Verfahrensgang

SG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 20.01.2016; Aktenzeichen S 8 U 143/15 ER)

Hessisches LSG (Urteil vom 03.12.2019; Aktenzeichen L 3 U 128/17 WA)

 

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 3. Dezember 2019 - L 3 U 128/17 WA - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

 

Gründe

Mit vorbezeichnetem Urteil hat das Hessische LSG die Klage der Antragstellerin auf Wiederaufnahme des Beschwerdeverfahrens (L 3 U 31/16 B ER) verworfen, in dem es die vorläufige Zahlung einer Verletztenrente nach einer MdE von 100 vH aufgrund des Arbeitsunfalls vom 25.11.2002 im Wege der einstweiligen Anordnung verneint hatte (Beschluss vom 29.7.2016). Am 18.1.2020 hat die Antragstellerin um Prozesskostenhilfe (PKH) und Beiordnung eines Rechtsanwalts nachgesucht, den Entwurf einer Beschwerdeschrift beigefügt und die Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse übersandt.

Das Verfahrenskostenhilfegesuch ist indes abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO). Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder aufgezeigt worden noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Dagegen ist eine allgemeine Überprüfung des vorinstanzlichen Urteils in dem Sinne, ob das LSG unter Würdigung der Angaben der Antragstellerin richtig entschieden hat, im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Antragstellerin erfolgreich zu begründen.

a) Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits durch das BSG bzw ein anderes oberstes Bundesgericht entschieden ist (BVerwG Beschlüsse vom 16.11.2007 - 9 B 36.07 - juris RdNr 11 und vom 6.3.2006 - 10 B 80.05 - juris RdNr 5; zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. Nach der Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 17.10.1983 - 2 WBW 1/83 - BVerwGE 76, 127 = juris RdNr 7) stellen Entscheidungen über Anträge auf einstweilige Anordnungen keine rechtskräftige Beendigung des Verfahrens iS des § 153 Abs 1 VwGO dar und sind somit nicht wiederaufnahmefähig. Diese bereits vorhandene höchstrichterliche Rechtsprechung ist auf § 179 Abs 1 SGG übertragbar, der wortgleich formuliert ist. Da ein oberstes Bundesgericht die Frage, ob einstweilige Rechtsschutzverfahren wiederaufnahmefähig sind, bereits verneint hat, besteht für das BSG insofern kein Klärungsbedarf (BSG Beschlüsse vom 18.8.2017 - B 8 SO 36/17 B - juris RdNr 8 und vom 29.3.2017 - B 5 RE 12/16 B - juris RdNr 10; BVerwG Beschlüsse vom 16.11.2007 - 9 B 36.07 - juris RdNr 11 und vom 6.3.2006 - 10 B 80.05 - juris RdNr 5). Zudem fehlt für die Wiederaufnahme einstweiliger Rechtsschutzverfahren das Rechtsschutzbedürfnis, das stets auch bei Wiederaufnahmeanträgen gegeben sein muss, weil der Erlass einer einstweiligen Anordnung jederzeit erneut beantragt werden kann (BVerwG Beschluss vom 17.10.1983 - 2 WBW 1/83 - BVerwGE 76, 127 = juris RdNr 7 mwN). Darauf weist das LSG zu Recht hin.

b) Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Soweit die Antragstellerin eine Abweichung zu dem Urteil des BSG vom 23.3.1965 (11 RA 304/64 - BSGE 23, 30 = SozR Nr 1 zu § 579 ZPO) geltend macht, übersieht sie, dass dieses Urteil zu einem Beschluss des BSG im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren und nicht zu einer Entscheidung des LSG im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen ist.

c) Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte.

Da der Antragstellerin somit keine PKH zu bewilligen ist, hat sie nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI13797264

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