Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren: Kostenpflicht eines Hauptbeteiligten bei Erfolglosigkeit eines von einem anderen Beteiligten eingelegten Rechtsmittel
Orientierungssatz
§ 154 Abs. 2 VwGO ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift. Daher ist für eine Kostenpflicht eines Hauptbeteiligten, der im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens dem Hauptantrag eines anderen Beteiligten beigetreten und hiermit der Sache nach unterlegen ist, kein Raum. Andererseits besteht auch keine Berechtigung zur Kostenerstattung (vgl. BSG, 6. Mai 2009, B 6 KA 2/08 R).
Normenkette
SGG § 197a Abs. 1 S. 1 Hs. 3; VwGO § 154 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 16.06.2016; Aktenzeichen L 5 KA 10/15) |
SG Mainz (Entscheidung vom 25.02.2015; Aktenzeichen S 16 KA 66/13) |
Tenor
Die Beschwerde des Beigeladenen gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 16. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Der Beigeladene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 825,25 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der Kläger ist als Vertragszahnarzt im Bezirk der beklagten KZÄV zugelassen. Über sein Vermögen wurde mit Beschluss vom 12.9.2008 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter erklärte für die Zeit ab dem 1.4.2009 die Freigabe des Vermögens des Klägers aus seiner selbstständigen zahnärztlichen Tätigkeit (Erklärung nach § 35 Abs 2 Satz 1 Insolvenzordnung). Im Rahmen der Honorarabrechnung für das Quartal IV/2010 erhob die Beklagte Gebühren für Sonderzahlungen in Höhe von 825,25 Euro. Nach der Sondergebührenordnung zur Abrechnungsordnung der Beklagten werden für Sonderzahlungen wegen Pfändung, Insolvenzverfahren und "Forderungsabtretung (wenn Zahnarzt nicht Zahlungsempfänger bleibt)" Verwaltungsgebühren in Höhe von 2 % vom Zahlbetrag berechnet, mindestens 40, höchstens 100 Euro. Aus den verschiedenen Zahlbeträgen errechne sich danach die genannte Sonderzahlung. Der Widerspruch des Klägers gegen die Gebührenfestsetzungen blieb ebenso erfolglos wie seine Klage. Im Berufungsverfahren hat der Kläger geltend gemacht, die streitige Forderung stehe seinem Vater zu, an den er die ihm gegenüber der beklagten KZÄV zustehenden Honoraransprüche abgetreten habe. Das LSG hat die Berufung nach Beiladung des Vaters des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Sonderzahlungsgebühren zu Recht erhoben worden seien. Die Abtretung des Klägers an seinen Vater sei nicht wirksam erfolgt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Beigeladene die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) geltend.
II
Die Beschwerde des Beigeladenen ist nicht begründet.
1. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG) setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Nur wenn es auf die Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall ankommt, kann von der angestrebten Revisionsentscheidung erwartet werden, dass sie die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern bzw die Fortbildung des Rechts zu fördern vermag.
Der Beigeladene fragt,
"ob allein aufgrund eines formal bestehenden Insolvenzverfahrens, das heißt selbst bei Freigabe der selbstständigen Tätigkeit des Arztes, Sonderzahlungen für die Auskehrung des Honorars an diesen berechtigt gefordert werden dürfen."
Soweit der Beigeladene geltend macht, dass sich die Antwort hierauf "nicht zweifelsfrei aus dem Gesetz" ergebe, weil nicht danach unterschieden werde, "ob allein aufgrund des formal bestehenden Insolvenzverfahrens besondere Handlungen verursacht oder etwa durch Umbuchungen und Neueinrichtung von Konten notwendiger Aufwand erforderlich" sei, ist dem Vorbringen bereits nicht klar zu entnehmen, ob in dem angestrebten Revisionsverfahren die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden soll oder ob die Auslegung der "Anlage Sondergebührenordnung zu § 3 Abrechnungsordnung der KZV RLP" der Beklagten - und damit von landesrechtlichen Bestimmungen - für die Beantwortung der formulierten Rechtsfrage maßgebend ist. Auf die Verletzung von Landesrecht könnte die Revision gemäß § 162 SGG grundsätzlich nicht gestützt werden.
