Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtssache. Grundsätzliche Bedeutung. Schädigungsfolgen. GdS. Beschädigtenrente. Nichtzulassungsbeschwerde. Verfahrensmangel. Unzureichende Aufklärung des Sachverhalts. Beweisantrag. Wiederholendes Ablehnungsgesuch. Rechtsmissbräuchlichkeit. Individualisierung. Substantiierung. Anhörungsrüge
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die – über den Einzelfall hinaus – aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist.
2. Zur Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie Festsetzung des GdS und zu Fragen der Gewährung einer Beschädigtenrente gibt es hinreichende Rechtsprechung des BSG.
3. Die Nichtzulassungsbeschwerde kann auf einen Verfahrensmangel in Form einer unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist; danach muss ein Beteiligter im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten haben.
4. Aus seiner teilweisen Abwesenheit bei der mündlichen Verhandlung wird ein Kläger schon deshalb keinen Verfahrensfehler herleiten können, wenn er nach ordnungsgemäßer Ladung und Teilnahme an der Verhandlung diese aus eigenem Willen wieder verlassen hat.
5. Ein wiederholendes Ablehnungsgesuch kann unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unbeachtlich gewertet werden, wenn es offensichtlich rechtsmissbräuchlich war, was ser Fall ist, wenn das Ablehnungsgesuch weder ausreichend individualisiert ist noch der Ablehnungsgrund wenigstens ansatzweise substantiiert wird.
6. Mit einer Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs kann ein Beteiligter nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen.
Normenkette
SGG §§ 60, 62, 73 Abs. 4, § 73a Abs. 1 S. 1, §§ 103, 106, 112, 122, 128 Abs. 1 S. 1, § 160 Abs. 2, § 177; ZPO § 45 Abs. 1, §§ 114, 160, 162; GG Art. 101 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tenor
Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 17. Januar 2017 Prozesskostenhilfe zu gewähren und Rechtsanwältin S. aus L. beizuordnen, wird abgelehnt.
Gründe
I
Im zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrt der Kläger die Feststellung einer posttraumatischen Belastungsstörung als gesundheitliche Schädigungsfolge einer in der DDR erlittenen Haft sowie die Gewährung einer Beschädigtenrente nach dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz nach einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von mindestens 25 mit Wirkung vom 18.11.1997. Diesen Anspruch hat das LSG nach mündlicher Verhandlung mit Urteil vom 17.1.2017 verneint, weil die Voraussetzungen für die Feststellung weiterer Schädigungsfolgen und die Gewährung einer Beschädigtenrente nicht vorlägen. Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Ausführungen des SG im Gerichtsbescheid vom 21.3.2016 verwiesen. Auch im Berufungsverfahren seien keine neuen medizinischen Erkenntnisse gewonnen worden, allein die Stellungnahme von Dipl.-Psychologe Dr. phil. R. genüge nicht, um den Anspruch des Klägers zu begründen. Dieser sei weder in der ersten Instanz noch im Berufungsverfahren bereit gewesen, bei den von Amts wegen bestellten Sachverständigen ohne Videodokumentation und Begleitperson an einer Begutachtung mitzuwirken. Den Beweisanregungen des Klägers vom 14.5.2016 sei nicht zu folgen, ua weil danach nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ursachenzusammenhang zu den rehabilitierten Zeiten festgestellt werden könne. Hierzu bedürfe es einer weitergehenden gutachterlichen Stellungnahme. Über einen erneuten Befangenheitsantrag des Klägers gegen den Vorsitzenden Richter habe es keiner eigenständigen Entscheidung des Senats bedurft, weil dieser wiederholende Ablehnungsantrag ohne neue Ablehnungsgründe rechtsmissbräuchlich und damit unzulässig sei.
Mit seinem am 7.3.2017 beim BSG eingegangenen Telefax-Schreiben vom selben Tage hat der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von PKH für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG gestellt und die Beiordnung von Rechtsanwältin S., L., beantragt.
II
Der PKH-Antrag des Klägers ist unbegründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO). An der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlt es hier. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, die von dem Kläger angestrebte Nichtzulassungsbeschwerde erfolgreich zu begründen.
Hinreichende Erfolgsaussicht hätte die Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG), das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vorbringens des Klägers keiner feststellen.
Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) zu, weil sie keine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Zur hier streitigen Feststellung weiterer Schädigungsfolgen sowie die Festsetzung des GdS und Fragen der Gewährung einer Beschädigtenrente gibt es hinreichende Rechtsprechung des BSG.
Ferner weicht die Entscheidung des LSG nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder BVerfG ab, weshalb auch eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Im Rahmen seiner Entscheidung hat das LSG nicht zu erkennen gegeben, dass es sich nicht an der Rechtsprechung des BSG orientiert.
Schließlich kann nach Aktenlage auch kein Verfahrensmangel des LSG geltend gemacht werden, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (vgl § 160 Abs 2 Nr 3 SGG).
