Verfahrensgang
SG Mainz (Entscheidung vom 29.11.2017; Aktenzeichen S 3 KA 6/13) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 04.04.2019; Aktenzeichen L 5 KA 7/18) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 4. April 2019 wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. P., beizuordnen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der Kosten des Beigeladenen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 20 972,04 Euro festgesetzt.
Gründe
I
Der Kläger war im Bezirk der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZÄV) zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen; im Jahr 2016 wurde ihm die Zulassung entzogen (vgl BSG Beschluss vom 11.9.2019 - B 6 KA 14/19 B - SozR 4-2500 § 95 Nr 37 ≪vorgesehen≫). Am 15.12.1992 trat er alle bestehenden und zukünftigen Honorarforderungen gegen die Beklagte an seine frühere Ehefrau ab. Mit Beschluss vom 12.9.2008 wurde über sein Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet. Am 22.9.2008 trat die frühere Ehefrau die Honoraransprüche an den vormals beigeladenen, am 27.5.2019 verstorbenen Vater des Klägers ab. Mit Wirkung zum 1.4.2009 gab die Gläubigerversammlung das Vermögen des Klägers aus seiner zahnärztlichen Tätigkeit frei. Am 25.8.2009 trat die frühere Ehefrau des Klägers die gegen die Beklagte gerichteten Honoraransprüche in vollem Umfang an den Kläger ab, der sie wiederum am 22.6.2011 im Rahmen einer Globalzession an seinen Vater abtrat.
Der Kläger reichte bei der Beklagten Honorarforderungen betreffend 21 Patienten in Höhe von 7689,72 Euro im Februar 2012 und erneut im Mai und Juli 2012 ein, ebenso Honorarforderungen betreffend zwölf Patienten in Höhe von 5592,60 Euro im Mai 2012 und erneut im Juli 2012. Er bat um Beachtung der Rechte seines Vaters aus der Abtretung. Die Beklagte zahlte an den Kläger den im Februar 2012 geforderten Betrag nach Abzug von Verbindlichkeiten (Gegenforderungen aus gerichtlichen Kostenfestsetzungsbeschlüssen) in Höhe von 4822,87 Euro sowie die im Mai 2012 geforderten Beträge in voller Höhe. Die Auszahlung der im Juli 2012 eingereichten Honorarforderungen lehnte sie wegen Doppelzahlungen ab und belastete das Konto des Klägers mit einer Rückzahlung des für Mai 2012 ausgezahlten Betrages von 7689,72 Euro. Der Kläger klagte erfolglos auf Zahlung von Honorar in Höhe von 13 282,32 Euro und 7689,72 Euro an seinen beigeladenen Vater. Das LSG führte zur Begründung aus, ein Anspruch scheide schon deshalb aus, weil der Kläger nicht Inhaber des geltend gemachten Honoraranspruchs sei. Gläubiger sei sein Vater, nachdem der Kläger das Honorar wirksam an diesen abgetreten habe (Hinweis auf Urteil des Senats vom 27.6.2018 - B 6 KA 38/17 R - SozR 4-2500 § 79 Nr 2).
Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.
II
1. Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache liegt nicht vor.
Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG ≪Kammer≫ Beschluss vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG Beschluss vom 16.11.1995 - 11 BAr 117/95 - SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG Beschluss vom 14.8.2000 - B 2 U 86/00 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, wenn die aufgeworfene Frage bereits geklärt ist oder wenn sich die Antwort ohne Weiteres aus den Rechtsvorschriften oder aus bereits vorliegender höchstrichterlicher Rechtsprechung klar beantworten lässt (BSG Beschluss vom 11.10.2017 - B 6 KA 29/17 B - juris RdNr 4).
Der Kläger hält die Rechtsfrage für klärungsbedürftig,
"- ob es zum Ausschluss der Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht des als Vertragszahn-arzt tätigen Zedenten und allgemein von Problemen hinsichtlich personenbezogener Daten von Patienten erforderlich ist, dass der Vertrags-zahn-arzt als Zedent zur Vermeidung der Preisgabe von mit der abgetretenen Honorarforderung verbundenen personenbezogenen Informationen nach § 402 BGB im Streit über Honorarberichtigungen oder über Maßnahmen der vertrags-zahn-ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung beziehungsweise allgemein im Streit über Honorarforderungen gegenüber der Kassen-zahn-ärztlichen Vereinigung Grund und Höhe der in Streit stehenden Forderungen selbst mit fiduziarischer Wirkung geltend macht,
ob mit anderen Worten also
- ein Zessionar, der keinen Bezug zur vertrags-zahn-ärztlichen Behandlung hat und auch selbst nicht einer berufsbezogenen Schweigepflicht aus § 203 Absatz 1 StGB unterliegt, den an ihn abgetretenen Honoraranspruch vor den Gerichten überhaupt verfolgen kann."