Jedenfalls ist die Beschwerde des Beigeladenen nicht begründet, weil es an der Entscheidungserheblichkeit der formulierten Rechtsfrage fehlt: Soweit der Beigeladene im angestrebten Revisionsverfahren Zahlungen nicht an sich selbst, sondern an den Kläger geltend machen möchte, fehlt es ihm an der erforderlichen materiellen Beschwer, weil er in diesem Fall nicht geltend machen kann, aufgrund der Bindungswirkung des Urteils (§ 141 Abs 1 Nr 1 SGG) in eigenen Rechtspositionen beeinträchtigt zu sein (vgl dazu im Einzelnen das ebenfalls den Kläger des vorliegenden Verfahrens betreffende Urteil des Senats vom 10.12.2014 - B 6 KA 45/13 R - BSGE 118, 30 = SozR 4-2500 § 85 Nr 81, RdNr 14 f). Wenn dagegen mit dem Vorbringen des Klägers davon auszugehen wäre, dass dieser die Forderung wirksam an den beigeladenen Beschwerdeführer abgetreten hätte, könnte der Beigeladene zwar eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen. Es käme im Revisionsverfahren aber nicht mehr auf die formulierte Rechtsfrage an, weil die Sonderzahlungsgebühr dann - unabhängig von einem Insolvenzverfahren - jedenfalls aufgrund der Abtretung zu erheben wäre. Die Anlage "Sonderzahlungsgebührenordnung zu § 3 Abrechnungsordnung der KZV RLP" stellt dem Insolvenzverfahren ua die "Forderungsabtretung (wenn Zahnarzt nicht Zahlungsempfänger bleibt)" gleich und ordnet sie der Gruppe 1 zu. Für die der Gruppe 1 zugeordneten Tatbestände sieht die "Anlage Sondergebührenordnung zu § 3 Abrechnungsordnung der KZV RLP" einheitlich eine Gebühr von 2 % des Zahlbetrags bei einem Mindestbetrag von 40 Euro und einem Höchstbetrag von 100 Euro vor. Mit der Rechtmäßigkeit der Sonderzahlungsgebühr bei Absetzungen befasst sich die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger selbst hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG keine Beschwerde eingelegt. Zwar war dem Vorbringen des Klägers, das Grundlage des Beschlusses des Senats vom 8.12.2016 zum Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH war, noch nicht eindeutig zu entnehmen, ob dieser auch selbst Beschwerde einlegen oder sich nur dem Antrag des Beigeladenen anschließen wolle. Aus dem weiteren Vorbringen des Klägers ist jedoch deutlich geworden, dass er die Beschwerde des Beigeladenen unterstützen und nicht - mit den sich daraus ergebenden Kostenfolgen - selbst Nichtzulassungsbeschwerde einlegen wollte. Eine Beschwerde des Klägers wäre im Übrigen unzulässig gewesen, weil die Monatsfrist des § 160a Abs 1 Satz 1 SGG nicht gewahrt ist. Dies hat der Senat bereits in der Begründung des Beschlusses vom 8.12.2016 im Einzelnen dargelegt, sodass darauf Bezug genommen werden kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Kostenpflicht des Beigeladenen als erfolglosem Rechtsmittelführer beruht auf § 154 Abs 2 VwGO. Diese Regelung ist im Falle eines erfolglosen Rechtsmittels die allein maßgebliche Kostenvorschrift; § 154 Abs 1 VwGO findet daneben keine Anwendung (vgl BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 2/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 24). Daher ist in einem solchen Fall kein Raum für eine Kostenpflicht auch des Klägers, der selbst kein Rechtsmittel eingelegt hat. Andererseits besteht - entsprechend dem Grundgedanken des § 154 Abs 1 VwGO - auch keine Berechtigung zur Kostenerstattung, wenn der Hauptbeteiligte - wie hier der Kläger - im weiteren Verlauf des Rechtsmittelverfahrens dem Hauptantrag eines anderen Beteiligten beigetreten ist und hiermit der Sache nach unterlegen ist (vgl BSG Urteil vom 6.5.2009 - B 6 KA 2/08 R - SozR 4-2500 § 106 Nr 24).
Fundstellen
Dokument-Index HI10876545 |