Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde. Rechtsfrage. Klärungsbedürftigkeit. Entscheidungserheblichkeit. Vertragszahnarzt. Schaden. Mangelhafter Zahnersatz. Nichterbrachte Leistung. Wert. Nachbesserung. Neuanfertigung
Leitsatz (redaktionell)
Der Schaden infolge mangelhaften Zahnersatzes ist der Wert der nichterbrachten Leistung eines Vertragszahnarztes, so dass es für das Vorliegen eines Schadens unerheblich ist, ob der Patient eine Nachbesserung oder Neuanfertigung verlangt oder sich mit der mangelhaften Leistung abfindet.
Normenkette
SGG § 160 Abs. 2; SGB V § 82 Abs. 1; BMV-Z § 23 Abs. 1 S. 2, § 24; EKV-Z § 12 Abs. 6
Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat dem Beklagten die außergerichtlichen Kosten auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger gliederte der AOK-Versicherten F. im November 1995 sowohl im linken als auch im rechten Unterkiefer je eine Brücke ein.
Die Klägerin klagte zunächst über Probleme mit der Brücke rechts unten. Zwei Untersuchungen erfolgten, die eine auf Veranlassung der AOK am 10. Oktober 1996, eine weitere am 26. März 1997 in Anwesenheit des Klägers durch Mitglieder des Prothetik-Einigungsauschusses. Beide kamen zum Ergebnis, dass die Brücke rechts unten mangelhaft sei. Zusätzlich wurde festgestellt, dass der Kronenrand bei Zahn 37 (links unten) unterfahrbar sei, wie in dem Gutachten vom 9. April 1997 über die Untersuchung vom 26. März 1997 ausgeführt ist.
Der Ausschuss lehnte den auf die Brücke rechts unten bezogenen Mängelrügeantrag der AOK dennoch ab, weil im Nachhinein – nach zwischenzeitlichen Eingriffen auch des nachbehandelnden Zahnarztes – die Ursache für die Funktionsuntüchtigkeit der Brücke nicht mehr zu klären sei (Beschluss vom 12. Mai, Bescheid vom 16. Juni 1997).
Nunmehr beanstandete die Versicherte F. die Brücke links unten. Die von der AOK veranlasste Untersuchung am 16. Juli 1997 ergab erneut, dass der Kronenrand bei Zahn 37 unterfahrbar sei. Die AOK übersandte das Gutachten vom 17. Juli 1997 dem Prothetik-Einigungsausschuss. Dieser gab – ohne erneute Untersuchung – dem Mängelrügeantrag der AOK statt und entschied, dass der Kläger ihr die Kosten für die Brücke links unten und für die Begutachtung zu erstatten habe. Den Widerspruch des Klägers wies der beklagte Prothetik-Einigungs-Beschwerdeausschuss zurück (Beschluss vom 31. März, Bescheid vom 6. Mai 1998; – spätere Konto-Belastung beim Kläger: 1.000,90 DM).
Der Kläger ist mit seiner Klage zum Sozialgericht und seiner Berufung zum Landessozialgericht (LSG) erfolglos geblieben (Urteile vom 25. Juli 2001 und vom 8. Mai 2002). In dem Berufungsurteil ist ausgeführt, die Zwei-Jahres-Frist seit der Eingliederung am 17. November 1995 sei dadurch eingehalten, dass die AOK im Juli 1997 das Gutachten dem Prothetik-Einigungsausschuss zugeleitet habe. Eine nunmehr erneute Untersuchung durch den Ausschuss sei nicht erforderlich gewesen. Die Mangelhaftigkeit der Versorgung ergebe sich aus dem am 26. März 1997 in Anwesenheit des Klägers und am 16. Juli 1997 erhobenen Befund, dass der Kronenrand bei Zahn 37 unterfahrbar sei. Der Umfang der Unterfahrbarkeit habe nicht näher festgehalten werden müssen. Die vom Kläger erhobenen Einwände – perfekte Eingliederung und keine Möglichkeit der Nachbesserung – würden durch die Angaben auf seiner Karteikarte widerlegt. Eine weitere Nachbehandlung habe die Patientin F. ablehnen dürfen.
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und Verfahrensmängel geltend.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Das Vorbringen des Klägers, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫), entspricht hinsichtlich einer aufgeworfenen Rechtsfrage nicht den Zulässigkeitsanforderungen. Diese sind hinsichtlich der weiteren Rechtsfragen zwar erfüllt, in der Sache ist die Beschwerde aber auch insoweit nicht begründet. Die Verfahrensrügen (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG) sind unzulässig.
