Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache
Orientierungssatz
Zur grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage in welchen zeitlichen und qualitativen Grenzen die körperliche Reinigung und Erfrischung zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit unter Versicherungsschutz der gesetzlichen Unfallversicherung steht, wenn Reinigung und Erfrischung in eigenwirtschaftliches Schwimmen oder Baden übergehen.
Normenkette
SGG § 160 Abs 2 Nr 1, § 160a Abs 2 S 3
Verfahrensgang
Gründe
Zwischen den Beteiligten ist die Verpflichtung der Beklagten umstritten, dem Kläger wegen der Folgen einer am 29. Mai 1987 auf einer Dienstreise als Busfahrer nach Italien erlittenen Querschnittslähmung Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren (ablehnender Bescheid der Beklagten vom 26. August 1987; zusprechende Urteile des Sozialgerichts vom 12. Dezember 1988 und des Landessozialgerichts -LSG- vom 29. November 1989). Das LSG ist zu dem Ergebnis gelangt, der Unfall des Klägers sei infolge des Versuchs, sich im Meer zu reinigen, eingetreten. Dabei sei die Notwendigkeit dieser Reinigung durch den vorangegangenen, dienstlich bedingten Aufenthalt am Strand entstanden. Zweck der Reinigung sei die notwendige Vorbereitung des Klägers auf seinen wenig später erforderlichen Einsatz als Busfahrer für die Rückfahrt zum Hotel gewesen.
Zur Begründung ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision macht die Beklagte geltend, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-). Außerdem beruhe das Urteil auf einer Abweichung iS des § 160 Abs 2 Nr 2 SGG.
Die Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Beklagte mißt der Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung bei, "in welchen zeitlichen und qualitativen Grenzen die körperliche Reinigung und Erfrischung zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit unter Versicherungsschutz steht, wenn Reinigung und Erfrischung in eigenwirtschaftliches Schwimmen oder Baden übergehen". Die Beklagte meint, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) lasse sich entnehmen, daß eine noch betrieblich bedingte körperliche Reinigung oder Erfrischung nach dem Überschreiten gewisser zeitlicher oder durch die Qualität der Verrichtungen bestimmter Grenzen in eigenwirtschaftliches Baden oder Schwimmen übergehe.
Eine Rechtsfrage hat ua nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie für den vorliegenden Rechtsstreit klärungsbedürftig ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Das ist hier entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Fall.
Nach den Feststellungen des LSG hatte der Kläger im Gegensatz zu den Mitgliedern der Reisegruppe während des zwei Stunden dauernden Aufenthalts am Strand bei einer Lufttemperatur von 28 bis 30 Grad nicht gebadet, sondern im wesentlichen gewartet, den Bus geöffnet, um den Reiseteilnehmern Schutz vor einem Regenschauer zu bieten, Getränke verkauft uä. Um möglicherweise störende Empfindungen durch Sand an den Füßen und am übrigen Körper vorzubeugen, hatte er zur Vorbereitung auf die bevorstehende Rückfahrt ein Abwaschen des Körpers im Meer vornehmen wollen. Dabei geschah der Unfall beim erstmaligen Eintauchen im Meerwasser. Aufgrund dieser tatsächlichen Feststellungen ist das LSG von einem inneren Zusammenhang zwischen dem unfallbringenden Verhalten des Klägers und seiner Betriebstätigkeit ausgegangen. Entsprechend der in Rechtsprechung und Schrifttum seit langem im wesentlichen einhellig vertretenen Auffassung hat es darauf abgestellt, ob die körperliche Reinigung rein privaten Interessen diente oder auch wesentlich mit durch die Dienstreise nach Italien bedingt war (s insbesondere das vom LSG angeführte Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 - 2 RU 25/80 - USK 80126 sowie Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 481k, 481l). Diese auch vom LSG angewandten Rechtsgrundsätze sind revisionsgerichtlich entschieden, für den vorliegenden Fall nicht klärungsbedürftig und deshalb auch nicht von grundsätzlicher Bedeutung iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG. Die von der Beklagten als grundsätzlich angesehene Frage des Übergangs von "Reinigung und Erfrischung" in eigenwirtschaftliches Schwimmen oder Baden betrifft einen anderen vom LSG gerade nicht festgestellten Sachverhalt, weil der Unfall nicht beim Schwimmen oder Baden eingetreten ist, sondern beim erstmaligen - einmaligen - Eintauchen des Klägers im Meerwasser (s S 10 des Urteils) zum Abwaschen des Körpers. In welcher Weise sich der Versicherte die benötigte Reinigung verschaffen kann, ohne sich aus diesem inneren Zusammenhang zu lösen, hängt weitgehend von den Umständen des Einzelfalls ab (BSGE 16, 236, 239); ein "vernunftwidriges Hineinspringen ins Gewässer" (BSGE aaO 240) hat das LSG nicht festgestellt.
2. Soweit die Beklagte eine Abweichung von der Entscheidung des Senats vom 2. November 1988 - 2 RU 7/88 - (BSGE 64, 159 = Breithaupt 1981, 460) rügt, übersieht sie bereits, daß sich der im vorliegenden Fall vom LSG festgestellte Sachverhalt wesentlich von demjenigen, der dem angezogenen Urteil zugrundelag, unterscheidet. Hier hatte sich der Kläger bei einer Wassertiefe von ca 1 Meter "nach vorne flach auf das Wasser geworfen" (S 11 des angefochtenen Urteils). Diese Verhaltensweise hat das LSG als den Versuch gewertet, von einer relativ seichten Stelle aus möglichst bald mit dem ganzen Körper ins Wasser zu gelangen, und dies unter diesen beschriebenen Umständen als allgemein üblich angesehen. In der von der Beschwerdeführerin angeführten und auch vom LSG angezogenen Entscheidung hingegen war das Verhalten nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in hohem Maße vernunftwidrig und gefährlich (Sonnenbaden auf dem Laufsteg eines Tanklastzuges während der Fahrt).
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen