3588/08 ua - BVerfGE 128, 138, 148 f = SozR 4-2600 § 77 Nr 9 RdNr 34; BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 3.6.2014 - 1 BvR 79/09 ua - SozR 4-2600 § 68 Nr 4 RdNr 53 f). Allein der Umstand, dass die Bemessungsgrenzen für die Beitragszahlung jeweils zum Jahresbeginn angepasst werden (vgl § 159 SGB VI; s auch § 223 Abs 3 iVm § 6 Abs 6 SGB V), zwingt nicht dazu, auch die Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung jeweils zum Jahresbeginn anzupassen. Für eine Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG ist kein Raum.
Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist auch nicht im Zusammenhang mit der Bemessung des vom Rentenversicherungsträger als Zusatzleistung zur Rente zu zahlenden Zuschusses zu den Aufwendungen für eine freiwillige Versicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 106 Abs 1 und 2 SGB VI) ersichtlich. Dass § 106 Abs 2 SGB VI den Zuschuss zu einer freiwilligen gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung in derselben Höhe vorsieht, wie er bei in der Krankenversicherung pflichtversicherten Rentnern anfallen würde, entspricht dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG(vgl Fichte in Hauck/Noftz, § 106 SGB VI RdNr 2, Stand der Einzelkommentierung Mai 2019; Böttiger in jurisPK-SGB VI, 3. Aufl 2021, § 106 RdNr 25 ff) . Soweit der Kläger erreichen will, dass die Beiträge zu seiner freiwilligen Krankenversicherung nicht nach einer Mindestbemessungsgrundlage (vgl § 240 Abs 4 SGB V), sondern nur aus dem Rentenzahlbetrag erhoben werden, kann das nicht Gegenstand des Rechtsstreits gegen den Rentenversicherungsträger sein, sondern muss im Verhältnis zur Krankenkasse geklärt werden (s dazu das Parallelverfahren B 12 KR 25/22 BH).
Anhaltspunkte dafür, dass die Revisionszulassungsgründe einer Rechtsprechungsabweichung oder eines Verfahrensmangels (vgl § 160 Abs 2 Nr 2 und 3 SGG) von einem Prozessbevollmächtigten geltend gemacht werden könnten, bestehen nicht.
Da dem Kläger nach alledem PKH nicht zusteht, entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (vgl § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).
2. Die vom Kläger selbst eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ist unzulässig und deshalb durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (vgl § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 SGG). Sie erfüllt nicht die gesetzlichen Formvorschriften, da eine Beschwerde an das BSG wirksam nur durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten eingelegt werden kann (vgl § 73 Abs 4 SGG). Der Kläger gehört nicht zu diesem Personenkreis.
3. Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und 4 SGG.
Düring Hannes Gasser
Fundstellen
Dokument-Index HI15523846 |