Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 19.04.2018; Aktenzeichen L 6 SB 4494/17) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 18.10.2017; Aktenzeichen S 15 SB 3355/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. April 2018 wird als unzulässig verworfen.
Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I
In der Hauptsache wendet sich die 1946 geborene Klägerin gegen die Aufhebung der Feststellung der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches aG (außergewöhnliche Gehbehinderung). Mit Urteil vom 19.4.2018 hat das LSG Baden-Württemberg entschieden, dass ab dem 15.12.2012 bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG nicht mehr vorgelegen haben. Es sei bereits nicht nachgewiesen, dass ihr Gehvermögen noch auf das Schwerste eingeschränkt gewesen sei. Die Klägerin sei nicht mehr von den ersten Metern an in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt gewesen, insbesondere auch nicht durch eine psychogene Gangstörung (Hinweis auf BSG Urteil vom 11.8.2015 - B 9 SB 1/14 R - SozR 4-3250 § 69 Nr 21 RdNr 18 ff). Zur Begründung nahm das LSG Bezug auf die Ausführungen des SG in dessen angefochtenen Gerichtsbescheid und verwies ergänzend darauf, dass sich bereits nach dem Gutachten von Dr. H. aus einem vorangegangenen Rechtsstreit ergebe, dass die Klägerin durch ihre Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet in ihrer Gehfähigkeit nicht eingeschränkt sei. Sie verwende keine Gehstützen und sei auf deren Benutzung auch nicht angewiesen. Ungeachtet des Umstands, dass der vor dem SG nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Prof. Dr. B., gestützt auf seine gutachtliche Erhebung, erstmals eine zu einer psychogenen Gangstörung führende, schwerwiegende Konversionsneurose angenommen habe, stehe hierdurch eine sich auf die Gehfähigkeit auswirkende Beeinträchtigung nicht fest. Der von dem Sachverständigen erkannte äußerst leidende Eindruck sei auch nach dessen Annahme bei fehlender Mitwirkung bei der Untersuchung Ausdruck einer erheblichen Aggravationstendenz gewesen. Psychodynamisch trete massiv ein sekundärer Krankheitsgewinn in Erscheinung.
Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie macht einen Verfahrensmangel geltend.
II
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Ihre Begründung vom 26.7.2018 genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).
1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Diesen Erfordernissen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.
Die Klägerin rügt, dass das LSG über medizinische Fragen entschieden habe, ohne einen geeigneten, medizinischen Sachverständigen hierzu anzuhören. Es habe sich über die Ausführungen des auf ihren Antrag gehörten Sachverständigen Prof. Dr. B. hinweggesetzt. Dadurch habe das LSG seine Amtsermittlungspflicht verletzt und aus eigenen Überlegungen heraus über medizinische Fragen entschieden, ob die Klägerin unter einer psychogenen Gangstörung leide, die auf eine schwerwiegende Konversionsneurose zurückgehe. Folglich sei eine weitere Sachaufklärung erforderlich gewesen. Diese Ausführungen erfüllen jedoch nicht die Darlegungsanforderungen an eine Sachaufklärungsrüge (siehe hierzu allgemein Senatsbeschluss vom 21.12.2017 - B 9 SB 70/17 B - Juris RdNr 3). Es fehlt bereits an der Bezeichnung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG iVm § 118 Abs 1 S 1 SGG, § 403 ZPO. Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache (Senatsbeschluss vom 29.1.2018 - B 9 V 39/17 B - Juris RdNr 11 mwN). Die Beschwerdebegründung befasst sich im Wesentlichen mit einer umfangreichen Kritik an den vorrangegangenen Entscheidungen und der Würdigung ausschließlich des auf Antrag der Klägerin eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. B. durch das LSG, ohne Tatsachen vorzutragen, aus denen zu folgern ist, dass das LSG sich aus seiner rechtlichen Sicht heraus hätte gedrängt sehen müssen, weiteren Beweis zu erheben. Die Klägerin bezieht sich insoweit lediglich auf die von ihr dem LSG geschilderten weiteren Leiden ohne dazulegen, dass sie hier dem LSG objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Erkrankungen genannt hat (vgl insoweit bereits Senatsbeschluss vom 12.5.2009 - B 9 SB 74/08 B - RdNr 5). Damit hat die Klägerin aber nicht aufgezeigt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG am 19.4.2018 aufrecht erhalten habe. Um in der aktuellen Prozesssituation ein Beweisthema für das LSG hinreichend genau zu bezeichnen, hätte die Klägerin substantiiert und präzise angeben müssen, welche konkreten (entscheidungserheblichen) Punkte - ausgehend von der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts - durch eine weitere, von Amts wegen durchzuführende Beweiserhebung trotz der im Laufe des Verfahrens eingeholten medizinischen Berichte und Sachverständigengutachten noch hätten geklärt werden können (vgl Senatsbeschluss vom 28.9.2015 - B 9 SB 41/15 B - Juris RdNr 6 mwN). Dies ist nicht geschehen.
Soweit die Klägerin die in ihrem Fall erfolgte Verneinung der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens aG durch das LSG angreift, rügt sie im Kern die Beweiswürdigung des LSG. Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien Beweiswürdigung) kann jedoch eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vorneherein nicht gestützt werden (vgl Senatsbeschluss vom 9.12.2010 - B 9 SB 35/10 B - Juris RdNr 9).
2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).
3. Die Verwerfung der danach nicht formgerecht begründeten und somit unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI12335624 |