Als grundsätzlich bedeutsam wirft der Kläger mehrere Fragen auf (s Beschwerdebegründung vom 1. Oktober 2002, S 2; – die Begründungsergänzung vom 18. November 2002 kann nicht berücksichtigt werden, soweit sie neues Vorbringen enthält, weil sie erst nach Ablauf der Begründungsfrist eingegangen ist). Hinsichtlich der Fragen,
ob die Weigerung der Patientin, den Zahnersatz herauszugeben und sich neu versorgen zu lassen, weil sie trotz Wissens um den angeblichen Mangel zufrieden sei und den Zahnersatz weiter nutzen möchte, mangels Schadens die Unzulässigkeit eines Regresses ergebe und
ob ein Schadensregress noch zulässig sei, wenn die Prothese die übliche Dauer ohne Beschwerden und ohne erkennbare negative Folgen für die Mundhygiene und die Zahnsubstanz genutzt worden sei (Beschwerdebegründung S 2 iVm S 4 f),
ist die Beschwerde zulässig, aber nicht begründet. Nicht alle Erfordernisse für die Zulassung der Revision sind erfüllt. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. Hinsichtlich der genannten Fragen ist die Klärungsbedürftigkeit nicht gegeben, denn die Beantwortung dieser Fragen lässt sich ohne weiteres aus der bereits vorliegenden Senats-Rechtsprechung ableiten. Aus dem Urteil des BSG vom 16. Januar 1991 – 6 RKa 25/89 – (SozR 3-5555 § 12 Nr 2) ergibt sich, dass der Schaden der Wert der nichterbrachten Leistung des Vertragszahnarztes ist (aaO S 11), ein Schaden also immer dann gegeben ist, wenn die geschuldete ordnungsgemäße Leistung nicht erbracht worden ist. Daraus folgt, dass es für das Vorliegen eines Schadens unerheblich ist, ob der Patient eine Nachbesserung oder Neuanfertigung verlangt oder ob er sich mit der mangelhaften Leistung abfindet.
Hinsichtlich der Frage,
ob der bisherige Zahnarzt bei Erforderlichkeit einer Neuanfertigung das Recht habe, diese selbst durchzuführen (Beschwerdebegründung S 2 iVm S 12 f).
fehlt die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit), denn auf diese Frage käme es in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren nicht an. Nach der Bewertung des LSG (Urteil S 8 unten) „hat F. eine weitere (Nach-)Behandlung ablehnen dürfen”. Damit ist die Berechtigung des Klägers sowohl zum Nachbessern als auch zur Neuanfertigung entfallen. Die zitierte Feststellung des LSG wird durch das Vorbringen des Klägers nicht erschüttert. Dieser hat Verfahrensrügen entsprechend den Anforderungen des § 163 Halbsatz 2 SGG bzw des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG nicht erhoben. Dafür reicht seine Berufung darauf, dass von einem Bruch des Vertrauensverhältnisses zwischen F. und ihm nicht ausgegangen werden könne (Beschwerdebegründung S 13), nicht aus.
Ebenso erfolglos ist sein Vorbringen, das LSG habe die Frage der Nachbesserung nicht zutreffend geprüft (Beschwerdebegründung S 12 f). Soweit damit ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden soll, ist die Rüge unzulässig. Es fehlen Ausführungen entsprechend den Anforderungen gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dazu, inwiefern das Urteil des LSG auf ihm „beruhen” könnte. In der Beschwerdebegründung wird nämlich nicht dargelegt, inwiefern es auf das Nachbesserungsrecht ankommen könnte, nachdem F. – wie vom LSG festgestellt – eine weitere (Nach-)Behandlung ablehnen durfte, sodass ein etwaiges Recht des Klägers zum Nachbessern entfiel.
Die vom Kläger erhobenen zahlreichen Rügen wegen der Frage der Unterfahrbarkeit des Kronenrandes (Beschwerdebegründung S 2 und S 5 ff) sind mangels Darlegungen entsprechend den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen bereits unzulässig. Insoweit rügt der Kläger, die Bewertung seiner Leistung als mangelhaft sei nicht tragfähig bzw hätte wegen der anzuerkennenden Toleranzen beim Ausmaß der Unterfahrbarkeit vom Gericht bzw Gutachter detaillierter festgestellt werden müssen (Beschwerdebegründung S 2 iVm S 5 ff) und das LSG habe sich unzulässigerweise allein auf die unzureichenden gutachterlichen Feststellungen gestützt sowie die Wertung des Einigungs- Beschwerdeausschusses ungeprüft übernommen (aaO S 8 f). Damit wirft er zunächst eine rechtsgrundsätzliche Frage nach dem Ausmaß erforderlicher Aufklärung auf (aaO S 2), im Übrigen macht er Verfahrensverstöße geltend. In beiderlei Fällen fehlt es an den erforderlichen Darlegungen gemäß § 160a Abs 2 Satz 3 SGG. Im Falle der Grundsatzrüge ist die Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit), im Falle der Verfahrensrügen ist der Verfahrensverstoß nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG dargelegt. Der Kläger berücksichtigt nämlich jeweils nicht die vom LSG in seinem Urteil getroffenen Feststellungen.