Der Kläger möchte letztlich geklärt wissen, ob ein Vertrags(zahn)arzt nach wirksamer Abtretung seiner Honoraransprüche an einen Dritten, der keinen Bezug zur (zahn)ärztlichen Behandlung hat, die abgetretenen Forderungen im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft (zu den Voraussetzungen vgl BSG Urteil vom 30.7.2019 - B 1 KR 16/18 R - juris RdNr 10 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen; vgl auch BSG Urteil vom 16.5.2018 - B 6 KA 15/17 R - SozR 4-2500 § 87b Nr 15 RdNr 15) gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung geltend machen kann oder sogar muss. Diese Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Senat diese Frage bisher nicht entschieden hat (vgl insofern auch BSG Urteil vom 3.3.1999 - B 6 KA 10/98 R - SozR 3-5540 Anl 1 § 10 Nr 1; BSG Urteil vom 27.6.2018 - B 6 KA 38/17 R - SozR 4-2500 § 79 Nr 2 RdNr 16 zur Berechtigung des neuen Gläubigers, die Rechtmäßigkeit eines Honorarbescheides zu klären). Als höchstrichterlich geklärt muss eine Rechtsfrage jedoch auch dann angesehen werden, wenn sie zwar vom BSG noch nicht ausdrücklich entschieden worden ist, zur Auslegung der anzuwendenden Vorschrift aber schon höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung dieser Frage geben (BSG Beschluss vom 13.5.1997 - 13 BJ 271/96 - SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG Beschluss vom 30.7.2019 - B 2 U 239/18 B - juris RdNr 4). Dies ist hier der Fall. So hat der BGH mit Urteil vom 6.6.2019 (IX ZR 272/17) auf Klage des verstorbenen Vaters des Klägers entschieden, dass ein eigenes schutzwürdiges Interesse des Zedenten, das fremde Recht im eigenen Namen gelten zu machen, anzuerkennen ist, wenn - wie im Streitfall - eine Sicherungsabtretung zur Rückführung eines Darlehens bestimmt ist (BGH, aaO, juris RdNr 25 = NJW 2019, 2156). Zudem hat der BGH ausgeführt, dass es angesichts der Rechtsunsicherheit, ob der Zessionar, der keinen Bezug zur (zahn)ärztlichen Behandlung hat und auch selbst nicht einer Schweigepflicht aus § 203 StGB unterliegt, den an ihn abgetretenen Honoraranspruch vor den Sozialgerichten überhaupt verfolgen kann, im wohlverstandenen objektiven Interesse des Zessionars einer kassen(zahn)ärztlichen Gebührenforderung liege, dem Kassen(zahn)arzt als Zedenten für deren Geltendmachung eine Einziehungsermächtigung zu erteilen (BGH, aaO, juris RdNr 29).
Damit ist die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage als höchstrichterlich hinreichend geklärt anzusehen. Unerheblich ist, dass das LSG in dem angegriffenen Urteil das Vorliegen einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht erwogen hat. Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht, ob das Berufungsgericht in der Sache richtig entschieden hat (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).
Zudem spricht viel dafür, dass die von dem Kläger aufgeworfene Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren nicht mehr geklärt werden kann, nachdem der vormals beigeladene Zessionar verstorben ist. Zu der erbrechtlichen Lage nach dem Tod des Vaters des Klägers hat dieser nichts vorgetragen. Sollte der Kläger Alleinerbe seines Vaters sein, stellt sich die aufgeworfene Rechtsfrage schon nicht mehr. Anderenfalls wäre zu klären, ob die dem Kläger erteilte Einzugsermächtigung über den Tod hinaus gilt, was sich nach der zugrunde liegenden Vereinbarung richtet (vgl auch § 672 BGB zur gesetzlichen Auslegungsregel beim Tod des Auftraggebers). Auch hierzu hat der Kläger nichts vorgetragen. Jedenfalls wäre die Entscheidung in dem vom Kläger angestrebten Revisionsverfahren inzwischen so stark von einzelfallbezogenen Umständen und Erwägungen beeinflusst, dass ihr keine grundsätzliche Bedeutung über den Einzelfall hinaus mehr zukommen könnte.
2. Auch der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe war abzulehnen. Eine Bewilligung setzt nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 ZPO ua voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es hier aus den zuvor dargelegten Gründen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach trägt der Kläger die Kosten des von ihm erfolglos geführten Rechtsmittels (§ 154 Abs 2 VwGO). Eine Erstattung von Kosten des Beigeladenen ist nicht veranlasst, weil dieser bis zu seinem Tod keinen Antrag gestellt hatte (§ 162 Abs 3 VwGO).
4. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.
Fundstellen
Dokument-Index HI13777033 |