Tenor
Der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit im Revisionsverfahren wird für die Beigeladenen auf 180.000 DM festgesetzt.
Gründe
In der Hauptsache wandte sich die klagende Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) gegen die Genehmigung zur Errichtung einer Betriebskrankenkasse (BKK). Durch die Errichtung verlor die Klägerin die Zuständigkeit für 376 bisher bei ihr versicherte Pflichtmitglieder; bundesweit waren es über 3.700 Pflichtmitglieder bei 38 verschiedenen AOKn. Nach Erledigung des Revisionsverfahrens hat der Prozeßbevollmächtigte der Arbeitgeberin (Beigeladene zu 1) und der BKK (Beigeladene zu 2) die Festsetzung des Gegenstandswerts beantragt.
Die Gebühren des Antragstellers für das Revisionsverfahren bemessen sich nach § 116 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO) in der am 1. September 1990 in Kraft getretenen Neufassung und somit nach dem Gegenstandswert (§ 116 Abs 2 BRAGebO), denn die Revision wurde im Oktober 1990, also nach dem Inkrafttreten der Änderung eingelegt (vgl Beschluß des Senats vom 9. November 1995 – 1 RR 3/90).
Der Gegenstandswert ist nach § 8 Abs 2 Satz 2 Halbs 2 BRAGebO in der bis 1. Juli 1994 geltenden Fassung auf 6.000 DM, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht unter 300 DM und nicht über eine Million DM anzunehmen. Denn bei der Art des hier anhängig gewesenen Rechtsstreits gelten weder Wertvorschriften für die Gerichtsgebühren, noch ergibt sich der Wert des klägerischen Interesses aus der Kostenordnung, noch steht er sonst fest, noch läßt er sich aufgrund genügender Anhaltspunkte schätzen (vgl § 8 Abs 1 Satz 1, Abs 2 Satz 1, Abs 2 Satz 2 Halbs 1 BRAGebO). Zur näheren Begründung nimmt der Senat insoweit auf den Beschluß vom 25. November 1992 (BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 1) Bezug. Darin ist auch ausgeführt, daß der Gegenstandswert in Anlehnung an § 13 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache zu bemessen ist, um Abweichungen zwischen dem sozialgerichtlichen Verfahren einerseits und dem verwaltungs- und finanzgerichtlichen Verfahren andererseits zu vermeiden (so bereits BSG SozR 1930 § 8 Nr 5 mwN; jetzt auch Bundessozialgericht ≪BSG≫ vom 24. Juni 1996 – 12 BK 75/91).
Die demgegenüber vom Antragsteller geforderte Berücksichtigung des wirtschaftlichen Interesses des beigeladenen Arbeitgebers ist mit dieser Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Der hierfür genannte Beschluß vom 4. November 1993 (1 RR 10/91) betrifft einen Rechtsstreit, in dem die Rollen der Beteiligten anders verteilt waren. Denn dort hatte nicht die AOK gegen die Errichtungsgenehmigung, sondern der Arbeitgeber gegen deren Versagung geklagt. Anders als bei der Klage der AOK sind bei einer solchen Klage genügende tatsächliche Anhaltspunkte iS des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO vorhanden, um das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der Genehmigung zu schätzen. Da die Errichtung einer BKK dazu führt, daß sich die Beitragspflicht des klagenden Arbeitgebers nach den Beitragssätzen der BKK statt nach denjenigen der AOK bestimmt, ist der Unterschied in der Beitragsbelastung ein geeigneter Maßstab für die Bezifferung des vom Kläger erstrebten Vorteils.
Die Maßgeblichkeit des Antrags des Klägers für die Bestimmung des Gegenstandswerts, wie sie § 13 Abs 1 Satz 1 GKG für das verwaltungs- und finanzgerichtliche Verfahren vorschreibt, ist auch für das sozialgerichtliche Verfahren sachgerecht. Sie führt zwar dazu, daß sich der Gegenstandswert bei gleichem Streitgrund (hier: Errichtung einer BKK) nach unterschiedlichen Maßstäben bestimmen kann, je nach dem, wie die Ausgangsentscheidung der Behörde lautet und welcher der Betroffenen infolgedessen als Kläger bzw als Beigeladener auftritt. Eine andere Anknüpfung wäre aber noch weniger zu rechtfertigen. Das Verfahren wird im Interesse des Klägers in Gang gesetzt und kann von ihm ohne Mitwirkung eines anderen Beteiligten durch Klagerücknahme wieder beendet werden. Demgegenüber beschränkt sich das Interesse des Beklagten auf die Abwehr des geltend gemachten Anspruchs und spiegelt daher nur das Interesse des Klägers wider. Die Beigeladenen können zwar wesentlich höher zu bewertende Interessen am Rechtsstreit haben als die Hauptbeteiligten. Ihre Möglichkeiten zu deren prozessualer Durchsetzung sind jedoch beschränkt: Sie können eine Erledigung durch Rücknahme, Anerkenntnis oder Vergleich auch dann nicht verhindern, wenn sie notwendig beigeladen sind, und bleiben in diesen Fällen auf eine eigene Klage angewiesen, um eine ihre eigenen Rechte betreffende Entscheidung herbeizuführen (vgl BSG SozR 1500 § 75 Nr 2). Diese und andere Besonderheiten in der Stellung des Beigeladenen mögen es ausnahmsweise sogar rechtfertigen, bei ihm das vom Kläger verfolgte (hohe) wirtschaftliche Interesse außer Betracht zu lassen und statt dessen auf den erheblich niedrigeren Auffangwert für wirtschaftlich nicht bewertbare Streitlagen zurückzugreifen (vgl BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 2). Keinesfalls besteht jedoch Anlaß, das hohe wirtschaftliche Interesse des Beigeladenen zum Maßstab für den Gegenstandswert zu machen, wenn der Kläger seinerseits keine wirtschaftlich bewertbaren Interessen verfolgt.
