Verfahrensgang
SG Koblenz (Entscheidung vom 04.08.2022; Aktenzeichen S 14 KR 599/21) |
LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 14.02.2023; Aktenzeichen L 5 KR 177/22) |
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2023 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).
Der Kläger war zuletzt über seine Ehefrau bei der beklagten Krankenkasse familienversichert. Seit Februar 2020 bezieht er eine Berufsunfähigkeitsrente aus einer betrieblichen Altersversorgung von monatlich 597,57 Euro. Die Beklagte setzte wegen Überschreitens der maßgeblichen Einkommensgrenze die Mitgliedschaft als freiwillige Versicherung fort und erhob ab 21.2.2020 Beiträge nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze (Bescheid vom 16.2.2021, Widerspruchsbescheid vom 2.9.2021, Änderungsbescheide vom 30.12.2021, 25.1.2022, 13.1.2023).
Das SG Koblenz hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 4.8.2022). Das LSG Rheinland-Pfalz hat die Berufung zurück- und die Klage gegen den Bescheid vom 13.1.2023 abgewiesen (Urteil vom 14.2.2023). Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, die starren Einkommensgrenzen des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V seien nicht verfassungswidrig. Die beitragsfreie Familienversicherung sei eine Privilegierung gegenüber dem sozialversicherungsrechtlichen Regelfall, dass Leistungsansprüche Beitragszahlungen voraussetzten. Ein Versicherungspflichttatbestand zur GKV sei nicht erfüllt.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde.
II
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 2 und 3 SGG). Der Kläger hat den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht hinreichend dargelegt.
Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr; vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17; BSG Beschluss vom 28.1.2019 - B 12 KR 94/18 B - juris RdNr 6 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 BK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48; BSG Beschluss vom 28.1.2019 aaO). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der Kläger wirft in der Beschwerdebegründung folgende Frage auf:
"Ist es mit höherrangigem Recht, insbesondere dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 I Grundgesetz und dem besonderen Schutz von Ehe und Familie nach Art. 6 I Grundgesetz vereinbar, dass es eine 'starre' Einkommensgrenze für die Familienversicherung gibt, die in der Praxis dazu führt, dass Menschen mit einem Einkommen knapp über der Einkommensgrenze aus § 10 I Nr. 5 SGB V, insbesondere auch 'Kleinrentner' und Berufsunfähigkeitsrentner, monatlich weniger Geld für ihren Lebensunterhalt zur Verfügung haben, als Menschen, deren Einkommen knapp unterhalb der Grenze der Familienversicherung aus § 10 I Nr. 5 SGB V liegt?"
Der Kläger legt weder die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage noch deren Klärungsfähigkeit im angestrebten Revisionsverfahren hinreichend dar.
Im Rahmen der Klärungsfähigkeit ist aufzuzeigen, dass das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt über die aufgeworfene Frage entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist. Daran fehlt es, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 13. Aufl 2020, § 160 RdNr 9g mwN). Dies ist auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen, weshalb sich auch die Darlegungen zu dieser Zulässigkeitsvoraussetzung auf die im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellten Tatsachen beziehen müssen. Diese Voraussetzungen legt der Kläger nicht hinreichend dar. Nach den Feststellungen des LSG streiten die Beteiligten um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen GKV, während sich die vom Kläger aufgeworfene Frage auf die Voraussetzungen einer kostenfreien Familienversicherung, also auf den krankenversicherungsrechtlichen Status bezieht. Es hätte zumindest Ausführungen dazu bedurft, inwiefern die Frage nach den Einkommensgrenzen für die Familienversicherung in § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V im angestrebten Revisionsverfahren um die Höhe der Beiträge zur freiwilligen (Anschluss-)Versicherung nach § 240 Abs 4 SGB V von entscheidungserheblicher Relevanz sein soll.
Im Rahmen der Klärungsbedürftigkeit wäre in der Beschwerdebegründung darzulegen gewesen, inwieweit sich weder aus den gesetzlichen Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG hinreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ergeben. Auch wenn eine Rechtsfrage noch nicht ausdrücklich höchstrichterlich entschieden worden ist, ist sie als geklärt anzusehen, wenn schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte auch zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG Beschluss vom 21.1.1993 - 13 BJ 207/92 - SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17 sowie BSG Beschluss vom 31.3.1993 - 13 BJ 215/92 - SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6). Wird eine verfassungsrechtliche Frage aufgeworfen, darf sich die Begründung nicht auf die bloße Behauptung der Verletzung einer Norm des GG beschränken. Vielmehr muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG substantiiert ausgeführt werden, woraus sich im konkreten Fall die vermeintliche Verfassungswidrigkeit ergeben soll. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die behauptete Verfassungsverletzung dargelegt werden (vgl BSG Beschluss vom 14.3.2019 - B 12 KR 95/18 B - juris RdNr 5 mwN). Auch daran fehlt es hier.
Selbst wenn die Einkommensgrenze des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 5 SGB V im Rahmen der Beitragsbemessung in der freiwilligen GKV herangezogen würde, hat sich der Kläger nicht mit der Rechtsprechung des BSG zu dieser Vorschrift (zuletzt BSG Urteil vom 18.10.2022 - B 12 KR 2/21 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 15 mwN; BSG Urteil vom 29.6.2016 - B 12 KR 1/15 R - SozR 4-2500 § 10 Nr 12) und zur Beitragsbemessung nach der Mindestbeitragsbemessungsgrenze oder deren Vereinbarkeit mit Verfassungsrecht (BSG Urteil vom 30.11.2016 - B 12 KR 6/15 R - SozR 4-2500 § 224 Nr 2; BSG Urteil vom 7.11.1991 - 12 RK 37/90 - BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6; BSG Urteil vom 23.6.1994 - 12 RK 82/92 - SozR 3-1300 § 40 Nr 2) auseinandergesetzt. Inwieweit sich die aufgeworfene Frage nicht anhand dieser Rechtsprechung beantworten lassen soll, geht aus der Beschwerdebegründung nicht hinreichend deutlich hervor.
Die Ausführungen des Klägers zur Klärungsbedürftigkeit erschöpfen sich in dem Vorbringen, dass das Urteil des BSG vom 18.2.1997 (1 RR 1/94 - SozR 3-2500 § 240 Nr 29) "die Auswirkungen des Zusammenspiels zwischen fiktivem Mindesteinkommen und der starren Grenze der Familienversicherung" nicht beleuchte und auch nach dem Urteil des BSG vom 6.11.1997 (12 RK 61/96 - SozR 3-2500 § 240 Nr 30) sowie der Einführung des § 240 Abs 4 SGB V zum 1.1.2000 und dessen Ergänzung um Satz 3 zum 1.1.2019 ungeklärt sei, "ob 'Kleinrentner' durch ein nur knappes Überschreiten der Einkommensgrenze für die Familienversicherung aus § 10 I Nr. 5 SGB V tatsächlich schlechter gestellt werden dürfen, als solche (verheirateten) Personen, welche die Einkommensgrenze knapp unterschreiten". Der Kläger erläutert in diesem Zusammenhang schon nicht, welche Relevanz § 240 Abs 4 Satz 3 SGB V in der Fassung des GKV-Versichertenentlastungsgesetzes vom 11.12.2018 (BGBl I 2387), der für Antragsteller von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung gilt, für das angestrebte Revisionsverfahren haben soll.
Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Fundstellen
Dokument-Index HI15977489 |