Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Auslegung eines Verwaltungsakts. GdB-Herabsetzungsbescheid ohne Datum. Heranziehung von beigefügten Unterlagen als Auslegungshilfe. grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache. Klärungsbedarf. Divergenz. Darlegungsanforderungen. sozialgerichtliches Verfahren. Verfahrensfehler. keine Pflicht des Gerichts zum Hinweis auf Antragsrecht nach § 109 SGG
Orientierungssatz
1. Zur Auslegung des Verfügungssatzes eines Verwaltungsakts (hier im Hinblick auf einen nicht ausdrücklich im GdB-Herabsetzungsbescheid genannten Geltungsbeginn) kann neben der Begründung des Verwaltungsakts auch auf ihm beigefügte Unterlagen zurückgegriffen werden (vgl BSG vom 6.2.2007 - B 8 KN 3/06 R = SozR 4-2600 § 96a Nr 9).
2. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 109 SGG auf gutachtliche Anhörung eines bestimmten Arztes hinzuweisen (vgl BSG vom 26.3.2013 - B 1 KR 35/12 B).
3. Zieht der Beschwerdeführer in der Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einen Rechtssatz des BSG zur Darlegung der Divergenz nach §§ 160a, 160 Abs 2 Nr 2 SGG als abweichenden Rechtssatz heran, kann er nicht ohne Weiteres zugleich geltend machen, dass sich im Hinblick auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach §§ 160a, 160 Abs 2 Nr 1 SGG aus der bisherigen Rechtsprechung keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Beantwortung dieser Frage entnehmen lassen.
Normenkette
SGB X § 33; SGB IX § 69 Abs. 1; BGB § 133; SGG § § 62, 106, 109, 160a Abs. 2 S. 3, § 160 Abs. 2 Nrn. 1-2, 3 Hs. 1, § 160 Abs. 2 Nr. 3 Hs. 2
Verfahrensgang
SG Halle (Saale) (Urteil vom 01.02.2017; Aktenzeichen S 19 SB 78/15) |
LSG Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 13.12.2017; Aktenzeichen L 7 SB 36/17) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 13. Dezember 2017 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG vom 13.12.2017 mit einem am 4.5.2018 beim BSG eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 3.5.2018 Beschwerde eingelegt. Das LSG-Urteil ist dem vormaligen Prozessbevollmächtigten mit neuer Rechtsmittelbelehrung am 10.4.2018 und am 16.4.2018 mit neuer Rechtsmittelbelehrung sowie mit korrigiertem Verkündungsdatum zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 19.6.2018, beim BSG eingegangen am selben Tag, hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde beantragt. Mit Schreiben vom 21.6.2018 hat der Senat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mitgeteilt, dass der Verlängerungsantrag erst nach Fristablauf beim BSG eingegangen ist. Des Weiteren wurde der Kläger um Mitteilung gebeten, ob die Beschwerde aufrechterhalten und ggf Gründe auf Wiedereinsetzung geltend gemacht werden. Mit Schriftsatz vom 4.7.2018 hat der Prozessbevollmächtigte ausgeführt, dass das LSG-Urteil nach Entzug des Mandats gegenüber dem vormaligen Prozessbevollmächtigten nicht rechtwirksam zugestellt worden sei. Der Senat hat dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 14.8.2018 (zugestellt am 17.8.2018) mitgeteilt, dass er nach wie vor vom Ablauf der Begründungsfrist ausgehe und, soweit im Schreiben vom 4.7.2018 sinngemäß ein Antrag auf Wiedereinsetzung zu sehen sei, gebeten, binnen Monatsfrist ab Zugang der - zeitgleich übersandten - Akten die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bei Gericht einzureichen. Nach Rücklauf der Akten am 21.8.2018 hat der Senat mit Schreiben vom 17.10.2018 darauf hingewiesen, dass beim BSG keine Beschwerdebegründung eingegangen ist. Mit Schriftsatz vom 30.10.2018 hat der Prozessbevollmächtigte die Vertretung des Klägers niedergelegt. Der Kläger ist durch Schreiben des Senats vom 6.11.2018 über die Niederlegung und die Schreiben des Senats vom 14.8.2018 und 17.10.2018 in Kenntnis gesetzt worden.
II. Die Beschwerde ist unzulässig, da sie nicht innerhalb der am 11.6.2018 abgelaufenen Frist durch einen vor dem BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten begründet worden ist (§ 160a Abs 2 S 1 iVm § 64 Abs 3, § 73 Abs 4 SGG). Das Urteil des LSG ist dem früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers am 10.4.2018 zugestellt worden, so dass die Beschwerde vom 4.5.2018 rechtzeitig beim BSG eingegangen ist (§ 160a Abs 1 S 2 SGG). Da der frühere Prozessbevollmächtigte erst am 12.4.2018 angezeigt hat, dass der Kläger sein Mandat gekündigt hat, galt dessen Vollmacht über den 10.4.2018 hinaus fort (§ 73 Abs 6 S 6 SGG; BSG Urteil vom 28.4.1999 - B 6 KA 41/98 R - Juris RdNr 12 mwN; vgl auch § 87 Abs 1 ZPO). Die Frist von zwei Monaten nach Zustellung des LSG-Urteils zur Begründung der Beschwerde nach § 160a Abs 2 S 1 SGG ist somit am 11.6.2018 abgelaufen. Etwas anderes ergibt sich nicht aus der erneuten Zustellung des LSG-Urteils am 16.4.2018 mit korrigiertem Verkündungsdatum, weil dies keinen Einfluss auf die Rechtsmittelfrist hat (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 134 RdNr 7; Harks in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 134 RdNr 17). Der Antrag auf Fristverlängerung iS von § 160a Abs 2 S 2 SGG vom 19.6.2018 war somit verspätet, ein Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG besteht nicht. Selbst wenn der Kläger mit Schreiben vom 4.7.2018 sinngemäß einen entsprechenden Antrag gestellt haben sollte, so hat er auch nach erfolgter Akteneinsicht am 17.8.2018 keine Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde vorgelegt. Folglich fehlt es bereits an einer fristgemäßen Nachholung der versäumten Handlung iS von § 67 Abs 2 S 3 SGG. Die Beschwerde musste daher in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss verworfen werden (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12975669 |