Die demnach gebotene Anwendung des § 8 Abs 2 Satz 2 BRAGebO führt zu einem Gegenstandswert von 180.000 DM. Da wirtschaftliche Gesichtspunkte ausscheiden, ist an die sonstige Bedeutung der Sache für die Klägerin anzuknüpfen. Die Errichtung einer Krankenkasse ist für die bereits bestehenden Krankenkassen um so bedeutsamer, je weiter dadurch in bisherige Zuständigkeiten eingegriffen wird. Unmittelbar betroffen ist die klagende AOK durch den Verlust derjeniger Mitglieder, die als versicherungspflichtige Arbeitnehmer des Betriebs von der neuen BKK zwangsweise übernommen werden (vgl BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 1 S 3). In geringerem Umfang wird die Stellung der bisherigen Kassen durch die Möglichkeit ihrer freiwilligen Mitglieder beeinflußt, sich nunmehr für die BKK zu entscheiden; die Ermittlungen des Senats in drei Fällen haben jedoch ergeben, daß die Zahl der freiwilligen Mitglieder regelmäßig eine zu geringe Rolle spielt, um sie beim Gegenstandswert zu berücksichtigen. Demgegenüber darf jedoch die Gesamtzahl der Pflichtmitglieder der neuen Kasse insbesondere dann nicht vernachlässigt werden, wenn es sich um wesentlich mehr Mitglieder handelt, als die klagende Kasse verliert. Denn die Bedeutung einer Klage gegen die Errichtung oder Erweiterung einer konkurrierenden Krankenkasse hängt auch von deren Größe bzw dem Umfang des dadurch bewirkten Zuwachses ab (vgl BSG vom 24. Juni 1996 – 12 RK 75/91). Dieser Gesichtspunkt verdient vor allem auch deshalb Beachtung, weil die angegriffene Genehmigung nur insgesamt und nicht nur hinsichtlich der Mitglieder der Klägerin als rechtmäßig oder als rechtswidrig zu beurteilen ist.
Im Anschluß an frühere Überlegungen des BSG ist das Interesse der AOK, ihre Pflichtmitglieder zu behalten mit etwa 100 DM je Mitglied zu bewerten (vgl Beschluß vom 2. April 1986 – 8 RK 7/85; dazu auch LSG für das Saarland vom 26. Juni 1991 – L 2 K 2/91 S; Ausgangswert von 12.000 DM bei 117 Mitgliedern im Beschluß des Senats vom 25. November 1992 ≪BSG SozR 3-1930 § 8 Nr 1≫; wohl auch BSG vom 24. Juni 1996 – 12 RK 75/91). Allerdings ist das Ergebnis im Hinblick auf die Auswirkungen der streitigen Neugründung oder Erweiterung pauschal nach der Zahl der davon betroffenen Pflichtmitglieder zu berichtigen, wenn sich daraus ein höherer Wert ergibt. Für diese Erhöhung reicht die im Beschluß des Senats vom 25. November 1992 vorgenommene Verdreifachung des Ausgangswerts nicht aus, die dort überdies von der gemeinsamen Klageerhebung dreier AOKn abhängig war. Denn dadurch können die Gegenstandswerte bei Verfahren um abgelehnte Errichtungen oder Erweiterungen (vgl BSG vom 4. November 1993 – 1 RR 10/91) sowie um Genehmigungen mit Auswirkungen auf mehrere tausend Mitglieder einerseits und bei Verfahren um Genehmigungen, die sich nur auf wenige hundert Mitglieder beziehen, andererseits zu stark (im Extremfall um mehr als das Hundertfache) voneinander abweichen. Für eine Errichtung oder Erweiterung, die insgesamt bis zu 1.000 Pflichtmitglieder betrifft, ist ein Gegenstandswert von mindestens 120.000 DM (zwanzigfacher Ausgangswert von 6.000 DM), bei einer darüberliegenden Zahl von bis zu 5.000 Pflichtmitgliedern von mindestens 180.000 DM (dreißigfacher Ausgangswert) auszugehen. Dies ist bei der hier umstrittenen Errichtung für über 3.700 Versicherungspflichtige der angemessene Gegenstandswert. Der sich aus dem Verlust van unter 400 Mitgliedern der klagenden AOK ergebende Wert würde demgegenüber der Bedeutung des Rechtsstreits für die Klägerin nicht gerecht.
Fundstellen