Soweit der Kläger eine unzureichende Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) rügen wollte, ist zu berücksichtigen, dass die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Verfahrensmangel nur gestützt werden kann, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG). Danach muss ein Beteiligter im Berufungsverfahren einen Beweisantrag gestellt und bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufrechterhalten haben (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 67 S 73 f; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 1 RdNr 5; Nr 13 RdNr 11). Ein derartiger bis zum Ende der mündlichen Verhandlung aufrechterhaltener Beweisantrag des Klägers ist hier nicht ersichtlich. Darüber hinaus ist aber auch nicht ersichtlich, dass sich das LSG aus seiner rechtlichen Sicht hätte gedrängt sehen müssen, weitere medizinisch-psychologische Stellungnahmen einzuholen vor dem Hintergrund, dass sich der Kläger nicht bereitgefunden hat, bei den von Amts wegen bestellten Sachverständigen ohne Videodokumentation und Begleitperson an einer Begutachtung mitzuwirken. Das LSG war insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 17.1.2017 auch in Anbetracht der Regelungen in § 106 Abs 1 und § 112 SGG nicht verpflichtet, auf die Stellung eines Beweisantrages hinzuwirken (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 13).
Aus seiner teilweisen Abwesenheit bei der mündlichen Verhandlung wird der Kläger schon deshalb keinen Verfahrensfehler herleiten können, weil er nach ordnungsgemäßer Ladung und Teilnahme an der Verhandlung diese aus eigenem Willen wieder verlassen hat. Insbesondere ist für einen Verfahrensmangel nichts dadurch ersichtlich, dass das LSG trotz des am 17.1.2017 wiederholt gestellten Ablehnungsantrags aufgrund mündlicher Verhandlung vom selben Tage durch seine geschäftsplanmäßige Besetzung entschieden hat. Das von dem Kläger erneut angebrachte Ablehnungsgesuch gegenüber dem Vorsitzenden ist nicht geeignet, einen Verfahrensfehler wegen eines Verstoßes gegen den gesetzlichen Richter (Art 101 Abs 1 S 2 GG) zu begründen. Zwar erfolgte vorliegend die Ablehnung des erneuten Befangenheitsantrags nicht durch gesonderte Zwischenentscheidung, sondern in den Urteilsgründen. In einem solchen Fall kann sich die fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts - anders als in Fällen einer Zwischenentscheidung - als Verfahrensfehler erweisen, auf dem die Entscheidung beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 13.8.2009 - B 8 SO 13/09 B - Juris RdNr 9 unter Hinweis auf BSG SozR 4-1500 § 60 Nr 4 S 7; BSG Beschluss vom 31.8.2015 - B 9 V 26/15 B - Juris). Das LSG durfte aber ohne Verstoß gegen § 60 SGG iVm § 45 Abs 1 ZPO das wiederholende Ablehnungsgesuch in dem angegriffenen Urteil unter Mitwirkung des abgelehnten Richters als unbeachtlich werten, weil es offensichtlich rechtsmissbräuchlich war. Hierzu hat das LSG in seinem Urteil vom 17.1.2017 zutreffend ausgeführt, dass das wiederholende Ablehnungsgesuch weder ausreichend individualisiert ist noch der Ablehnungsgrund wenigstens ansatzweise substantiiert wird. Tatsächlich hat der Kläger im vorangegangenen Berufungsverfahren wiederholt den Vorsitzenden abgelehnt, weil dieser sich geweigert hatte, einem "Auskunftsbegehren/Loyalitätsbekundung" nachzukommen. Insgesamt sind rechtsmissbräuchliche oder willkürliche Gründe im Rahmen der Ablehnung der Befangenheitsanträge nach dem gesamten Akteninhalt und dem Vorbringen des Klägers nicht ersichtlich.
Entsprechend verhält es sich mit einer möglichen Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs (vgl § 62 SGG). Mit dieser kann ein Beteiligter nur dann durchdringen, wenn er vor dem LSG alle prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl 2017, § 62 RdNr 11d mwN). Eine solche Rügemöglichkeit ist hier nicht ersichtlich, zumal der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung die mündliche Verhandlung freiwillig wieder verlassen hat. Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich aus seinen Anträgen auf Protokolländerung und Tatbestandsberichtigung vor dem LSG andere Umstände herleiten ließen. Diese hat das LSG mit unanfechtbaren Beschlüssen (§ 177 SGG) vom 7.3.2017 abgelehnt. Zwar können Verstöße gegen den Inhalt der Niederschrift sowie deren Genehmigung nach § 122 SGG iVm §§ 160 und 162 ZPO Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG darstellen. Hierbei handelt es sich allerdings nicht um absolute Revisionsgründe, sodass gesondert festzustellen ist, inwiefern das angegriffene Urteil auf ihnen beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 30.10.2013 - B 9 V 6/13 B). Ob auch ablehnende Entscheidungen über Protokollberichtigungsanträge und Tatbestandsberichtigungsanträge im sozialgerichtlichen Verfahren bei schweren Verfahrensfehlern oder einer greifbaren Gesetzeswidrigkeit zumindest mittelbar zu überprüfen sind (BFH Beschluss vom 17.12.1999 - V B 116/99; offengelassen in BSG Beschluss vom 23.7.2015 - B 5 R 196/15 B - Juris RdNr 18) ist vorliegend unerheblich, da derartige Umstände vorliegend weder ersichtlich noch vorgetragen sind.
Soweit der Kläger im Übrigen die Beweiswürdigung des LSG (vgl § 128 Abs 1 S 1 SGG) kritisiert, kann er damit gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG von vornherein keine Revisionszulassung erreichen. Entsprechendes gilt, soweit der Kläger eine unzutreffende Rechtsanwendung des LSG rügen wollte (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).
Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung der benannten Rechtsanwältin beanspruchen (§ 73a Abs 1 SGG iVm §§ 114, 121 ZPO).
Fundstellen
Dokument-Index HI11022634 |