Verfahrensgang
LSG Mecklenburg-Vorpommern (Beschluss vom 11.08.2016; Aktenzeichen L 6 KR 74/14) |
SG Rostock (Entscheidung vom 10.09.2014; Aktenzeichen S 15 KR 98/14) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 11. August 2016 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im Rahmen der Auffang-Pflichtversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V an Stelle seiner Versicherung im Basistarif der privaten Krankenversicherung (PKV).
Der 1944 geborene Kläger war seit 1994 bei der Beigeladenen privat krankenversichert. Seit dem 2.1.2012 verbüßte er eine Haftstrafe. Währenddessen erhielt er freie Gesundheitsfürsorge nach dem Strafvollzugsgesetz. Zum 31.8.2012 wurde die private Krankenversicherung wegen Beitragsrückständen gekündigt. Am 17.7.2013 beantragte der Kläger für die Zeit nach seiner Entlassung aus der Haft die Aufnahme als pflichtversichertes oder freiwilliges Mitglied der GKV. Durch Bescheide vom 12. und 26.9.2013 lehnte die Beklagte eine Aufnahme des Klägers gemäß § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V mit der Begründung ab, er sei zuletzt privat krankenversichert gewesen. Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 7.4.2014, SG Urteil vom 10.9.2014, LSG Beschluss vom 11.8.2016). Mit seiner Beschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG.
II
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Mecklenburg-Vorpommern vom 11.8.2016 ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.
Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder
- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder
- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).
Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).
1. Der Kläger beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 10.11.2016 ausschließlich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger postuliert auf Seite 6 der Beschwerdebegründung die Forderung, jeder Person müsse der Zugang zur GKV gewährt werden, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall habe, um eine "verfassungsrechtliche Schieflage" auszugleichen. § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V trage dem Anspruch auf "Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG)" nicht ausreichend Rechnung, indem es zuletzt privat Krankenversicherte der PKV zuweise. Die dortige Versicherung im Basistarif sei aber mit einer Versicherung in der GKV nicht vergleichbar, da in der PKV nur Kostenerstattung geschuldet sei, in der GKV hingegen unmittelbar eine kostenfreie Behandlung ermöglicht werde. Auch die Pflicht zur Vorverauslagung der vom Behandler dem privat Krankenversicherten in Rechnung gestellten Maßnahmen belaste "Hilfsbedürftige".
a) Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) nicht, weil der Kläger keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG) mit höherrangigem Recht (BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).
Eine Rechtsfrage formuliert der Kläger nicht, auch wenn er auf Seite 6 der Beschwerdebegründung von einer "aufgeworfenen Frage" spricht. Stattdessen formuliert er auf Seite 1 der Beschwerdebegründung einen Antrag wie in einem Revisionsverfahren.
b) Darüber hinaus legt der Kläger die Klärungsbedürftigkeit im Rahmen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht in einer den Zulässigkeitsanforderungen entsprechenden Weise dar. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen (BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN).
Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht. Der Kläger erkennt zwar das gesetzgeberische Ziel einer umfassenden Krankenversicherungspflicht an, meint aber, dies sei nur in der GKV zu realisieren, obwohl in der PKV mit der Versicherung zum Basistarif (vgl § 152 Versicherungsaufsichtsgesetz nF, § 193 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz) ein eigenes Institut für Versicherungspflichtige geschaffen wurde. Zur Begründung verweist er auf praktische Unterschiede (Behandlung/Kostenerstattung). Der Kläger legt aber insoweit nicht konkret und substantiiert dar, dass durch eine Absicherung in der PKV zum Basistarif das gesetzgeberische Ziel einer umfassenden Krankenversicherungspflicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise verfehlt würde. Auch unterlässt er eine Auseinandersetzung damit, inwieweit eine Zuordnung zur GKV von einer früheren Zugehörigkeit zu diesem Sozialversicherungssystem abhängig gemacht werden kann bzw von der Solidargemeinschaft der GKV-Versicherten unter Umständen sogar eingefordert werden könnte. Schließlich befasst sich der Kläger trotz der entsprechenden Hinweise in der angefochtenen Entscheidung nicht mit der Rechtsprechung des Senats insbesondere zum Merkmal "zuletzt" versichert (vgl BSG Urteil vom 12.1.2011 - BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13; BSG Urteil vom 21.12.2011 - B 12 KR 13/10 R - SozR 4-2500 § 5 Nr 15). Soweit der Kläger auf seine Hilfsbedürftigkeit hinweist, legt er nicht dar, inwieweit - von den praktischen Fragen des in der PKV üblichen Kostenerstattungsverfahrens abgesehen - eine Versicherung in der GKV vorteilhafter wäre. Denn gemäß § 227 SGB V iVm § 240 Abs 4 S 1 SGB V sind auch bei den nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V versicherten Personen in der GKV Mindesteinnahmen der Beitragserhebung zugrunde zu legen.
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI10807082 |