Das LSG hat die Schlussfolgerung, dass die Leistung des Klägers nicht ordnungsgemäß war, damit begründet, dass eine Unterfahrbarkeit in einem nicht mehr tolerierbaren Ausmaß vorgelegen habe (LSG-Urteil S 8 oben). Der Kläger sei bei der Untersuchung am 26. März 1997 persönlich anwesend gewesen, ohne konkrete Einwände gegen die Untersuchungsmethoden zu erheben, und es gebe keine Anhaltspunkte für eine ungeeignete Überprüfung der Unterfahrbarkeit oder für das Anlegen besonders strenger Maßstäbe zu seinen Lasten (LSG-Urteil S 8). An diese Feststellungen des LSG ist das Revisionsgericht gebunden, weil der Kläger sie nicht mit Verfahrensrügen entsprechend den Anforderungen des § 163 Halbsatz 2 SGG bzw des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG angegriffen hat.
Damit hat das LSG, gestützt auf die genannten gutachterlichen Feststellungen und die Begleitumstände wie insbesondere der Anwesenheit des Klägers am 26. März 1997, eine eigene Überprüfung und Bewertung vorgenommen. Vor diesem Hintergrund einzelfallbezogener Ausführungen käme es in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren auf die von ihm formulierte Grundsatzfrage – nach dem erforderlichen Ausmaß an Unterfahrbarkeit und an Aufklärung im Allgemeinen – nicht an; diese Frage ist also nicht entscheidungserheblich. Bei den von ihm erhobenen Verfahrensrügen fehlt es an der erforderlichen Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG); ein solcher ist angesichts der Ausführungen im LSG-Urteil, die – wie ausgeführt – die eigene Überprüfung und Bewertung der Unterfahrbarkeit ergeben, nicht erkennbar.
Unzulässig ist auch die Rüge, das LSG habe die Beweislast verkannt (Beschwerdebegründung S 9 f). Denn das Berufungsgericht hat keine bloße Beweislastentscheidung getroffen, sondern – wie ausgeführt – das Vorliegen eines Mangels geprüft und bejaht. Falls der Kläger hätte geltend machen wollen, das Urteil sei anders zu verstehen, hätte er dies entsprechend den Anforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG darlegen müssen.
Unzulässig ist ferner die Rüge, das LSG habe sein Vorbringen, dass F. die Prothese mittlerweile schon sieben Jahre trage und definitiv nicht herausnehmen lassen wolle, also kein Mangel vorliegen könne, nicht zur Kenntnis genommen (Beschwerdebegründung S 11). In der Beschwerdebegründung wird nicht dargelegt, inwiefern das Urteil des LSG im Sinne des § 160 Abs 2 Nr 3 iVm § 160a Abs 2 Satz 3 SGG auf dem geltend gemachten Gehörsverstoß „beruhen” könnte. Für das LSG waren diese Gesichtspunkte erkennbar entscheidungsunerheblich. Das LSG sah – wie oben ausgeführt – den Schaden schon darin, dass eine Unterfahrbarkeit in übermäßigem Ausmaß gegeben war (LSG-Urteil S 8). Deshalb konnte es für das LSG nicht mehr relevant sein, dass – wie vom Kläger geltend gemacht – die Versicherte sich letztlich trotzdem damit abgefunden hat und eine Neuanfertigung ablehnt. Dadurch konnte die einmal festgestellte Mangelhaftigkeit nicht aufgehoben werden.
Die Rüge, die Mängelfeststellung habe nicht auf die Wiederbefestigung am 14. Dezember 1995 gestützt werden können, weil es sich um eine gewöhnliche Herausnahme gehandelt habe (Beschwerdebegründung S 14), ist gleichfalls unzulässig. Es fehlt an Darlegungen dazu, inwiefern das Urteil des LSG auf einer Fehlinterpretation der Wiederbefestigung beruhen könnte bzw inwieweit dies in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren relevant sein könnte. Das Argument des LSG, die Wiederbefestigung durch den Kläger lasse auf Mängel schließen, stellt nach dem Begründungszusammenhang im Urteil nur einen zusätzlichen Gesichtspunkt dar. Nach Auffassung des LSG (Urteil S 8) ergaben schon die Vorgänge am 26. März 1997 das Vorliegen eines Mangelschadens.
Soweit der Kläger versucht, den Verfahrensrügen das Bild materieller Rügen zu geben (s Beschwerdebegründung S 10: Verstoß gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung, gegen die materielle Beweislastverteilung und gegen das Willkürverbot), liegt keine zulässige Rüge im Sinne des § 160 Abs 2 SGG vor. Für eine Grundsatzrüge fehlt es schon an der Darlegung, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gegeben sei (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG abgesehen.
Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde mit der Kostenfolge entsprechend § 193 Abs 1 und 4 SGG (in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung) zurückzuweisen.
Fundstellen